Lexikon der Biochemie: Glycolipide
Glycolipide, phosphorfreie Membranlipide, deren nichtpolarer Alkoholteil (Y in Abb. 1a) über eine glycosidische Bindung an einen polaren Mono- oder Oligosaccharidrest gebunden ist.
Bei Glyceroglycolipiden besteht der nichtpolare Alkoholteil aus einem sn-1,2-Diacylglycerinrest, dessen sn-3-Sauerstoff glycosidisch an den polaren Mono- oder Oligosaccharidrest gebunden ist, wie in Abb. 1b gezeigt. Die bekanntesten Glyceroglycolipide sind die 1,2-Diacetyl-3-β-D-galactosyl-sn-glycerine (oft Monogalactosyldiglyceride genannt). Sie stellen die Hauptlipide von Chloroplastenmembranen dar und machen 40 % ihres Trockengewichts aus, was sie zu den am weitesten verbreiteten Membranlipiden der Biosphäre macht. Sie werden in den Chloroplastenmembranen begleitet von den 1,2-Diacyl-3-[α-D-galactosyl-(α1→6)-β-D-galactosyl]-sn-glycerinen (Digalactosyldiglyceride) und den 1,2-Diacyl-3-(6-sulfo-α-D-chinovosyl)-sn-glycerinen (oft Pflanzensulfolipide genannt, obwohl Pflanzensulfonolipide der bessere Name wäre, da er die Sulfonsäurenatur des schwefelsäurehaltigen Teils hervorhebt). Die Strukturen dieser Verbindungen werden in Abb. 2 gezeigt.
Im Fall der Sphingoglycolipide ist der nichtpolare Alkoholrest ein N-Acylsphinganinderivat (ein Ceramid), dessen C1-Sauerstoff glycosidisch an den polaren Mono- oder Oligosaccharidrest gebunden ist, wie in Abb. 1c gezeigt. Diese Lipide werden oft Glycosylceramide genannt. Sie können unterteilt werden in Verbindungen, die einen oder mehrere Sialinsäurereste tragen (gewöhnlich Ganglioside genannt, Neuraminsäuren), und Verbindungen ohne Sialinsäurereste. Die Sphingoglycolipide ohne Sialinsäure können weiter in einfache und komplexe eingeteilt werden. Die erstgenannten, die oft Cerebroside genannt werden, besitzen nur einen Glycosylrest, der manchmal an der 3-Hydroxylgruppe sulfatiert ist. Sie werden anhand von 1-β-D-Galactosylceramid (Abb. 3a) und seinem Glycosylanalogen typisiert. Letzteres besitzt ein Oligosaccharid (s. Beispiele in Tabelle 1), das β-glycosidisch über den Lactosylrest an seinem reduzierenden Ende an Ceramid-C1 gebunden ist. Lactosylceramid (Abb. 3b) ist auch an der Struktur von Gangliosiden beteiligt, deren Oligosaccharidteile (s. Beispiele in Tabelle 2) durch die Gegenwart von einem oder mehr Sialinsäureresten noch komplexer sind. Die Sialinsäurereste stammen gewöhnlich von N-Acetyl-Neuraminsäure (NANA) ab, manchmal auch von N-Glycosylneuraminsäure (NGNA; Abb. 4). Sie sind in den Oligosacchariden über α2→3-glycosidische Bindungen mit Glycosylresten verknüpft, bzw. mit anderen über α2→8-glycosidische Bindungen.
Abb. 1. Glycolipide. Grundstrukturen von Glycolipiden und ihren Unterklassen, den Glyceroglycolipiden und den Sphingoglycolipiden. R = Rest des glycosidischen polaren Molekülteils. R' und R'' = Kohlenwasserstoffketten. Y = nichtpolarer Rest.
Abb. 2. Glycolipide. Strukturen einiger Glyceroglycolipide. R und R' = Kohlenwasserstoffketten
Abb. 3. Glycolipide. a) ein Galactosylceramid (ein einfaches, Nichtsialo-Sphingoglycolipid). b) ein Lactosylceramid (ein Baustein komplexer Nichtsialo-Sphingoglycolipide und Gangliosiden.
Abb. 4. Glycolipide. Struktur von Sialinsäuren. Die mit einem Pfeil gekennzeichneten Hydroxylgruppen sind an glycosidischen Bindungen in Gangliosidoligosacchariden beteiligt, entweder SA(α2→3)Gly oder SA(α2→8)SA, wobei SA Sialinsäure und Gly ein Monosaccharidrest sind.
Tab. 1. Glycolipide. Strukturen einiger komplexer Nichtsialo-Sphingoglycolipide (alle besitzen einen Lactosylrest [D-Gal-(β1→4)D-Glc], der glycosidisch mit C1 von Ceramid verknüpft ist).
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Gal(α1→4)Gal(β1 → 4)Glc(β1→)Cer | Globotriaose | Globotriaosylceramid | |
GalNAc(α1→4)Gal(α1→4)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Globotetraose | Globotetraosylceramid | |
Gal(α1→3)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Isoglobotriaose | Isoglobotriaosylceramid | |
GalNAc(α1→4)Gal(α1→3)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Isoglobotetraose | Isoglobotetraosylceramid | |
Gal(β1→4)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Mucotriaose | Mucotriaosylceramid | |
Gal(β1→4)Gal(β1→4)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Mucotetraose | Mucotetraosylceramid | |
GalNAc(β1→3)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Lactotriaose | Lactotriaosylceramid | |
Gal(β1→3)GalNAc(β1→3)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Lactotetraose | Lactotetraosylceramid | |
Gal(β1→4)GalNAc(β1→3)Gal(β1→4)Glc(β1→)Cer | Neolactotetraose | Neolactotetraosylceramid |
Tab. 2. Glycolipide. Strukturen einiger Ganglioside (alle besitzen einen Lactosylrest [D-Gal-(β1→4)D-Glc], der glycosidisch mit C1 von Ceramid verknüpft ist).
* Nomenklatur laut Svennerholm [J. Neurochem. 10 (1963) 613-623], wobei G = Gangliosid, M = Monosialo-, D = Disialo-, T = Trisialo- sind und die arabischen Ziffern die Wanderungssequenz auf Dünnschichtchromatogrammen anzeigen.
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