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Lexikon der Biochemie: Ammoniakentgiftung

Ammoniakentgiftung, die Entgiftung des in der nichtdissoziierten Form toxischen Ammoniaks durch Bildung von Ammoniumsalzen und Stickstoffexkreten. Vom tierischen Organismus wird das katabolisch anfallende Ammoniak nicht reassimiliert bzw. fällt in solchen Mengen an (proteinreiche Nahrung!), dass es aus dem Körper eliminiert werden muss. Die Ausscheidung von Ammoniak, die Ammonotelie, ist auf einige im Wasser lebende Organismen beschränkt. Das katabolische Ammoniak wird von den meisten Tieren durch Synthese von Stickstoffexkreten, wie Harnstoff, Harnsäure, Guanin (bei Spinnen), Allantoin (bei Diptera) entfernt. Harnstoffausscheider bezeichnet man als Ureotelier und Harnsäureausscheider als Uricotelier. Die Form der Stickstoffexkretion kann sich in der Ontogenese ändern: die Froschlarve (Kaulquappe) ist ammonotel, der adulte Frosch (amphibische Lebensweise) ist ureotel. Die Ureotelie bildet sich bei der Froschmetamorphose heraus. Die Enzyme der Harnstoffsynthese über den Harnstoff-Zyklus werden induziert, während sie bei der im Wasser lebenden Froschlarve reprimiert werden. Die Form der Stickstoffexkretion hängt außerdem von ökologischen Bedingungen ab, zeigt aber trotzdem charakteristische Verteilungsmuster über die Stämme des Tierreichs bzw. ist relativ taxaspezifisch (Tab. 1).
Ureotelier und Uricotelier bedienen sich zur Stickstoffexkretion vorhandener, biochemisch sehr alter Biosynthesemechanismen: zum einen der Harnstoffsynthese über den Harnstoff-Zyklus, der primär in der Phylogenie ein Mechanismus der Synthese und des Abbaus von L-Arginin war, zum anderen der Harnsäurebildung während des oxidativen Abbaus der Purine, der dem Ziel der Stickstoffexkretion angepasst wurde, indem die vorhandenen Reaktionsfolgen der Purinneusynthese und des oxidativen Purinabbaus Harnsäure zur Entgiftung von Ammoniak synthetisierten. Die Form der Stickstoffexkretion bei Organismen, die sich des Purinwegs zur Eliminierung von Ammoniak bedienen, hängt speziell von der Endstufe des Purinabbaus ab. Bei den Uricoteliern ist das die Harnsäure; bei anderen Tieren bleibt der oxidative Purinabbau auf verschiedenen Stufen stehen, da im Zuge der Evolution Enzyme ausgefallen sind, so dass eine Verkürzung der Reaktionskette resultiert (Tab. 2).
Auffallend ist der Zusammenhang zwischen der Form der Stickstoffexkretion und der Desaminierung der proteolytisch anfallenden Aminosäuren: Ureotelier bilden bei der Transaminierung von Aminosäuren aus 2-Oxoglutarat Glutamat, das anschließend von der Glutamat-Dehydrogenase angegriffen wird. Uricotelier dagegen setzen Aminosäuren mit Hilfe von Aminosäure-Oxidasen um.
Pflanzen fehlt ein Exkretionsmechanismus, wie er bei Tieren vorhanden ist. Gewöhnlich ist der Stickstoff ein Faktor, der das Wachstum der Pflanzen begrenzt. Pflanzen überführen daher Ammoniak in wiederverwendbare Stickstoffverbindungen. Diese Reserveverbindungen (die auch als Stickstofftransportform dienen) akkumulieren in den Speicherorganen der Pflanzen (Tab. 3). Sie können auf metabolischem Weg Ammoniak freisetzen, der dann reassimiliert wird. Die Stickstoffverbindungen, die der Speicherung dienen, sind im Allgemeinen analog zu den Exkretionsverbindungen der Tiere. So gehören Allantoin und Allantoinsäure (Pflanzen) dem gleichen metabolischen Weg an wie Harnsäure (Tiere). Citrullin, Arginin und Canavanin (Pflanzen) sind mit dem Harnstoff (Tiere) metabolisch verwandt. Harnstoff selbst dient bei Bovisten als Stickstoffspeichersubstanz.

Ammoniakentgiftung. Tab. 1. Formen der Ammoniakentgiftung und Stickstoffexkretion.

Stickstoffexkretion
Exkretionstyp Bildungsweg Vorkommen
Ammoniak
Ammonotelie Desaminierung von
Aminosäuren
Tintenfische, marine Muscheln, Krebse u.ä.
Trimethylaminoxid Meeresknochenfische
Harnstoff
Ureotelie Harnstoff-Zyklus Amphibien, Säugetiere, Meeresknorpelfische
Harnstoff Ureotelie Purin-Zyklus Lungenfische
Harnsäure
Uricotelie Purinsynthese- und Abbau Landbewohnende Reptilien, Vögel, Insekten (außer Diptera)
Guanin Purinsynthese- und Abbau Spinnen

Ammoniakentgiftung. Tab. 2. Endprodukte des Abbaus von Purinen (aus Nucleinsäuren) bei Tieren.
Endprodukt Vermutlicher Aus-
fall von
Tiergruppe
Harnstoff Fische, Amphibien, Muscheln
Allantoin
Allantoinase
u.a.
Säugetiere (außer Primaten),
Schnecken, Zweiflügler
Harnsäure
Uricase
u.a.
Primaten, Vögel, Reptilien, Insekten (außer Zweiflügler)
Guanin
Guanase
u.a.
Spinnen
Adenin
Adenase
u.a.
Plattwürmer, Ringelwürmer

Ammoniakentgiftung. Tab. 3. Stickstoffspeicherverbindungen einiger Pflanzen.
N-Speicherverbindung
Vorkommen in Pflanzen
Harnstoff
Bovisten und Stäublinge
(Gasteromycetales)
L-Arginin
Apfelgewächse (Malaceae),
Steinbrechgewächse (Saxifragaceae)
L-Citrullin
Birkengewächse (Betulaceae),
Walnussgewächse (Juglandaceae)
Allantoin Raublattgewächse (Boraginaceae)
Allantoinsäure Ahorngewächse (Aceraceae)
L-Glutamin viele Pflanzen
L-Canavanin Leguminosen
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