Lexikon der Biochemie: ungesättigte Fettsäuren
ungesättigte Fettsäuren, Fettsäuren mit einer oder mehreren Doppelbindungen. Die wichtigsten u. F. haben 18 Kohlenstoffatome, wie z.B. Ölsäure, Linolsäure, Linolensäure. Mehrfach u. F. besitzen in den meisten Fällen nichtkonjugierte cis-Doppelbindungen. Einige seltene u. F. enthalten auch Dreifachbindungen, wie z.B. die Nemotinsäure, HCºC-C≡C-HC=C=CH-CHOH-CH2CH2COOH.
Die Biosynthese der u. F. erfolgt bei Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren auf zwei unterschiedlichen Wegen, die gemeinsam im wesentlichen für alle natürlich vorkommenden ungesättigten Fettsäuren verantwortlich sind. Der anaerobe Stoffwechselweg kommt nur bei Bakterien vor. Er kann als Teil des Biosynthesewegs gesättigter Fettsäuren betrachtet werden, der sich auf der Stufe des C10-Intermediats verzweigt. Auf der einen Seite entsteht entweder Palmitat bzw. Stearat, auf der anderen Seite Palmitoleat bzw. Vaccenat. Der Verzweigungspunkt ist durch das D-β-Hydroxydecanoyl-ACP gegeben, einer normalen Zwischenstufe in der Palmitatsynthese. Auf dem Weg der Palmitatsynthese wird diese Zwischenstufe in Position 2,3 (α,β) dehydratisiert, wobei eine trans-Doppelbindung entsteht. Die weiteren Reaktionen laufen wie unter dem Stichwort Fettsäurebiosynthese(Tab. 1) beschrieben ab. Während der Biosynthese ungesättigter Fettsäuren wird die Zwischenstufe zwischen C3 und C4 (β und γ) unter Bildung einer cis-Doppelbindung mit Hilfe der bakteriellen β-Hydroxydecanoylthioester-Dehydratase dehydratisiert (Abb. 1). Die cis-Doppelbindung bleibt während der nachfolgenden Kettenverlängerungsschritte der Fettsäurebiosynthese erhalten, die Palmitoleat (drei Zyklen) bzw. Vaccenat (vier Zyklen) ergeben. E. coli besitzt zwei unterschiedliche β-Ketoacyl-ACP-Synthetasen (I und II). Das Enzym I bewirkt hauptsächlich die Elongation von cis-3-Decenoat zu Palmitoleat. Das Enzym II katalysiert die Kondensationen, die zu Palmitat führen und die Kettenverlängerung von Palmitoleat zu Vaccenat. Brevibacterium ammoniagenes produziert Oleat als einzige ungesättigte Fettsäure des anaeroben Stoffwechselwegs. Dieser Organismus bildet auch darin eine Ausnahme, dass er für die Synthese auf dem anaeroben Weg einen Typ-I-Fettsäure-Synthase-Komplex einsetzt. Clostridium butyricum stellt, zusätzlich zu Palmitoleat und Vaccenat, durch Kettenverlängerung von 3-Dodecenoyl-ACP 7-Hexadecenoat und Oleat her (Abb. 1).
Pflanzen und Tiere synthetisieren mit Hilfe einer sauerstoffabhängigen Desaturase eine Vielzahl von ungesättigten Fettsäuren, die sich in der Kettenlänge, Verzweigung sowie Lage und Anzahl der Doppelbindungen unterscheiden. Dies steht im Gegensatz zur begrenzten Anzahl und zu den begrenzten Arten an ungesättigten Fettsäuren, die von Bakterien auf dem anaeroben Weg hergestellt werden. Die sauerstoffabhängige Desaturase der Tiere befindet sich im endoplasmatischen Reticulum. Hier ist ein mischfunktionelles Oxygenase-System lokalisiert, das Cytochrom-b5-Reduktase, Cytochrom b5 und Desaturase enthält (Abb. 2) und spezifisch für Fettsäureacyl-CoA-Substrate ist.
Tiere sind nicht in der Lage, Linoleat und Linolenat zu synthetisieren. Diese sind deshalb "essenziell" und müssen mit der Nahrung zugeführt werden. Tiere können Stearoyl-CoA zu Oleoyl-CoA desaturieren. Ausgehend von Linoleoyl-CoA vermögen Tiere eine Vielzahl an polyungesättigten Fettsäuren durch Desaturierung und Kettenverlängerung herzustellen, wie z.B. die Prostaglandinvorstufe Arachidonat (Abb. 3).
Das pflanzliche Desaturase-System scheint löslich zu sein und kann Ferredoxin an Stelle von Cytochrom b5 enthalten. Es wirkt auf Fettsäureacyl-ACP bzw. Acylgruppen, die bereits in Membranlipiden inkorporiert vorliegen (z.B. wird mit Hilfe der Spinatchloroplasten-Desaturase [1-Oleoyl]-diacylgalactosylglycerin zu [1-Linoleoyl]-diacylgalactosylglycerin und dann zu [1-Linolenoyl]-diacylgalactosylglycerin desaturiert).
Nur wenige Bakterien arbeiten mit dem sauerstoffabhängigen Desaturase-System, z.B. Mycobacterium smegmatis, M. phlei, Alcaligenes faecalis, Bacillus megaterium. M. smegmatis weist die Besonderheit auf, dass es Palmitoyl-CoA oder Stearoyl-CoA in die korrespondierenden ungesättigten Δ9-Derivate überführt und NADPH benötigt. Das Desaturierungssubstrat von Bacillus megaterium ist die Acylgruppe von Phosphatidylglycerin.
ungesättigte Fettsäuren. Abb. 1. Biosynthese ungesättigter Fettsäuren durch den anaeroben Stoffwechselweg bei Bakterien.
ungesättigte Fettsäuren. Abb. 2. Das Desaturase-System des endoplasmatischen Reticulums von Rattenleber.
ungesättigte Fettsäuren. Abb. 3. Desaturierung und Kettenelongation von Linoleat und Linolenat.
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