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Kompaktlexikon der Biologie: Flagellen

Flagellen, Einzahl Flagellum, Geißeln,

1) Bakteriengeißel Bez. für die Fortbewegungsorganellen der meisten frei schwimmenden Bakterien. F. sind extrazelluläre Anhängsel, die in der Plasmamembran und Zellwand verankert und somit nicht wie eukaryotische F. ( vgl. Abb. ) von der Plasmamembran umgeben sind. Bakterienflagellen sind in drei morphologische und funktionelle Abschnitte gegliedert, die als Geißelfilament, Geißelhaken und basaler Verankerungskomplex bezeichnet werden. Das Geißelfilament, mit ca. 20 μm Länge um ein Vielfaches länger als die Bakterienzelle selbst, besteht aus einem einzigen Protein (Flagellin), dessen globuläre Monomere zu einer röhrenförmigen Quartärstruktur von nur ca. 20 nm Durchmesser zusammengelagert sind. Ein Komplex aus bei gramnegativen vier und bei grampositiven Bakterien zwei Ringen globulärer Proteine sorgt für die Verankerung des extrazellulären F. in der Bakterienzellwand und -membran. Der äußere Komplex aus ein oder zwei Ringen ist frei drehbar in eine entsprechende Öffnung der mehrschichtigen Zellwand eingefügt. Der mittlere Ring (Stator- oder S-Ring) besteht aus einem Kranz integraler Proteine der Bakterienmembran und bildet in dieser einen Kanal für den Durchtritt der Flagellenachse, während der endständige Ring (Rotor- oder R-Ring) das Ende der Flagellenachse bildet. Dieser basale Verankerungskomplex ist zugleich der Motor für die rotierende Bewegung der F., die an eine drehende Schiffsschraube erinnert. Die Rotation kommt durch einen einwärts gerichteten Protonenfluss zustande, wobei der erforderliche Protonengradient durch Protonenpumpen erzeugt wird. Bakterien wie Escherichia coli und Salmonella typhimurium besitzen linksgängige F., wohingegen bei Rhizobium meliloti die F. rechtsgängig sind. Bei Salmonella typhimurium rotieren die F. bis 20000-mal pro Minute entgegen dem Uhrzeigersinn und können Geschwindigkeiten bis zu 30μm pro Sekunde erreichen (Schubgeißel)., bei Escherichia coli machen die F. 3600 Umdrehungen pro Minute. Rotieren die Geißeln hingegen im Uhrzeigersinn, kommt es zu einer Art Taumelbewegung auf der Stelle. Auf diese Weise ist ein Richtungswechsel möglich (Chemotaxis). ( vgl. Abb. )

2) Bez. für die Organellen, die für die Fortbewegung von eukaryotischen Zellen (Protozoen, Algen) und Spermien verantwortlich. Sie sind im Unterschied zu Cilien i.d.R. deutlich länger als die Zellen und kommen in geringerer Anzahl vor. Die F. eukaryotischer Zellen sind von der Plasmamembran umgeben und weisen im Querschnitt ein typisches 9+2-Muster von neun peripheren Doppeltubuli und zwei zentralen Einzeltubuli auf (Axonem). Die Bewegung von F. wird durch aneinander vorbeigleitende Mikrotubuli und der damit verbundenen Biegung im Innern hervorgerufen. An diesem Prozess sind eine Reihe Hilfsproteine (z.B. Dyneine) beteiligt, die für die Quervernetzung der Mikrotubuli und für die Krafterzeugung der Biegung sorgen (Geißelschlag).



Flagellen: Anordnung von Bakteriengeißeln



Flagellen: Modell des Flagellenmotors eines gramnegativen Bakteriums

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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