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Kompaktlexikon der Biologie: Amphibia

Amphibia, Amphibien, Lurche, Klasse der Wirbeltiere (Vertebrata) mit drei rezenten Ordnungen: Schwanzlurche (Urodela), Blindwühlen (Gymnophiona) und Froschlurche (Anura). Die A. sind die ursprünglichsten Tetrapoda. Sie haben viele Primitivmerkmale und können aufgrund ihrer Embryonalentwicklung zusammen mit den Fischen als Anamnia den Amniota gegenüber gestellt werden.

Anatomie und Physiologie: Die Haut der A. ist warzig, rau und trocken oder häufiger glatt und feucht, niemals mit Schuppen (Ausnahme Gymnophiona), Haaren oder Federn bedeckt. Die äußere Schicht wird regelmäßig gehäutet. Charakteristisch sind zahlreiche Drüsen, z.B. Schleimdrüsen, die die Haut feucht halten und Giftdrüsen, deren Sekrete Infektionen verhindern bzw. Schutz gegen Feinde gewähren. Die Hautalkaloide z.B. der Pfeilgiftfrösche, Kröten und Salamander sind hochwirksame Neurotoxine. Die Drüsen liegen in der Haut verteilt oder an besonderen Stellen (Hautleisten, Drüsenfeldern) konzentriert. Die Cutis enthält zahlreiche Pigmentzellen. Manche A. gehören zu den farbenprächtigsten Wirbeltieren und viele Arten sind zu raschem Farbwechsel fähig. Die Haut der A. ist so dünn und gut durchblutet, dass sie für den Gasaustausch eine große Bedeutung hat. Außerdem ist sie wichtigstes Organ für den Wasserhaushalt. A. verdunsten an der Luft ständig Wasser. Sie trinken nicht, sondern ersetzen verlorenes Wasser, indem sie an nassen Stellen oder im Wasser dieses über die Haut aufnehmen. Wasser kann in Lymphsäcken unter der Haut und vor allem in der Harnblase gespeichert und durch die Harnblasenwand wieder in den Körper aufgenommen werden, ein Prozess, der durch Hormone der Neurohypophyse (Hypophyse) gesteigert wird. A. sind i.Allg. empfindlich gegenüber Meerwasser. – Der Blutkreislauf der A. ist ursprünglicher als der der höheren Wirbeltiere. Das Herz hat zwei Vorhöfe, die Kammer ist noch nicht durch eine Scheidewand geteilt, Lungen- und Körperkreislauf sind nur teilweise getrennt. – Im Skelett unterscheiden sich rezente A. von fossilen. Der Schädel fossiler A. (Stegocephalia) war kompakt, ähnlich dem der Crossopterygii, ihrer wasserlebenden Vorfahren. Bei rezenten A. ist der Schädel abgeflacht und vereinfacht, viele Knochen sind reduziert. Die Wirbel der rezenten A. entstehen auf unterschiedliche Weise. Die hülsenartigen Wirbel der Schwanzlurche und der Blindwühlen werden durch Verknöcherung des die Chorda umgebenden Bindegewebes gebildet, die der Froschlurche werden knorpelig vorgebildet. Je nach der Lage der Gelenkpfannen aufeinanderfolgender Wirbel unterscheidet man acoele, procoele, opisthocoele und amphicoeleWirbel, ihr Vorkommen hat eine große Bedeutung für das System, vor allem der Froschlurche. Die Rippen sind reduziert und am besten bei den Blindwühlen erhalten geblieben. Bei diesen fehlen jedoch Schulter- und Beckengürtel. Rezente A. haben an der Hand maximal vier Finger. – Da die Rippen und ein Diaphragma zwischen Brust- und Bauchhöhle fehlen, müssen die Lungen dadurch ventiliert werden, dass Luft vom Mundraum bei geschlossenen Nasenlöchern in die Lunge gepresst wird. Amphibienlarven und neotene Schwanzlurche atmen mit Kiemen, Lungen, mit der Mundhöhle und über die Haut, adulte A. nur über die letzten drei Organe. Bei tiefen Temperaturen kann auf die Lungenatmung verzichtet werden. – Sinnesorgane sind gut entwickelte Augen und, vor allem bei den Schwanzlurchen, die Geruchsorgane. Wasserlebende A. und ihre Larven besitzen Seitenlinienorgane, die bei einigen (z.B. Krallenfrosch) wichtiger sind als der Gesichtssinn. Froschlurche, bei denen die akustische Kommunikation wichtig ist, haben Gehörorgane mit einem äußeren Trommelfell und zwei Mittelohrknochen, der Columella und dem Operculum, das nur bei Amphibien vorkommt. Schwanzlurche besitzen kein Trommelfell.

Fortpflanzung und Entwicklung: Der Lebenslauf der A. wird durch ihre ans Wasser gebundene Fortpflanzung bestimmt. Die Geschlechter treffen sich zur Eiablage am oder im Wasser. Die von einer Gallerthülle umgebenen Eier werden primär und bei den meisten Froschlurchen äußerlich, im Wasser besamt. Ihnen entschlüpfen fischähnliche, beinlose Larven mit äußeren Kiemen. Erst spät werden in der Metamorphose die Kiemenspalten geschlossen.

Verbreitung und Ökologie: A. haben wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Meerwasser eine beschränkte Ausbreitungsfähigkeit. Nur wenige Arten u.a. die einheimischen Kreuz- und Wechselkröten tolerieren Brackwasser, da sie den osmotischen Druck ihrer Körperflüssigkeiten durch Anreicherung mit Harnstoff bzw. Natriumchlorid (NaCl) variieren und den intrazellulären osmotischen Druck konstant halten können. Gleiches gilt für A. trockener Biotope, ihr Wasserverlust ist i.Allg. so hoch wie bei Arten aus feuchten Lebensräumen, sie können aber stärkere Wasserverluste tolerieren. Die Schwanzlurche sind holarktisch und bis auf wenige Ausnahmen auf kühle Regionen beschränkt. Blindwühlen sind circumtropisch verbreitet, Froschlurche besiedeln alle Kontinente und viele Inseln. A. sind unvollständig ans Landleben angepasst und meist auf feuchte Lebensräume beschränkt. Viele leben nachtaktiv und entziehen sich so der Gefahr einer Austrocknung. Nur einige wasserlebende Arten und solche des immerfeuchten Regenwalds sind tagaktiv. Verschiedene Arten sind durch unterschiedliche Brutpflegemethoden bis zur Viviparie in der Fortpflanzung unabhängig vom Wasser geworden, andere A. sind zum permanenten Wasserleben übergegangen.

Verwandtschaft und Systematik: Über die Verwandtschaft der rezenten A. untereinander wird derzeit noch diskutiert. Als sicher gilt, dass Blindwühlen und Froschlurche jeweils monophyletische Gruppen sind, während dies bei den Schwanzlurchen nicht so sicher ist. Der Anschluss der rezenten an die fossilen A. ist unvollständig belegt. Aufgrund der Wirbelentstehung werden die Schwanzlurche und Blindwühlen von einigen Autoren an die ausgestorbenen Lepospondyli, die Froschlurche hingegen an einen Seitenzweig der ausgestorbenen Labyrinthodontia angeschlossen. Danach wären die rezenten A. polyphyletisch. Die meisten Autoren bewerten die gemeinsamen Merkmale (u.a. Zahnbau, Hand mit vier Fingern, zwei Gehörknöchelchen) stärker und stellen die rezenten Ordnungen als Lissamphibia allen fossilen gegenüber. Allerdings werden die Blindwühlen als die Schwestergruppe den übrigen A. gegenübergestellt.

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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