Lexikon der Biochemie: Selektivität
Selektivität, die Fähigkeit einer chemischen Reaktion, einer Untersuchungsmethode oder Operation, zwischen mehreren Möglichkeiten auszuwählen. Der Begriff S. wird in verschiedenen Gebieten der Chemie unterschiedlich verwendet und definiert.
1) Bei Reaktionen, die in parallelen Teilschritten zu verschiedenen Produkten führen können, versteht man unter S. den Anteil, mit dem ein bestimmtes Zielprodukt unter Berücksichtigung der statistischen Verhältnisse gebildet wird. Je größer dieser Anteil ist, um so selektiver ist die Reaktion. Sind die Produkte Konstitutionsisomere, spricht man von Chemoselektivität oder Regioselektivität, bei Stereoisomeren von Stereoselektivität. Quantitativ definiert man die S. entweder a) als Verhältnis von zwei Produktkonzentrationen S12 = c1/c2 oder b) als Quotient aus der Konzentration c1 des Zielproduktes und der Summe aller Produktkonzentrationen S1 = c1/Σci. Der Wertebereich liegt für S12 zwischen 0 und ∞, derjenige von S1 zwischen 0 und 1. Die gemäß a) definierte S. S12 wird auch als relative Reaktivität bezeichnet. Gelten für die Bildungsgeschwindigkeiten der verschiedenen Produkte die gleichen kinetischen Zeitgesetze, können die Konzentrationen durch die Geschwindigkeitskonstanten k ersetzt werden: S12 = k1/k2 bzw. S1 = k1/Σki. Nur in diesen Fällen ist die S. einer Reaktion eine von den Anfangskonzentrationen und vom Umsatz unabhängige charakteristische Konstante, die aber durch Änderungen der Reaktionsbedingungen (Temperatur, Katalysator, Lösungsmittel) beeinflusst werden kann.
2) In der Analytik bezeichnet man ein Analysenverfahren dann als selektiv, wenn mit ihm mehrere Komponenten in der Analysenprobe nebeneinander und unabhängig voneinander bestimmt werden können, d.h., wenn das Analysensignal der zu bestimmenden Komponente i von den anderen anwesenden Stoffen k nicht beeinflusst wird.
3) Bei Stofftrennprozessen unter Nutzung von Phasengleichgewichten, vor allem bei der Extraktion, der Extraktivdestillation und bei chromatographischen Methoden, versteht man unter S. den Einfluss des Selektivlösungsmittels auf die Trennbarkeit zweier Komponenten. Sie charakterisiert den Einfluss der zwischenmolekularen Wechselwirkungen auf die relative Löslichkeit bzw. Flüchtigkeit der beiden Stoffe. Allerdings hängt die Eignung des jeweiligen Phasengleichgewichts für eine wirksame Stofftrennung nicht nur von der S., sondern auch von der Aufnahmefähigkeit des Lösungsmittels für die beiden Stoffe, der Kapazität, ab. In der Chromatographie erlangt die Enantioselektivität mit Hilfe chiraler stationärer Phasen zunehmende Bedeutung.
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