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Kompaktlexikon der Biologie: chemische Sinne

chemische Sinne, bei allen Tieren vom Einzeller bis zu den Wirbeltieren vorhandene Sinneseinrichtungen, die Tiere in die Lage versetzen, chemische Stoffe aus dem umgebenden Milieu mit Hilfe von Chemorezeptoren (Chemosensoren) wahrzunehmen. Sie sind das phylogenetisch älteste Sinnessystem. C.S. lassen sich in Geschmackssinn und Geruchssinn unterteilen. Diese Differenzierung entstammt der menschlichen Erfahrung, gilt aber aufgrund anatomischer und physiologischer Kriterien prinzipiell für Wirbeltiere (Vertebrata), Insekten (Insecta) und einige andere Arthropoda. Auch für einfachste Organismen sind chemische Signale als Informationsquelle über ihre Umwelt relevant. Bakterien können sich z.B. aufgrund ihres c.S. zu Nahrungsquellen hinbewegen bzw. toxische Substanzen meiden. Pantoffeltierchen (Paramecium) reagieren auf Säure mit einer Fluchtreaktion. Süßwasserplanarien bemerken ausgelegte Futterstücke aus einer Entfernung von ca. 8 cm. Die hierfür verantwortlichen Chemorezeptoren befinden sich an den Seitenrändern des Kopfes. Werden diese entfernt, können die Tiere keine Nahrung mehr finden. Viele Muscheln (Bivalvia) besitzen chemische Sinneszellen (Osphradien) in der Mantelhöhle in der Nähe der Kiemen, die als Distanz-Chemorezeptoren fungieren, d.h. auf Stoffe reagieren, die mit dem Atemwasser herbeigeführt werden. Einige schwimmfähige Arten der Kamm-Muscheln, so z.B. die Pilgermuschel (Pecten jacobaeus), reagieren mit Fluchtbewegungen, wenn man ihrem Atemwasser den Extrakt von Seesternen, ihren natürlichen Feinden, beifügt. Krebstiere (Crustacea) besitzen Chemorezeptoren an den Außengliedern der ersten Antennen, den Mundwerkzeugen und den Thorakalbeinen. Mit diesen Rezeptoren können unterschiedliche Salzkonzentrationen und pH-Werte des Wassers registriert werden. Bei Spinnentieren (Chelicerata) liegen die Chemorezeptoren an den Mundgliedmaßen und in der Mundhöhle; sie dienen im Wesentlichen der Nahrungsprüfung. Bienen (Apoidea) besitzen Kohlenstoffdioxid-Rezeptoren auf ihren Fühlern. Bei Anstieg des CO2-Gehalts der Luft im Bienenstock wird die Frischluftzufuhr durch Fächeln mit den Flügeln erhöht.

Eine spezielle Form von Chemorezeptoren sind die Sauerstoff-Rezeptoren des Kreislaufsystems (Blutkreislauf) der Säugetiere. Diese befinden sich im Glomus caroticum, einem Paraganglion, das an der Teilungsstelle der Arteria carotis communis in die Arteriae carotis externa und interna liegt. Es wird von einem Ast des Nervus glossopharyngeus innerviert. Außerdem befinden sich Chemorezeptoren in den Paraganglien des Aortenbogens und der rechten Arteria subclavia (zusammen als Glomera aortica bezeichnet). Diese Rezeptoren reagieren auf eine Änderung des Sauerstoffgehalts (O2), des Gehalts an Kohlenstoffdioxid (CO2) sowie des pH-Werts im arteriellen Blut. Ihre Aktivität wird direkt den Atmung und Kreislauf regulierenden Zentren des Zentralnervensystems zugeleitet und löst dort reflexartig ablaufende Kompensationsreaktionen aus. Zentrale Chemorezeptoren befinden sich in der Medulla oblongata; sie registrieren Veränderungen des Liquors und beeinflussen reflektorisch die Atmung. (Atemzentrum)

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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