Kompaktlexikon der Biologie: Homologie
Homologie, einander entsprechende Strukturen, die bei verschiedenen Organismen oder innerhalb eines Organismus auftreten. Zentral für die Feststellung einer H. ist die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit eines Merkmals in der räumlichen und gegebenenfalls zeitlichen Struktur. H. wird auf alle vergleichbaren Merkmale angewendet und zumeist phylogenetisch definiert: Homologe Merkmale zweier oder mehrerer Arten gehen auf einen ihnen gemeinsamen Ahnen mit dem betreffenden Merkmal zurück. Homologien sind somit grundlegend für die Rekonstruktion von Abstammungsbeziehungen (Apomorphie). Zur Objektivierung der H.-Forschung wurden von A. Remane so genannte Homologiekriterien aufgestellt, welche die Ergebnisse einer umfassenden Merkmalsanalyse offenlegen und damit prüfbar machen sollen: 1) Das Kriterium der spezifischen Qualität besagt, dass Übereinstimmung in der Komplexität des Baues und damit verbundener Reichtum an Information ein sicherer Hinweis auf H. ist. 2) Das Kriterium der Lage sagt, dass einander unähnliche Strukturen dann als homolog erkannt werden können, wenn sie in ihrem Lagebezug zu anderen, ihrerseits homologen Strukturen übereinstimmen. 3) Nach dem Kriterium der Kontinuität oder Stetigkeit können selbst unähnliche und verschieden gelagerte Strukturen als homolog angesehen werden, wenn zwischen ihnen Zwischenformen nachweisbar sind, sodass bei Betrachtung zweier benachbarter Formen die unter 1) und 2) angegebenen Bedingungen erfüllt sind. Die Zwischenformen können der Ontogenie der Strukturen entnommen sein oder echte systematische Zwischenformen sein.
Um der großen Zahl vergleichbarer Phänomene gerecht zu werden, wurde eine H.-Definition eingeführt, in welcher der Begriff der Information im Mittelpunkt steht: Homolog sind Strukturen, deren nicht zufällige Übereinstimmung auf gemeinsamer Information beruht. Wenn die gemeinsame Information, auf der eine strukturelle Ähnlichkeit beruht, genetisch festgelegt ist und durch Vererbung weitergegeben wird, liegt eine Erb-H. vor. Diese sind die „klassischen“ H., die als Indizien für stammesgeschichtliche Verwandtschaft verwertbar sind. Beruht die strukturelle Ähnlichkeit aber darauf, dass „frei verfügbare Informationen“ aus der Umwelt z.B. durch Lernen oder Prägung aufgenommen und in ein entsprechendes Verhaltensrepertoire umgesetzt werden (z.B. Nachahmung von Gesängen bei Vögeln), dann liegt eine Traditions-H. vor. Diese sind für phylogenetische Aussagen unbrauchbar, es sei denn, es gelingt der Nachweis, dass ein tradiertes Merkmal nur in der Abstammungslinie weitergegeben wird. Eine ähnliche Einschränkung gilt, wenn ein Merkmal auf Transduktion beruht, also der Genübertragung mit Hilfe von Viren als Vehikel. ( vgl. Abb. )
Homologie: Die Mundgliedmaßen der Insekten sind durch Funktionswechsel aus Extremitäten hervorgegangen. Mundwerkzeuge und Extremitäten entstehen daher beim Insektenembryo in gleicher segmentaler Anordnung zunächst als einfache Höcker. Erst in einem späteren Stadium lässt sich die unterschiedliche Ausbildung erkennen: beißende Mundwerkzeuge bei der Heuschrecke, stechend-saugende bei der Stechmücke und saugende bei der Honigbiene
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