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Kompaktlexikon der Biologie: Formicidae

Formicidae, Ameisen, Emsen, Fam. der zu den Hautflüglern (Hymenoptera) gehörenden Apocrita (Stechimmen) mit weltweit etwa 9600 (bekannten) Arten, von denen in Mitteleuropa 161 vorkommen. Alle Arten sind Staaten bildende Insekten (Tierstaaten), die in z.T. riesigen Verbänden mit bis über 20 Mio. Individuen leben. Zusammen mit den Termiten (Isoptera) stellen sie weltweit über 25 % der tierischen Biomasse. Sie sind, je nach Art und Kaste, zwischen 0,2 und 6 cm groß.

Ihr Körper setzt sich aus dem Kopf, dem Mesosoma (Thorax plus erstes Hinterleibssegment) und dem Gaster (restlicher Hinterleib) zusammen. Zwischen Gaster und Mesosoma gibt es ein oder zwei als Gelenke fungierende Einschnürungen, dann folgt der aufgetriebene Teil des Hinterleibs, der Kropf, Magen und Gonaden enthält. Die Fühler haben einen langen Schaft mit abgewinkelter Geißel, deren Spitzen dadurch sehr gut zur Mundöffnung geführt werden können. Sie sind dicht mit Duft-Sinnesorganen besetzt, die im Dienst der Orientierung und der Kommunikation stehen. Die Facettenaugen sind meist klein, jedoch können manche A.-Arten die Schwingungsrichtung linear polarisierten Lichts wahrnehmen und dadurch auf den Sonnenstand schließen, auch wenn diese nicht sichtbar ist. Die Mandibeln, die der Nahrungsaufnahme und als Waffe dienen, sind sehr vielgestaltig. Ein Stechapparat ist nur bei den Knotenameisen und den Stechameisen vorhanden, wobei dieser als Gift niemals Ameisensäure enthält. Hingegen besitzen die Schuppenameisen, zu denen u.a. die Rote Waldameise (Formica polyctena) gehört, eine große Giftdrüse, aus der 60%ige Ameisensäure gespritzt werden kann. Alle F. besitzen eine Metathorakaldrüse, die vor allem fungizide und bakterizide Sekrete produziert. Bei den Pilzgärten anlegenden Blattschneiderameisen (Attini) enthält sie verschiedene, das Wachstum unerwünschter Pilze hemmende Säuren sowie das Wachstum des gewünschten Pilzes fördernde Substanzen.

Als soziale Insekten treten Ameisen in Form verschiedener Kasten auf: als Geschlechtstiere (fortpflanzungsfähige Königinnen und Männchen) und als Arbeiterinnen. Die Geschlechtstiere sind meist zunächst geflügelt, die Königinnen werfen jedoch nach der Begattung an einer Vorbruchstelle die Flügel ab. Arbeiterinnen haben nur schwach entwickelte Gonaden und sind immer flügellos. Lediglich bei Verlust der Königin können sie zur Eiablage kommen. Sie sind entweder alle gleich oder es gibt zwei bis drei Subkasten mit speziellen Aufgaben. Eine Extremform der Spezialisierung sind die Honigtöpfe, Arbeiterinnen der nordamerikan. Gatt. Myrmecocystus, die als Nahrungsspeicher dienen, indem ihr mit Honig angefüllter Kropf den gesamten Gaster ausfüllt.

Die Fortpflanzung erfolgt durch die geflügelten Geschlechtstiere, die sich oft in Schwärmen sammeln. Die Geschlechter finden sich durch Sexuallockstoffe, die von beiden Geschlechtern abgegeben werden. Die Begattung erfolgt entweder während des Flugs oder am Boden. Das Männchen stirbt nach der Begattung, die Königin beginnt nach Abwerfen der Flügel mit der Nestgründung. ( vgl. Abb. )

Die Ernährung der F. ist sehr vielfältig. Die Imagines ernähren sich vor allem von süßen Säften (Pflanzensäfte, Nektar, Ausscheidungen von Blattläusen, Zikaden, Bläulingsraupen u.a.). Zur Ernährung der Brut sind sie entweder räuberisch und erbeuten Insekten u.a. Kleintiere (z.T. auch in Gruppenjagd, wie die tropischen Treiberameisen) oder sie sammeln Pflanzensamen, legen Pilzgärten an oder betätigen sich als Diebsameisen, indem sie andere, kleinere Ameisen überfallen und ihnen ihre Beute wegnehmen oder Brut aus anderen Ameisennestern stehlen.

Ameisen besiedeln fast alle Biotope der Erde. Sie sind für den Menschen von erheblicher Bedeutung. Dies zum einen als Vertilger von Schadinsekten (z.B. Rote Waldameise), zur Gewinnung von Heilmitteln (aus den Giftdrüsen) oder auch zur Ernährung (die Honigtöpfe mancher Arten werden gegessen). Zum anderen durch ihre Wirkung als Schädlinge. So können Blattschneiderameisen in wenigen Stunden eine gesamte Plantage entlauben, Ernteameisen große Schäden an Getreide anrichten und ein Strom von Hunderttausenden von Treiberameisen alles Lebendige, was nicht rechtzeitig fliehen kann, auffressen.

Literatur: Gößwald, K.: Die Waldameise, 2 Bde., Wiesbaden 1982 und 1990. – Hölldobler, B., Wilson, E.O.: Ameisen, Basel 1995.



Formicidae:a-cKasten der Ameisen: a Männchen, b Arbeiterin, c Weibchen (wird nach Abwerfen der Flügel zur Königin). d-gEntwicklung der Ameisen: d Eier, e Larve, f nackte, g versponnene Puppe (Kokon)

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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