Lexikon der Biochemie: Kohlenhydratstoffwechsel
Kohlenhydratstoffwechsel, der ständige Auf-, Um- und Abbau der Kohlenhydrate im Organismus. Von besonderer Bedeutung im K. sind Reaktionen zwischen den polymeren Speicherformen (Glycogen und Stärke) und der monomeren Transport- und Substratform für enzymatische Umsetzungen (Glucose und Glucosephosphat), Reaktionen zur gegenseitigen Umwandlung und zum Abbau von Kohlenhydraten und Reaktionen zur Synthese von Glucose aus Nichtkohlenhydratverbindungen (glucoplastische Aminosäuren, Fette). Dabei kommt dem Glucose-6-phosphat eine zentrale Stellung im gesamten K. zu. Unter Vernachlässigung von Seitenwegen (Glucuronatweg, Entner-Doudoroff-Weg, Phosphoketolaseweg) ergeben sich für das Glucose-6-phosphat vier Hauptwege: 1) Glycolyse, 2) Glycogensynthese (Glycogenstoffwechsel), 3) Pentosephosphat-Zyklusund 4) enzymatische Hydrolyse zu freier Glucose. Die Effektivität dieser Hauptwege hängt im tierischen Organismus von der Funktion des jeweiligen Gewebes ab. Ein Aktivitätswechsel der Gewebe, z.B. bei Krankheit, wirkt sich entscheidend auf den K. aus (Abb. 1).
Unter bestimmten Bedingungen ist aus den Abbauprodukten des K. eine Resynthese von Kohlenhydraten möglich. Ausgangsmaterial für diese Gluconeogenese sind Lactat und glucoplastische Aminosäuren.
Der K. lässt sich in drei verschiedene Phasen einteilen:
1) Mobilisierung: Poly-, Oligo- und Disaccharide werden phosphorolytisch in Hexosephosphate, besonders in Glucose-6-phosphat zerlegt. Bei der Verdauung erfolgt die Spaltung durch Hydrolyse.
2) Interkonversionen: Bei der gegenseitigen Umwandlung der Monosaccharide gibt es folgende Reaktionstypen: a) Epimerisierung, die Umkehr der sterischen Anordnung an einem C-Atom durch Epimerasen (z.B. im Galactosestoffwechsel); b) Isomerisierung, die durch Isomerasen katalysierte reversible Umwandlung von Aldosen in Ketosen (z.B. von Glycerinaldehyd-3-phosphat in Dihydroxyacetonphosphat); c) Übertragung von C3- (Transaldolierung) und C2-Bruchstücken (Transketolierung) in Form eines Dihydroxyacetonphosphatrestes bzw. "aktiven Glycolaldehyds"; d) Oxidation einer Aldose zur Säure und nachfolgende Decarboxylierung. Auf diesem Weg entstehen aus Hexosen Pentosen. In dieser zweiten Phase des K. werden die lntermediärprodukte der ersten Phase unvollständig abgebaut. Produkte sind vorwiegend Triosephosphate. Dabei wird etwa ein Drittel des gesamten Freien Energiepotenzials freigesetzt und teilweise zur Synthese von ATP verwendet.
3) Amphibolische Reaktionsketten: In Form von Pyruvat und Acetyl-Coenzym A fließen die Abbauprodukte des Kohlenhydratstoffwechsels in den allgemeinen Stoffwechsel ein (Abb.2).
Biosynthesenim K. Pflanzliche Organismen sind die Hauptproduzenten der Kohlenhydrate in der Natur. Bei der Photosynthese entstehen durch eine Reihe enzymatischer Reaktionen ("Dunkelreaktionen" der Photosynthese) phosphorylierte Monosaccharidderivate, die in freie Zucker hydrolysiert oder in Nucleosiddiphosphatzucker umgewandelt werden können.
Bei der Biosynthese von Polysacchariden wie Stärke, Glycogen, Cellulose, werden die Monosaccharideinheiten durch die Bildung von Nucleotidderivaten aktiviert und in dieser Form mittels Transferasen unter Abspaltung des Nucleotids auf eine nichtaktivierte, sich verlängernde Polysaccharidkette übertragen. Die Biosynthese ist an das Vorhandensein eines höherpolymeren Startermoleküls gebunden. Bei der Biosynthese des Oligosaccharids Saccharose und des Polysaccharids Stärke stellen die Uridindiphosphatglucose (UDP-Glucose) und die Adenosindiphosphatglucose (ADP-Glucose) aktivierte Zucker zur Verfügung. Für die Synthese der β-1→4-Glucosylkette der Cellulose dient zwar wahrscheinlich hauptsächlich die UDP-Glucose als Vorstufe. Die GDP-Glucose kann jedoch auch als Vorstufe eingesetzt werden.
Der Abbau der Oligo- und Polysaccharide erfolgt in den Organismen mittels spezifischer Enzyme hydrolytisch (Hydrolasen) oder phosphorolytisch (Phosphorylasen).
Die Regulation des K. ist gekennzeichnet durch enge, über Stoffwechselprodukte vermittelte Wechselbeziehungen zwischen den einzelnen Stoffwechselwegen. Die Glycolyse wird durch die allosterische Regulation der Enzyme Phosphofructokinase und Pyruvatkinase kontrolliert, Pasteur-Effekt. Zwischenprodukte des Pentosephosphat-Zyklus hemmen das einleitende Enzym der Glycolyse, die Phosphoglucoisomerase, was zu einer Beeinträchtigung des glycolytischen Abbaus führt.
Kohlenhydratstoffwechsel. Abb. 1. Umsatz des Glucose-6-Phosphats (a) unter normalen und (b) unter krankhaften Bedingungen (Diabetes mellitus) in Prozent des Gesamtumsatzes.
Kohlenhydratstoffwechsel. Abb. 2. Die drei Phasen des Kohlenhydratstoffwechsels. NTP = Nucleosidtriphosphat.
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