Lexikon der Biochemie: Ribosomenproteine
Ribosomenproteine, integrale Proteine der Ribosomen. Prokaryontische Ribosomen enthalten 35-40 % und eukaryontische Ribosomen 48-52% Protein. Die am besten untersuchten R. sind die von E. coli. Die 50S-Untereinheit enthält 34 verschiedene L-Proteine (L für large subunit, große Untereinheit), während in der 30S-Untereinheit 21 verschiedene S-Proteine (S für small subunit, kleine Untereinheit) vorhanden sind. Bis auf L7 und L21 verhalten sich alle 55 R. immunologisch unterschiedlich. Jedes Protein wurde isoliert und charakterisiert, in Bezug auf die Mr, die Aminosäurezusammensetzung, den pK-Wert, die Stöchiometrie innerhalb des Ribosoms sowie die spezifische Wechselwirkung mit rRNA. Mit Ausnahme von Protein S1 (Mr 65kDa) liegen alle Mr im Bereich von 9-28kDa. Außer im Fall von S6 (pK 4,9), L7 (pK 4,8) und L12 (pK 4,9) sind die pK-Werte basisch (pK > 9). Der stark basische Charakter der R. geht auf den hohen Gehalt an Lysin und Arginin zurück. L7 und L12 enthalten beide 120 Aminosäurereste und unterscheiden sich nur in der N-terminalen Acetylgruppe von L7. Bezüglich der chemischen und physikalischen Eigenschaften haben L7 und L12 große Ähnlichkeit mit kontraktilen Proteinen, wie z.B. Myosin und Flagellin. 50S-Ribosomenuntereinheiten, die kein L7 und L12 besitzen, haben keine GTPase-Aktivität, jedoch wird die EFG-abhängige GTPase durch Zusatz eines der beiden Proteine wiederhergestellt. Wenn zu einem Rekonstitutionsgemisch (Ribosomen) Antikörper gegen L7 und L12 hinzugefügt werden, fehlt den gebildeten Partikeln die GTPase-Aktivität. Antikörper gegen L7 und L12 verhindern außerdem die Bildung eines Komplexes zwischen EGF, GTP, 50S-Untereinheit und Fusidinsäure (ein Translokationsinhibitor). Es wird daher vermutet, dass L7 und L12 an der GTP-Hydrolyse während der Translokation beteiligt sind, indem sie als Bindungsstelle für EFTU, EFTS und EFG auf der 50S-Ribosomenuntereinheit fungieren (Proteinbiosynthese); möglicherweise dienen sie auch als kontraktile Proteine zur physikalischen Wanderung des Ribosoms entlang der mRNA während der Translokation. Die Verwendung spezifischer Antikörper zur Untersuchung der Funktion und Lokalisation der R. innerhalb des Ribosoms ist sehr aufschlussreich. Alle S-Proteine und die meisten L-Proteine sind empfindlich gegenüber Antikörpern, was darauf hinweist, dass diese Proteine zumindest teilweise auf der Ribosomenoberfläche exponiert sind. Sie sind entweder kovalent an rRNA gebunden (primäre Bindungsproteine) oder sie stehen mit dieser in starker Wechselwirkung. Die Proteine liegen wahrscheinlich innerhalb der RNA-Matrix fein verteilt vor, so dass zwischen den verschiedenen R. keine oder nur geringe Oberflächenwechselwirkungen auftreten. Durch milde Ribonuclease-Verdauung der intakten 30S-Untereinheit werden Ribonucleotidfragmente (Brimacombefragmente) unterschiedlicher Größe gebildet, die Untersätze der ursprünglichen Ribosomenuntereinheit darstellen.
S4, S8, S15 und S20 werden an die 16S-rRNA besonders fest gebunden. Soweit es möglich ist, den unterschiedlichen R. eine Funktion zuzuschreiben, konnten folgende Beziehungen aufgezeigt werden: S1 (mRNA-Bindung); S2, S3, S10, S14, S19, S21 (fMet-tRNA-Bindung); S3, S4, S5, S11, S12 (Codonerkennung); S1, S2, S3, S10, S14, S19, S20, S21 (Funktion als A- und P-Bindungsstelle; Aminoacyl-tRNA-Bindungsstelle); S9, S11, S18 (Aminoacyl-tRNA-Bindung); S2, S5, S9, S11 (unmittelbare Nähe zur GTPase).
Folgende Proteine sind an der Bindung der 50S- an die 30S-Untereinheit beteiligt: S20 (bindet selbst an 50S), S5 und S9 (stellen beide Fähigkeit von 30S an 50S zu binden, wieder her; Antikörper gegen S9 verhindert eine Verbindung von 30S mit 50S), S16 (wird durch quervernetzende Reagenzien mit 50S verknüpft), S12 (bindet an 23S-rRNA), S11 (Antikörper gegen S11 verhindern eine Verbindung von 30S mit 50S; S11 bindet an 23S-rRNA).
Viele Antibiotika wirken dadurch, dass sie an R. binden, z.B. Streptomycin an S12. Mutanten, die resistent gegen Streptomycin sind, besitzen ein verändertes S12. Erythromycin geht eine Wechselwirkung mit L22 und Spiramycin mit L4 ein.
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