Lexikon der Astronomie: Roter Riese
Rote Riesen sind große, leuchtkräftige, aber relativ kühle Sterne.
Ort im HRD
Als Konsequenz dieser Eigenschaften findet man Rote Riesen im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) der Sterne rechts oben. Die Rote-Riesen-Phase setzt bei einem Stern dann ein, wenn die thermonuklearen Fusionsprozesse so weit fortgeschritten sind, dass das Wasserstoff-Schalenbrennen einsetzt. D.h. die Wasserstofffusion findet nicht mehr im heißen Zentrum des Sterns, sondern in seinen Randzonen, nahe der Sternoberfläche statt. Das Umschalten auf Schalenbrennen bläht den Stern auf ein Vielfaches seines ursprünglichen Volumens auf – das erklärt den Begriffsbestandteil 'Riese'. Weil die Leuchtkraft dabei aber nahezu konstant bleibt, kühlt sich seine Oberfläche ab (siehe erste Gleichung unter Effektivtemperatur): Gemäß den Gesetzen der thermischen Strahler (Planck-Gesetz, Plancksche Strahlungsformel) erscheint der Stern somit röter – das erklärt ersten Begriffsbestandteil 'Rot'.
windige Typen!
Das Stadium des Roten Riesen ist verbunden mit kräftigen stellaren Winden, also Teilchen, die von der Sternoberfläche abgeblasen werden. Im 'Zwiebelschalenmodell' der Sterne findet man im Außenbereich massereicher Sterne die Massenschalen der leichtesten Elemente, also Wasserstoff und Helium. Besonders diese Elemente werden vom Sternenwind in den interstellaren Raum gepustet.
Ende des Roten Riesen: Weißer Zwerg und Planetarischer Nebel
Die Innenbereiche des Sterns können am Ende der Rote-Riesen-Phase dem Gravitationsdruck nicht mehr standhalten (vergleiche hydrostatisches Gleichgewicht). Deshalb fällt das Sterninnere im Gravitationskollaps in sich zusammen, bis der Entartungsdruck der Elektronen den Kollapsar wieder stabilisieren kann: ein Weißer Zwerg ist entstanden. Diese erdgroßen, etwa sonnenschweren Sterne sind stabil bis zur so genannten Chandrasekhar-Grenze. Während das Innere zum Zwerg kollabiert, erscheinen die abgeblasenen Sternhüllen nun als farbenprächtiger Planetarischer Nebel.
Zum Vergleich: Ganz anders verläuft die Entwicklung massereicher Sterne mit mehr als etwa acht Sonnenmassen. Sie durchlaufen keine Rote-Riesen-Phase, sondern sind Blaue oder Blauweiße Riesen, die am Ende ihres vergleichsweise kurzen Sternenlebens in einer gigantischen Sternenexplosion, einer Supernova (Typ II) oder sogar einer Hypernova, enden. Was dann vom Riesenstern bleibt ist ein Supernovaremnant, in dem ein kompaktes Sternrelikt sein Dasein fristet. Diese Relikte sind je nach kollabierender Masse Neutronensterne oder stellare Schwarze Löcher. Die Brennprozesse des Sterns sind dann zum Erliegen gekommen. Neutronensterne oder Schwarze Löcher stehen also nicht am Ende der Entwicklung von Roten Riesen.
Beispiel: Beteigeuze
Noch heller und größer als die Riesen sind die Überriesen, wie bei den Yerkes-Leuchtkraftklassen näher ausgeführt wird. Die Abbildung oben zeigt ein bekanntes Musterbeispiel für einen Roten Überriesen: Beteigeuze (auch: Betelgeuse) der Hauptstern (Alpha Orionis) im Wintersternbild Orion. Schon mit bloßem Auge erkennt man deutlich den hellen, roten Stern, der sich in einem Abstand von 427 Lichtjahren zur Erde befindet. Die Abbildung zeigt eine Beobachtung im ultravioletten Licht des Weltraumteleskops Hubble (Credit: STScI/NASA/ESA, Dupree & Gilliland, März 1995). Beteigeuze ähnelt durchaus in Entfernung und Sterngröße Mira A, der im Eintrag Röntgendoppelstern genau beschrieben wird. Beide Riesen sind Pulsationsveränderliche, d.h. ihre Sternoberflächen schwingen um einen mittleren Sternenradius und sorgen so für eine periodische Helligkeitsvariation.
Beispiel: Sonne
Auch die Sonne wird in etwa 6.5 Mrd. Jahren zum Roten Riesen werden. Diese Verwandlung geschieht, weil der Wasserstoffvorrat im Zentrum der Sonne nach Ablauf dieser Zeit zur Neige gehen wird. Die Sonne hat dann einen Heliumkern und geht schließlich über zum Wasserstoffbrennen in den Sternschalen (Schalenbrennen). Betrachtet man das im HRD, so verlässt die Sonne in dieser Phase die Hauptreihe: Sie macht sich auf in das Gebiet der Riesen. Der Übergang zum Riesen dauert vom Zünden des Schalenbrennens an einige hundert Millionen Jahre. Weil der Sternkern sich weiter verdichtet hat, steigt die Zentraltemperatur auf 100 Mio. Kelvin: Dann setzt zentrales Heliumbrennen (Triple-Alpha-Prozess) ein. Die nächste, neue Brennphase setzt ein, sobald auch das Helium im Kern aufgebraucht ist: dann verlagert sich das Heliumbrennen ebenfalls in die Sternschalen und im Kern brennt Kohlenstoff.
Die Sonne bläht sich infolge des Schalenbrennens um etwa das Hundertfache auf. Sie verändert dabei auch ihr Erscheinungsbild: als Riesenstern wird die Sonne das 10000fache ihrer jetzigen Leuchtkraft aufweisen und sie wird rot erscheinen, weil sich ihre Effektivtemperatur absenkt – das wird auch ihren Spektraltyp ändern. Durch den kräftigen Sonnenwind wird die Sonne fast die Hälfte ihrer Masse an die Umgebung abgeben. Aufgrund des enormen Aufblähens kühlen sich die Sternhüllen des Riesen ab und werden ausgedünnt – das stoppt schließlich das Schalenbrennen wieder. Die Ausdehnung der Sonne zum Riesen hat auch entscheidende Konsequenzen für das innere Sonnensystem, weil dann die inneren Planeten Merkur und Venus von der Sonne verschlungen werden (siehe maßstabsgerechte Abbildung oben). Auf der Erde wird die Temperatur lebensfeindlich anschwellen: das Ende des irdischen Lebens ist in diesem Szenario der Wärmetod! Danach wird der innere Teil der Sonne zu einem etwa erdgroßen Weißen Zwerg in sich zusammenfallen. Das Schicksal der Sonne teilen mehr als 90% der Sterne – nämlich alle Sterne mit Anfangsmassen von weniger als 8 Sonnenmassen.
Neue Erkenntnisse über das Innere Roter Riesen
Die Bezeichnung Zwei-Schalen-Brennen kann zu Missverständnissen führen, denn das Brennen in den Schalen findet nicht zur gleichen Zeit, sondern abwechselnd statt. In einem Zyklus von etwa 10000 Jahren zündet das Heliumbrennen in der inneren Schale. In der Zone zwischen den Schalen kommt es durch die Konvektionsströme zu Durchmischungen des Sternplasmas – die Durchmischung an der Grenzschichten geschieht auch durch Instabilitäten der Hydrodynamik, z.B. der Kelvin-Helmholtz-Instabilität (die jeder Kaffeetrinker schon gesehen hat, der seinen Kaffee mit Milch genießt). Durch die Mischungsprozesse gelangt Material aus dem Sterninnern an die Oberfläche des Roten Riesen und ist damit spektroskopisch beobachtbar, weil es dann aus der Photosphäre kommt.
Im Sterninnern läuft der s-Prozess ab, der durch nachfolgende Beta-Zerfälle die schweren Elemente im Roten Riesen erzeugt. Wenn Wasserstoff- und Heliumbrennen (durch die oben beschriebene Ausdünnung des Riesen) aufhören, verliert der Riese einerseits seine äußeren Hüllen und kollabiert andererseits zum Weißen Zwerg. Das hätte das Ende gewesen sein können, doch etwa 10% der Weißen Zwerge gelingt die Rückkehr ins pralle Sternenleben: Sie werfen das Heliumschalenbrennen im so genannten späten Helium-Schalen-Flash an. Im HRD bewegt sich der Weiße Zwerg von unten wieder zurück ins Riesengebiet. Der späte Helium-Flash hat im wahrsten Sinne umwälzende Folgen für den Stern, denn die neue Energiequelle durchmischt die Schalen durch Konvektion. Wenn auch diese Brennphase des Heliums endet, bewegt sich der wiedergeborene Rote Riese im HRD wieder zurück zu den Weißen Zwergen. In dieser Übergangsphase sprechen Astronomen von PG1159-Sternen. Das sind die Nachfolger der AGB-Phase und gewissermaßen 'umgestülpte, ehemalige Rote Riesen'. Diese gut durchmischten Sterne erlauben den Sternforschern einen nachträglichen Blick in das Innere von Rote Riesen. Die Astronomen müssen nur die Spektren der PG1159-Sterne betrachten und die Zusammensetzung und Elementhäufigkeiten analysieren. Das ist tatsächlich möglich und erlaubt die verborgenen, inneren Prozessen in Roten Riesen im Nachhinein – wenn der Riese gar nicht mehr existiert – zu verstehen. Daraus erhalten die Astronomen Kenntnisse über den Ursprung der schweren Elemente und ihre genaue Häufigkeitsverteilung.
PG1159-Sterne sind seltene, sehr heiße, wasserstoffarme Post-AGB-Sterne ('Prä-Weiße-Zwerge'). Die Effektivtemperaturen der PG1159-Sterne sind mit 75000 bis 200000 Kelvin extrem hoch (typisch 140000 K). Die Sternatmosphäre ist so stark ionisiert, dass die Spektrallinien typischerweise im Ultravioletten liegen. Eine astronomische Beobachtung erfordert deshalb weltraumgestützte UV-Astronomie, die mit den US-amerikanischen Weltraumteleskopen Hubble und FUSE (Far Ultraviolet Spectroscopic Explorer) möglich ist (Jahn et al. 2007). Die Spektroskopierung der PG1159-Sterne verrät die Häufigkeiten der schweren Elemente, die der Rote Riese zuvor im Innern produziert hat. Dabei haben die Astronomen eine Überraschung erlebt: Das Sternplasma der ehemals Roten Riesen, das an die Oberfläche des PG1159-Sterns 'gespült' wurde, weist einen unerwartet hohen Kohlenstoffanteil auf. Das ist nur dadurch erklärbar, dass die Konvektionsströme deutlich effektiver sind, als bislang angenommen. Das sorgt für fast gleiche Häufigkeiten von Helium und Kohlenstoff. Die Vielzahl der Kohlenstoffkerne gehen kernphysikalische Reaktionen mit den Protonen ein und produzieren dabei viele Neutronen. Die Neutronen wiederum gehen in den s-Prozess ein. Im Innern des Sterns finden auch Reaktionen statt, in denen sich Heliumatomkerne an verschiedene andere Atomkerne anlagern. Dabei synthetisieren neue, schwerere Elemente. Z.B. entsteht so Stickstoff (N-14) Fluor (F-18) und aus Sauerstoff (O-18) wird Neon (Ne-22). So resultieren auch höhere Häufigkeiten der Elemente Fluor und Neon (Werner et al. 2005). Der astronomische Nachweis von Neon hat das Wiedergeburtsszenario Roter Riesen bestätigt.
Literaturhinweis
- Werner, K. & Rauch, T.: Die Wiedergeburt der Roten Riesen; Sterne und Weltraum, Februar 2007
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