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Kompaktlexikon der Biologie: Placenta

Placenta, Plazenta,

1) Zoologie: Mutterkuchen, Verbindungsorgan zwischen Embryo (bzw. Fetus) und dem mütterlichen Organismus bei höheren Säugetieren (selten bei Nicht-Säugern), in dem der Stoff- und Gasaustausch zwischen mütterlichem Blut und dem Blut des sich entwickelnden Embryos stattfindet. Außerdem bildet die P. Hormone. Sie erlaubt eine verlängerte intrauterine Entwicklung des Embryos (Embryonalentwicklung).

Beuteltiere (Marsupialia) bilden i.d.R. eine P. aus Dottersack und Chorion (Dottersack-Placenta), Eutheria dagegen aus Allantois (Embryonalhüllen) und Chorion (Allantois-Placenta). Neben den Säugetieren haben auch andere Gruppen viviparer Tiere verschiedene Placentaformen entwickelt, z.B. lebend gebärende Haie, einige Reptilien und unter den Wirbellosen die Stummelfüßer (Onychophora) und die Skorpione (Scorpiones; Viviparie).

Beim Menschen besteht die P. aus einem mütterlichen Anteil (Teile der Gebärmutterschleimhaut, Gebärmutter) und einem embryonalen Anteil (Zotten der Chorioallantois). Die Ausbildung der P. beginnt mit der Einnistung (Nidation) des Keims im Stadium der Blastocyste. Er löst die obersten Schichten der vorbereiteten Gebärmutterschleimhaut auf und sinkt am zehnten Tag der Entwicklung in sie ein bzw. wird von ihr umwachsen. In diesem Stadium ernährt sich der Keim von der Embryotrophe, einer z.B. aus zerfallendem mütterlichem Gewebsmaterial bestehenden Nährsubstanz. Zu Beginn der dritten Woche bildet der Trophoblast, die äußerste Schicht des Embryos, die ersten Zotten, fingerförmige Ausstülpungen, die durch weiteren Abbau der mütterlichen Schleimhaut tiefer eindringen und mit der Zottenhaut (Chorion) die Chorionplatte als fetalen Anteil der P. bilden. Die Histolyse der Gebärmutterschleimhaut schreitet bis zu den Spiralarterien fort, deren Wände ebenfalls aufgelöst werden, sodass mütterliches arterielles Blut in Lakunen austritt und von den ebenfalls offenen Gebärmuttervenen wieder aufgenommen wird. Zu Beginn des zweiten Monats entstehen in den Zotten bluthaltige Hohlräume, die Anschluss an das extraembryonale Blutgefäßsystem erhalten. Die Zotten verankern sich als Haftzotten in der Basalplatte (basaler Hauptteil der mütterlichen P.), ihre Verzweigungen flottieren in den zwischen Chorion und Basalplatte frei bleibenden Räumen, die mit mütterlichem Blut gefüllt sind. Mütterlicher und fetaler Blutkreislauf bleiben getrennt. Die mütterliche P. (Decidua basalis) hat die Form einer flachen Schale, auf der die vom Embryo gebildete Chorionplatte wie ein Deckel aufliegt. Gegen Ende der Schwangerschaft ist die P. scheibenförmig. Bei der Geburt löst sie sich von der Uteruswand und wird etwa 30 Minuten später als Nachgeburt ausgestoßen.

Funktionen der P. Eine wichtige Funktion ist die Bildung einer Schranke (Placentaschranke), die den Austausch von Gasen, Nahrungs- und Stoffwechselprodukten zwischen mütterlichem und fetalem Blut erlaubt, gleichzeitig aber beide Kreisläufe voneinander trennt. Durch diese Placentaschranke können jedoch Krankheitserreger (z.B. Rötelnvirus), manche Antikörper, Medikamente und Drogen in den Embryo gelangen und gegebenenfalls zu Missbildungen (Embryopathie) führen. Die zweite Funktion ist die Bildung von Hormonen. Beim Menschen bildet die P. Progesteron, Estrogene und gonadotrope Hormone.

Formen der P. Echte Säugetiere (Placentalia, Eutheria) bilden unterschiedliche Placentaformen. Bei der diffusen P. (P. diffusa) sind die Zotten über die gesamte Oberfläche des Chorions verteilt (z.B. Wale, Unpaarhufer, viele Paarhufer). Bei der Büschel-P. (P. cotyledonaria) werden die Zotten auf mehrere bis viele Stellen der P. (Kotyledonen) beschränkt (z.B. Wiederkäuer). Bei diesen beiden Placentaformen besteht nur ein lockerer Zusammenhang zwischen mütterlichem und fetalem Placentaanteil; sie lösen sich bei der Geburt ohne Verletzung der Gebärmutter (adeciduate Säugetiere). Bei den deciduaten Säugetieren verwachsen beide Anteile der P. eng, das Zottenchorion löst sich bei der Geburt nicht aus dem uterinen Anteil der Placenta (Decidua), sondern wird mit dieser unter Blutungen als Nachgeburt abgestoßen. Bei der Gürtel- oder Zonen-P. (P. zonaria) sind die Zotten in einem Ring angeordnet (z.B. Raubtiere), bei der Disko- oder Scheiben-P. (P. discoidalis) auf eine Scheibe (Mensch) oder zwei große Scheiben (manche Neuweltaffen) begrenzt.

2) bei Pflanzen das Bildungsgewebe der Fruchtblätter, das die Samenanlagen erzeugt.

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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