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Kompaktlexikon der Biologie: Hoden

Hoden, Testis, Didymis, Orchis, die meist paarigen und oft in einzelne Follikel aufgeteilten männlichen Keimdrüsen (Gonaden). Die H. der Wirbellosen sind oft bipolar gebaut: von der Keimzone bis zur Zone der fertigen Spermien. Bei vielen Arthropoden sind jeweils mehrere Spermatiden (Spermatogenese) sowie die meisten Vorstufen von Cystenzellen umhüllt und zu Bündeln zusammengeschlossen. Bei Wirbeltieren sind die Verhältnisse anders: Die gesamte Spermatogenese findet in den Samenkanälchen von der Peripherie zum Lumen hin statt. ( vgl. Abb. )

Der H. des Menschen ist in rund 250 Hodenläppchen (Lobuli testi) unterteilt, wobei in jedem Läppchen ein bis vier stark aufgewundene Samenkanälchen liegen; ausgestreckt haben die Samenkanälchen für beide Hoden eine Länge von 0,5 km. Die so erreichte Oberflächenvergrößerung ermöglicht erst die hohe Produktion von täglich rund 100 Mio. Spermien. Das Epithel der Samenkanälchen besteht aus Sertoli-Zellen, die nach der Geburt keine Mitosen mehr durchmachen. In ihnen befinden sich die Spermatogenese-Stadien, wobei die letzten Stadien zum Lumen hin liegen. Zwischen den Samenkanälchen liegen die gut mit Blutgefäßen versorgten Leydig-Zwischenzellen (interstitielle Zellen); sie produzieren Testosteron und in geringer Menge auch weibliche Geschlechtshormone und sind somit für die körperliche und die psychosexuelle Entwicklung, für die Spermienbildung, aber auch für die Libido und die Funktion der Geschlechtsorgane unabdingbar. Die Hormonproduktion wird über das von der Adenohypophyse ausgeschüttete luteinisierende Hormon (auch: Interstitialzellen stimulierendes Hormon, ICSH, genannt) stimuliert. Die fast fertigen Spermien werden in das Lumen der Samenkanälchen abgegeben und über die Ductuli efferens weiter zu den Nebenhoden (Epididymis), die jeweils aus einem stark aufgewundenen Kanal bestehen, transportiert. Dort machen sie einen ein- bis zweiwöchigen Reifeprozess durch, in dessen Verlauf sie auch ihre Beweglichkeit erlangen. Der untere Teil des Nebenhodens dient auch als Samenspeicher.

Bei den Kloakentieren (Monotremata), einigen primitiven Insektenfressern und wenigen anderen Säugetieren, liegen die H. dorsal in der Leibeshöhle. Bei den meisten Säugetieren kommt es zumindest während der Brunst zum Hodenabstieg (Descensus testiculorum); ( vgl. Abb. ) dieser findet beim Menschen im dritten bis neunten Monat der Fetalentwicklung statt. Dabei werden das Bauchfell (Peritoneum) und Teile der Bauchmuskulatur (Musculus cremaster) vorgewölbt. Die Haut um die beiden Cremastersäcke bildet einen median verwachsenen Hodensack (Scrotum), der bei Placentalia den großen Schamlippen der Frau (bzw. der Weibchen) homolog ist. Unterbleibt der Hodenabstieg (Hodenhochstand, Kryptorchismus), kommt es zu schweren Störungen bei der Bildung der Spermien, vermutlich aufgrund der höheren Temperatur in der Bauchhöhle. Wasserlebende Säugetiere, deren Hoden im hinteren Teil der Bauchhöhle liegen, erreichen die notwendige Abkühlung durch ein Gegenstrom-Austauschersystem zwischen von der Rückenfinne und der Schwanzfluke kommenden Venen und dem die H. versorgenden Arteriengeflecht.

Als Blut-Hoden-Schranke wird eine Permeabilitäts-Barriere, vergleichbar der Blut-Hirn-Schranke, bezeichnet, welche die meisten Stoffe daran hindert, zwischen den Sertoli-Zellen durchzudringen. Die Bedeutung dieser Schranke liegt vermutlich in der Vermeidung von Autoimmunreaktionen gegen Antigene auf der Oberfläche von Spermatiden und Spermien.



Hoden:1a-c: Bau des menschlichen Hodens (stark schematisiert). a Übersicht (Sagittalschnitt), b Querschnitt durch Samenkanälchen, c Ausschnitt aus b: Sertoli-Zelle mit Spermatogenese-Stadien. 2 Hoden bei Fadenwürmern (Nematoda; Längsschnitt). Die Keimzellen sind punktiert mit schwarzen Kernen, die somatischen Zellen des Hodenepithels sind weiß. BHS Blut-Hoden-Schranke, Bk Bindegewebskapsel, Bs Bindegewebssepten, De Duculi efferentes, Hl Hodenläppchen, K Blutkapillare, Ko Kollagen, Le Leydig-Zellen, Lg Lymphgefäß, Lu Lumen des Samenkanälchens, MZ Myoide Zellen, NK „Kopf“ des Nebenhodens, NS „Schwanz“ des Nebenhodens, Re Rete testis, Rh Rhachis, S Sertoli-Zelle, SB Basallamina der Sertolizellen, SK, Kern einer Sertoli-Zelle, Sc Spermatocyten, Sg Spermatogonien, St Spermatiden, Sz Spermatozoen (= Spermien), Tp Tunica propria, Tz Terminal-Zelle, Vd Vas deferens (Samenleiter)



Hoden: Hodenabstieg (Descensus testiculorum) bei Säugetieren; a ursprünglicher (embryonaler) Zustand; b räumliche Beziehungen nach erfolgtem Hodenabstieg

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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