Lexikon der Biochemie: Isotopentechnik
Isotopentechnik, Tracertechnik, Leitisotopentechnik, die Verwendung radioaktiver (strahlender) und stabiler Isotope (exakter: Nuclide) in der biologischen, chemischen und physikalischen Forschung sowie in der Technik. Da in der I. Atome, Atomgruppierungen (funktionelle Gruppen) oder Moleküle durch Zugabe (bei Elementen) oder Einbau markierter Atome indiziert bzw. markiert werden, rechnet man sie zu den Indikatormethoden. Zur Markierung werden Radionuclide, die einen instabilen Kern haben und unter Aussendung von Strahlung (α-, β-, γ-Strahlung) in einem bestimmten, durch die Halbwertszeit charakterisierten Zeitraum zerfallen, und stabile Nuclide verwendet. Letztere müssen sich in ihren relativen Häufigkeiten von der natürlichen Isotopen-Zusammensetzung des betreffenden chemischen Elements deutlich unterscheiden, d. h., das seltenere Isotop, das als Leitisotop dienen soll, muss angereichert sein. Die Bezeichnung Tracertechnik (engl. to trace für nachspüren, verfolgen, nachweisen) für Isotopentechnik bezieht sich darauf, dass man das markierte Atom im Gemisch mit gleichartigen, nichtmarkierten Atomen (im Isotopengemisch des chemischen Elements) verfolgen, aufspüren und mit Hilfe geeigneter Detektions- und Messverfahren nachweisen kann. Die Markierung "leitet" den Untersucher (Leitisotopentechnik), so wie eine schwarze Kugel unter einer Vielzahl weißer Kugeln von sonst gleicher Größe und Beschaffenheit jederzeit erkannt werden kann.
In der Biochemie stehen von allen Bioelementen Radionuclide oder stabile Nuclide zur Verfügung (Tab.). Die I. bietet drei prinzipielle Vorteile bei ihrer Verwendung in der biologischen Forschung: 1) Das spezifische Verhalten von Atomen und Molekülen kann verfolgt werden; 2) bei Ausschluss von Isotopieeffekten sind genaue und hochempfindliche Untersuchungen möglich; 3) das normale (physiologische) Verhalten eines biologischen Systems wird durch Isotope in der Regel nicht verändert.
Radionuclide können auf verschiedene Art und Weise nachgewiesen und gemessen werden (Geiger-Müller-Zählrohre; Dünnschichtscanner, Szintillationszähler u. dgl.).
Stabile Nuclide können am einfachsteO massenspektroskopisch bestimmt werden.
Für Biosynthesestudien bzw. Vorläufer-Produkt-Untersuchungen genügt die Ermittlung spezifischer Einbauraten oft aus folgendem Grunde nicht, besonders wenn sie relativ niedrig liegen (1% und weniger): Eine zugefütterte (applizierte) markierte Verbindung kann in verschiedene Stoffwechselwege eingeschleust und abgebaut werden, so dass der spezifische Einbau des verwendeten Vorläufers in das untersuchte Stoffwechselprodukt erst durch eine Positionsermittlung des Isotops im Markierungsprodukt nachgewiesen werden muss. Durch die Lokalisation des markierten Isotops im Reaktionsprodukt kann man ausschließen, dass eine unspezifische Markierung durch Verschmierung im Stoffwechsel erfolgte, wobei deduktive Schlüsse auf der Grundlage der Reaktionsmechanismen der theoretischen organischen Chemie zur Entscheidungsfindung dienen. Eine 14C-Verbindung könnte z. B. zu 14CO2 abgebaut werden, das unspezifisch in das Reaktionsprodukt inkorporiert wird.
Die I. wird in der Biochemie zur Lösung folgender Fragestellungen eingesetzt: 1) Lokalisation von Metaboliten, Enzymen und Stoffwechselreaktionen im Organismus und in der Zelle, 2) Verfolgung von Aufnahme-, Transport- und Akkumulationsprozessen, 3) Nachweis physiologischer Leistungen und Funktionsprüfung, z. B. der Schilddrüsenfunktion mit 131I, 4) Erfassung des Turnovers von Biomolekülen und Zellbestandteilen, 5) Aufklärung der Biosynthese von Naturstoffen und Biomakromolekülen, z. B. der Proteinbiosynthese.
Wichtig ist die Verbindung der I. mit chromatographischen und histo- bzw. cytochemischen Untersuchungsverfahren, die als Autoradiographie bezeichnet wird. Radionuclide schwärzen durch Aussendung von Strahlung einen aufgelegten Röntgenfilm an den Stellen, wo die radioaktiv markierte Substanz lokalisiert ist. In Form der elektronenmikroskopischen Radioautographie wurde der Anwendungsbereich dieser Methodik bis in den supramolekularen und molekularen Bereich erweitert. Durch Kombination der I. mit der Papierchromatographie gelang z. B. die Aufklärung der Dunkelreaktionen der Photosynthese durch M. Calvin und Mitarbeiter. Diese Methodik wird als Papier-Autoradiographie bezeichnet.
Tab. Isotopentechnik. Nuclide der Bioelemente (Auswahl).
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Wasserstoff (Deuterium) (Tritium) | 2H 3H | stabil 10,46 Jahre | - β, sehr weich | |
Kohlenstoff | 13C 14C | stabil 5.568 Jahre | - β, sehr weich | |
Stickstoff | 13N 15N | 10,05 Min. stabil | β – | |
Phosphor | 32P | 14,3 Tage | β | |
Schwefel | 35S | 87,1 Tage | β, weich |
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