Lexikon der Biochemie: Porphyrine
Porphyrine, zyklische Tetrapyrrole, die sich von der Stammsubstanz Porphin ableiten, in der die 8β-Wasserstoffatome teilweise oder vollständig durch Seitenketten, z.B. die Alkyl-, Hydroxyalkyl-, Vinyl-, Carbonyl- oder Carboxylgruppen, substituiert sind. Die verschiedenen P. werden aufgrund dieser Seitenketten eingeteilt, z.B. in Protoporphyrin, Coproporphyrin, Etioporphyrin, Mesoporphyrin, Uroporphyrin (Tab.). Durch die Art, in der die Seitenketten über das makrozyklische System verteilt sind, sind Stellungsisomere bei den P. möglich. In den P., die in der Natur vorkommen, trägt keiner der vier Pyrrolringe des Makrozyklus dieselbe Seitenkette doppelt. Bei P., die nur zwei Arten von Seitenketten enthalten, z.B. Etioporphyrin, Coproporphyrin und Uroporphyrin, sind lediglich vier Isomere (I bis IV) möglich. Mit drei verschiedenen Seitenketten (z.B. Protoporphyrin) sind dagegen 15 Isomere möglich. Von den vielen möglichen Porphyrinisomeren kommen nur die Arten I und III natürlich vor. Von den Typ-I-Porphyrinen ist keine Funktion bekannt, sie werden ausgeschieden. Protoporphyrin IX ist in der Natur besonders weit verbreitet und kommt als korrespondierende Hämgruppe in Hämoglobin, Myoglobin und den meisten Cytochromen vor.
Viele Metallionen werden durch P. unter Bildung von Metalloporphyrinen komplexiert. Der Chelatkomplex von Protoporphyrin IX mit Fe(II) wird als Protohäm bzw. Häm bezeichnet. Mit Fe(III) heißt der Komplex Hämin bzw. Hämatin. Chlorophylle sind Magnesiumkomplexe verschiedener P. Im Cobalamin ist das Cobalt durch eine Corrinringstruktur komplexiert, die strukturell und biosynthetisch mit den P. verwandt ist. Die Gallenfarbstoffe stammen von P. ab.
Porphyrinogene (die Zwischenprodukte der Porphyrinbiosynthese sind) stellen P. dar, bei denen sowohl die Pyrroleninstickstoffe als auch alle Brückenmethenkohlenstoffe Wasserstoffatome tragen.
Die Porphyrinbiosynthese verläuft für die biologisch wichtigen Metalloporphyrine vom 5-Aminolävulinat bis zur Stufe von Protoporphyrin IX (Abb. 1 u. Abb. 2) gleich.
Zwei Moleküle 5-Aminolävulinsäure kondensieren unter Bildung des substituierten Monopyrrols Porphobilinogen. Diese Reaktion wird von der 5-Aminolävulinat-Dehydrase (Porphobilinogen-Synthase, EC 4.2.1.24) katalysiert, die bleiempfindlich ist. (Bei einer Bleivergiftung wird 5-Aminolävulinsäure in erhöhtem Maß im Harn ausgeschieden und die Aktivität der 5-Aminolävulinat-Synthase im Blut ist verringert.) Vier Porphobilinogenmoleküle reagieren über ihre Aminomethylseitenketten unter Abspaltung von Ammoniak und Bildung der Tetrapyrrylmethanzwischenverbindung Hydroxymethylbilan. Während der Umwandlung von Hydroxymethylbilan in Uroporphyrinogen III, lagert sich der Ring IV um (vgl. die Positionen der Propionat- und Acetatseitenketten im Ring IV von Hydroxymethylbilan und Uroporphyrinogen III, Abb. 1). Das gebildete Uroporphyrinogen III wird decarboxyliert zu Coproporphyrinogen III. Weitere Decarboxylierung und Dehydrierung führt zur Bildung der Schlüsselsubstanz der Porphyrinsynthese, des Protoporphyrinogens IX.
Für die Biosynthese von 5-Aminolävulinat bestehen zwei verschiedene Pfade. In einigen photosynthetischen Bakterien, Hefe und tierischen Mitochondrien entsteht 5-Aminolävulinat durch Kondensation von Glycin mit Succinyl-CoA, katalysiert durch ein einziges Enzym, die 5-Aminolävulinat-Synthase (Abb. 3). In verschiedenen anderen photosynthetischen Bakterien, in Cyanobakterien, höheren Grünpflanzen und Algen wird das intakte Kohlenstoffgerüst von Glutamat mit Hilfe eines Multienzymkomplexes in 5-Aminolävulinat umgewandelt. An den fünf Stufen dieser Umwandlung (five carbon pathway) ist eine Verknüpfung der α-Carboxylgruppe von Glutamat mit einer tRNAGlu beteiligt.
1960 wurden Namen und Nummerierungssysteme für P. durch die Commission of Nomenclature of Biochemistry vorgeschlagen und von der IUPAC/IUB Commission for Biochemical Nomenclature und der IUPAC Commission on Nomenclature in Organic Chemistry empfohlen [Pure and Applied Chemistry51 (1979) 2.251-2.304]. Das ursprüngliche Nummerierungssystem und die Trivialnamen, die von Fischer eingeführt wurden, werden jedoch weiterhin bevorzugt. [D. Dolphin (Hrsg.) The Porphyrins Bd. 1, Structure and Synthesis Teil A, Academic Press 1978; H.A.Dailey (Hrsg.) Biosynthesis of Heme and Chlorophylls, McGraw Hill, 1990]
Porphyrine. Abb. 3. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt der Porphyrinsynthese, katalysiert durch 5-Aminolävulinat-Synthase. Die Reaktion findet in den Lebermitochondrien statt und wird durch Häm und Hämin allosterisch inhibiert. Die Zwischenverbindung in Klammern ("Succinylglycin") wurde nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Kondensation und Decarboxylierung können gleichzeitig ablaufen.
Porphyrine. Abb. 1. Stufen der Porphyrinsynthese, die im Lebercytoplasma stattfinden. Coproporphyrin I wird in konstanten, jedoch geringen Mengen im Harn (40-190 mg/Tag) und in den Fäzes (300-1.100 mg/Tag) ausgeschieden. Die Ausscheidungsrate nimmt bei hämolytischen Störungen zu. Die weitere Umwandlung von Coproporphyrinogen III läuft in den Mitochondrien ab.
Porphyrine. Abb. 2. Die letzten Schritte der Synthese von Protoporphyrin III (IX) in Lebermitochondrien und dessen Überführung in Häm. Die Zahlen in Klammern und die griechischen Buchstaben entsprechen dem Fischersystem. Die nicht eingeklammerten Zahlen geben das Porphyrinnummerierungssystem 1-24 wieder.
Tab. Porphyrine.
| ||||||||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | |
Coproporphyrin I | M | P | M | P | M | P | M | P |
Coproporphyrin III | M | P | M | P | M | P | P | M |
Deuteroporphyrin I | M | H | M | H | M | P | M | P |
Deuteroporphyrin III | M | H | M | H | M | P | P | M |
Etioporphyrin I | M | E | M | E | M | E | M | E |
Etioporphyrin III | M | E | M | E | M | E | E | M |
Hämatoporphyrin I | M | HE | M | HE | M | P | M | P |
Hämatoporphyrin III | M | HE | M | HE | M | P | P | M |
Mesoporphyrin I | M | E | M | E | M | P | M | P |
Mesoporphyrin III | M | E | M | E | M | P | P | M |
Protoporphyrin I | M | V | M | V | M | P | M | P |
Protoporphyrin III | M | V | M | V | M | P | P | M |
Uroporphyrin I | A | P | A | P | A | P | A | P |
Uroporphyrin III | A | P | A | P | A | P | P | A |
Isocoproporphyrin | M | E | M | E | M | P | P | M |
M = Methyl, -CH3; P = Propionyl, -CH2CH2-COOH; H = Wasserstoff; HE = Hydroxyethyl, -CH2CH2OH; V = Vinyl, -CH=CH2; E = Ethyl, -CH2CH3; A = Acetyl, -CH2-COOH. Die korrespondierenden Porphyrinogene haben identische Substitutionsmuster.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.