Kompaktlexikon der Biologie: Stickstoffmonooxid
Stickstoffmonooxid, Stickstoffmonoxid, chemische Formel NO, ein natürlich vorkommendes Gas, das auf enzymatischem Weg im gesamten Organismenreich gebildet wird. S. besitzt ein ungepaartes Elektron und ist deshalb hochreaktiv. Es gibt nach jetzigem Kenntnisstand kaum einen physiologischen oder pathophysiologischen Prozess, der nicht wenigstens indirekt durch NO beeinflusst wird.
Direkt metabolisch wirksam ist NO außer durch Aktivierung der Guanylyl-Cyclase durch Hemmung verschiedener Enzyme, so u.a. Glyceraldehyd-3-phosphatdehydrogenase, cis-Aconitase, Ribonucleotid-Reductase und Elektronentransportproteine der Atmungskette. Einmal gebildet, diffundiert NO frei durch das Gewebe, durch Zellmembranen offenbar nicht behindert. Sein Aktionsradius wird allerdings durch baldige Reaktion mit Fänger-Molekülen (unter anderem Hämgruppen, so vor allem durch das Hämoglobin des Blutes, aber auch SH-Gruppen und Superoxid) begrenzt und für das ZNS-Gewebe als auf wenige Zelldurchmesser begrenzt angesehen. Über Intermediärprodukte wird NO schließlich zu Nitrit und Nitrat oxidiert. Ein vor allem pathophysiologisch wichtiges NO-Derivat ist das Peroxynitrit (ONOO-), das sich in Form einer Adduktionsreaktion spontan aus NO und dem Superoxidradikal (O22–) bildet. Peroxynitrit hat gegenüber NO ein weit höheres oxidatives und zugleich auch toxisches Potenzial.
Im Nervengewebe sind drei NO-Quellen von besonderer Bedeutung: Nervenzellen (Neuron), Endothelzellen und Mikrogliazellen. Die Fähigkeit, NO zu synthetisieren, ist für Neuronen der Wirbeltiere je nach Ausstattung mit der neuronalen Isoform der Stickoxid-Synthase sehr unterschiedlich ausgeprägt. Von Neuronen des peripheren Nervensystems wird NO in einer transmitterähnlichen Funktion freigesetzt, so von Nervenendigungen der so genannten NANC-Neurone in den Wänden von Gefäßen und Bronchien (NO bewirkt Gefäßerweiterung durch Erschlaffung der glatten Muskulatur) oder in peripheren Organen zur Steuerung der Sekretproduktion. Das Darmnervensystem verfügt über auffallend viele NO-bildende Neurone, die die Darmmotilität und die Sekretion steuern. Im Zentralnervensystem gibt es Regionen mit hoher Dichte an NO-positiven Neurone, so in der Kleinhirnrinde und in einigen Kerngebieten des Hirnstamms (Gehirn). NO übernimmt hier vermutlich ebenfalls eine Transmitter-Funktion. Im übrigen sind die NO-bildenden Neuronen über alle Hirnregionen hin verteilt (etwa 1 – 2 % der Neurone). Ihre Fortsätze bilden jedoch ein extrem dichtes Fasernetz, welches das gesamte Gehirn und Rückenmark durchzieht und vermutlich für die aktivitätsabhängige Steuerung der regionalen Durchblutung zuständig ist. Inwieweit NO als „retrograder Transmitter“ an Langzeitpotenzierung (Gedächtnis) und Langzeitdepression beteiligt ist, bedarf der weiteren Klärung. Ein neuromodulatorischer Effekt durch Beeinflussung der Transmitterfreisetzung von Glutamat (Glutaminsäure), GABA (γ-Aminobuttersäure) und Dopamin hingegen ist sehr wahrscheinlich. Auch wird dem NO eine Rolle bei der Bildung von Synapsen und der Angiogenese (Gefäßneubildung) zugeschrieben.
Gegenstand intensiver Forschung ist die Rolle von NO und seinen Folgeprodukten, vor allem des Peroxynitrits, bei neuropathologischen Prozessen, so bei neurodegenerativen Vorgängen (akut durch Ischämie, Hypoxie und Hypoglykämie, z.B. als Folge eines Schlaganfalls, wie auch chronisch bei primär neurodegenerativen Erkrankungen, so u.a. der Alzheimer-Krankheit und Parkinson-Krankheit, Chorea-Huntington, amyotropher Lateralsklerose), ferner bei Entzündungsreaktionen, chronischem Schmerz, Migräne und der Entstehung von Tumoren.
Wichtigste Gegenspieler von NO und Peroxynitrit sind antioxidative/antinitrosative Schutzsysteme enzymatischer (z.B. Superoxid-Dismutase) und nicht-enzymatischer Art (Glutathion u.a. Sulfhydrylverbindungen, Ascorbinsäure und Vitamin E, ungesättigte Fettsäuren).
Für eine Reihe wirbelloser Tiere, vor allem die Arthropoda, (Pfeilschwanzkrebs, Drosophila, Locusta, Raubwanzen) ist ebenfalls eine neuronale NO-Produktion erwiesen. Neben cGMP-abhängigen werden auch cGMP-unabhängige Mechanismen bei der NO-vermittelten Neurotransmission diskutiert.
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