Lexikon der Astronomie: SS 433
Dieses Objekt gehört zu den rätselhaftesten im Universum! Es wurde bereits 1977 entdeckt und befindet sich im Sternbild Adler, inmitten eines Supernovaüberrestes (Supernova remnant, SNR), genannt W50A. W50A ist vermutlich der Überrest aus, dem das kompakte Objekt in SS 433 hervorging. Dabei handelt es sich im weitesten Sinne um einen Mikroquasar, also ein kompaktes Objekt (Neutronenstern oder stellares Schwarzes Loch), das von einem massereichen Donatorstern umkreist wird. Dabei bildet sich aus dem vom Stern überfließenden Material eine Akkretionsscheibe aus.
Der Donatorstern in diesem Doppelsternsystem ist ein massereicher OB-Stern mit 20 Sonnenmassen, der in nur 13.1 Tagen um den kompakten Begleiter kreist. In Form eines starken Sternwindes verliert der Riesenstern 10-4 Sonnenmassen pro Jahr an das kompakte Objekt (Windakkretion).Die Natur des kompakten Objektes ist umstritten: lange wurde ein Neutronenstern favorisiert, mittlerweile spricht vieles für ein stellares Schwarzes Loch.
Das Besondere an dieser Quelle ist ein präzedierender Jet, zumindest dachte man lange, das er präzediert, wie der Wasserstrahl eines rotierenden Rasensprengers. Heute nimmt man eher an, dass es nur so scheint, als ob ein kontinuierlicher Jet präzediert und in Wirklichkeit das kompakte Objekt diskrete Materiepakete auswirft, die man englisch bullets nennt. Sie werden so erklärt, dass die zugrundeliegende Akkretion auf das kompakte Objekt gestört abläuft: die Akkretionslösung oszilliert und sorgt so nur für eine diskontinuierliche Versorgung des Ausflusses.
Die Inklination der Jetachse bzw. der Achse, wo die Auswürfe oder 'Blobs' mit jedesmal nahezu konstanten 26% der Lichtgeschwindigkeit ballistisch hinausgeschossen werden ist zum irdischen Beobachter mit 79 Grad stark geneigt. Außerdem präzediert diese Achse langsam wie die Achse eines Kreisels mit einer Periode von 164 Tagen. Der 'Schussintervall' für die bullets liegt bei 50 bis 1000 Sekunden. Ihre Masse beträgt durchschnittlich 1019 bis 19 g, also etwa ein Millionstel der Masse des irdischen Mondes.
Der Jet ist beidseitig und besitzt Emissionlinien des Wasserstoffs (H alpha), die dementsprechend ebenfalls doppelt vorkommen. Die abgeschätzte Jet-Leuchtkraft ist mit 1039 erg/s sehr hoch!
Kürzlich (Dezember 2002) wurden vom Röntgenbilder vom Satelliten Chandra veröffentlicht, die ebenfalls die helikale Struktur des Jets wie die Radiobilder offenbaren. Die emittierten Blobs sind deutlich durch ihre Bremsstrahlung sichtbar und mit etwa 50 Millionen Grad sehr heiß.
SS 433 ist ein heißer Favorit für die Neutrinoastronomie, weil der Jet dieses Mikroquasars ultra-hochenergetische (UHE) Neutrinos emittieren könnte, die Energien im Bereich von 1 bis 100 TeV haben. Sie entstehen im Jet, wo die hadronische Komponente, vornehmlich Protonen, bis auf gigantische Energie von 1016 eV beschleunigt werden könnten und über p-p-Kollisionen und p-gamma-Reaktionen über andere Teilchenspezies (Pionen, Myonen) schließlich UHE-Neutrinos der Myon- und Elektronfamilie generieren. Es ist Aufgabe von Neutrinodetektoren der 1 km2-Klasse, wie AMANDA und demächst ICECUBE (beide mit Sitz in der Antarktis), die Cerenkov-Strahlung neutrino-induzierter Myonen zu messen. Dabei entstehen in einem riesigen Detektorvolumen aus Eis von etwa 3 km3 Größe Strahlungsblitze, dadurch dass sich Myonen im Medium schneller als die Lichtgeschwindigkeit im Medium bewegen. Empfindliche Lichtmesser, so genannte Photomultiplier Tubes (PMTs), messen diese Lichtspur und erlauben Rückschlüsse auf Richtung und Energie vorangegangener Neutrinos aus denen sie hervorgingen.
Quellen
- Distefano et al., 2002,
- Chakrabarti et al., 2002, astro-ph/0208148
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