Kompaktlexikon der Biologie: Befruchtung
Befruchtung, Fertilisation, Fekundation, die Verschmelzung weiblicher und männlicher Geschlechtszellen (Gameten, Plasmogamie), zu Bildung der Zygote, der die Fusion der beiden haploiden Gametenkerne zum diploiden Zygotenkern folgt (Karyogamie). I.e.S. wird häufig nur der letzte Vorgang als B. bezeichnet.
1) Botanik: Bei Pflanzen können verschiedene Formen der B. vorkommen. Während bei den Samenpflanzen die männlichen Gameten über den Pollenschlauch durch den Griffel zur unbeweglichen Eizelle gelangen (Pollenschlauchbefruchtung, Siphonogamie), sind sie bei den Moosen und Farnen noch frei beweglich und müssen zu letzteren hinschwimmen (Oogamie). Bei den Angiospermen gelangt der Pollen nach der Bestäubung auf die Narbe des Fruchtknotens ( vgl. Abb. ). Der Pollenschlauch durchwächst anschließend den Griffel und dringt bis zur Samenanlage und zum Embryosack vor. Eine der beiden übertragenen Spermazellen bzw. ihr Kern verschmilzt dann mit der Eizelle bzw. dem Eikern und bildet somit den Embryo. Der zweite Kern fusioniert mit den beiden Polkernen des Embryosackes, wobei das triploide sekundäre Endosperm entsteht (doppelte Befruchtung). Im Gegensatz dazu findet bei den Gymnospermen mit Ausnahme von Gingko biloba, wo noch frei bewegliche Spermatozoide existieren, die B. in analoger Weise statt, nur dass der Pollenschlauch direkt auf der Mikropyle der Samenanlage auskeimt und lediglich eine der beiden Spermazellen die B. vollzieht, wohingegen die zweite abstirbt.
2) Die B. der Pilze findet, von einigen Niederen Pilzen abgesehen, durch Gametangiogamie, also durch das Verschmelzen der die Gameten bildenden Zellen, statt oder aber durch Somatogamie, wobei die zu Gameten umgestimmte somatischen (vegetativen) Zellen miteinander verschmelzen. Bei den Algen lassen sich schließlich mehrere Formen der B. beobachten. Entweder verschmelzen getrenntgeschlechtliche Gameten gleichen Aussehens (Isogamie) oder aber unterschiedlich große Gameten (Anisogamie). Auch Oogamie ist bei bestimmten Algen möglich.
3) Zoologie: Bei den Einzellern können die männlichen und weiblichen Gameten durch Geißeln oder Cilien beweglich und gleich groß sein. In diesem Fall spricht man von Isogamie. Der weibliche Gamet kann jedoch auch größer sein als der männliche, es liegt Anisogamie vor ( vgl. Abb. ). Der größere Gamet wird dann Makrogamet (Megagamet), der kleinere Mikrogamet genannt. Bei Einzellern nur vereinzelt, bei mehrzelligen Tieren jedoch immer, ist der weibliche Gamet unbeweglich und erheblich größer als der männliche. Er wird dann als Eizelle oder auch Ei bezeichnet, die männlichen als Samenzellen oder Spermien (Spermium). Eine besondere Situation herrscht bei den Wimpertierchen (Ciliata), bei denen die Bildung von Gameten unterbleibt und nur geschlechtlich differenzierte haploide Kerne gebildet werden, die in der Konjugation zwischen zwei Tieren (Gamonten) ausgetauscht werden und wechselseitig zu einem Synkaryon verschmelzen.
Beim Menschen und den Säugetieren findet die Befruchtung im Eileiter statt, nachdem die Spermien aus der Gebärmutter, vermutlich chemotaktisch angelockt, dorthin geschwommen sind. Während die Eizelle nach dem Eisprung nur etwa 24 Stunden befruchtungsfähig ist, sind die Spermien, die erst innerhalb von Gebärmutter und Eileiter voll befruchtungsfähig werden, dies für mehrere Tage. Das Spermium wird durch Oberflächenmoleküle an die Eizelle gebunden und durch die Zona pellucida (eine das Ei umgebende Glykoproteinschicht) zur Entleerung seines Akrosoms angeregt, wodurch sein Eindringen in die Eizelle erleichtert wird (Akrosomreaktion). Hat das Spermium die Zona pellucida durchdrungen, wölbt ihm die Eizelle durch Abheben der Befruchtungsmembran den Befruchtungshügel (Empfängnishügel) entgegen und verhindert dadurch, dass weitere Spermien eindringen können ( vgl. Abb. ). Der Zellkern der Samenzelle wird nach dem Eindringen ins Cytoplasma der Eizelle zum Vorkern (Pronucleus). Bei der Eizelle aller Säugetiere (einschließlich des Menschen) aber auch vieler anderer Tiere, wird durch die B. die Vollendung der Meiose (Oogenese) ausgelöst, wodurch ihr Kern ebenfalls zum Vorkern wird. Die beiden Vorkerne verschmelzen sodann zum zygotischen Zellkern. Im Anschluss an die Kernverschmelzung beginnt die Zygote mit den ersten Teilungen (Furchung, Embryonalentwicklung), noch während sie durch den Eileiter wandert ( vgl. Abb. ). Befruchtung und anschließende Aktivierung der Eizelle sind bei Säugetieren und auch beim Seeigel mit einem plötzlichen, sich wellenförmig über die Eizelle ausbreitenden Anstieg freier Ca2+-Ionen in der Eizelle verbunden. Dieser wird durch das Eindringen des Spermiums ausgelöst und ist entscheidend für die Aktivierung des Eies und damit den Start der Entwicklung. Die Oszillationen der Ca2+-Konzentration können bei manchen Säugetieren bis zu einigen Stunden nach der B. andauern.
Befruchtung: Befruchtungsformen (von links): Bei der Isogamie sind beide miteinander verschmelzenden Gameten beweglich und an Gestalt und Größe gleich; eine männliche und weibliche Zelle können morphologisch nicht unterschieden werden. Bei der Anisogamie sind beide Gameten beweglich, aber von ungleicher Größer. Meist gilst der erheblich größere von beiden Gameten als weiblich. Bei der Oogamie wird eine große, weibliche Eizelle von einem kleineren, beweglichen, männlichen Gameten befruchtet (typisch für alle höheren Pflanzen und Tiere)
Befruchtung: Befruchtung bei vielzelligen Tieren: a die Besamung, also das Eindringen der Samenzelle S in dieEizelle E (BH Befruchtungshügel); b Vordringen des männlichen Kerns mK zum weiblichen Kern wK, Ausbildung der Befruchtungsmembran B zur Abwehr weiterer Samenzellen; c die eigentliche Befruchtung, also die Verschmelzung der beiden Kerne; d Beginn der ersten Kern- und Zellteilung
Befruchtung: Befruchtung des Seeigeleies. Der helle Pfeil markiert das eingedrungene Spermium. Durch das Abheben der Befruchtungsmembran wird die Annäherung weiterer Spermien verhindert
Befruchtung: Befruchtung und Entwicklung des Keims beim Menschen: 1 Eisprung, 2 Besamung (Befruchtung), 3 Begegnung der Zellkerne, 4 verschmolzene Zellkerne, 5 Zweizellenstadium, 6 Vierzellenstadium, 7 Bildung der ersten Gewebeschichten, 8 Einnisten des Keims in die Gebärmutter
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