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Kompaktlexikon der Biologie: Tardigrada

Tardigrada, Bärtierchen, rund 600 Arten kleiner (meist bis 1 mm langer) wasserlebender Metazoa, die wasserhaltige Lückensysteme, Algen, verrottendes Laub, Pflanzenteile, untergetauchte Moospolster, andere Wirbellose (manche als Parasiten) usw. bewohnen. Die Individuenzahlen können, je nach klimatischen Bedingungen, außerordentlich hoch sein. Man unterscheidet zwei große Subtaxa, Heterotardigrada und Eutardigrada. Der walzenförmige Körper, der aus Kopf und vier Rumpfsegmenten besteht, ist von einer oft artspezifisch skulpturierten und mit faden- oder flügelförmigen Anhängen versehenen Cuticula bedeckt, die für Wasser durchlässig ist ( vgl. Abb. ). Die T. sind etwas durchsichtig und, je nach Darminhalt und Pigmentierung, farblos, gelb, bräunlich oder grün. Die meisten Arten besitzen acht paarige, äußerlich ungegliederte Laufbeine mit Krallen. Im Mundraum befindet sich ein durch Drüsen abgeschiedenes, kalkhaltiges Stilett, das dem Anstechen der pflanzlichen oder tierischen Nahrung dient, die dann ausgesaugt wird. Der muskulöse Pharynx fungiert als Saugpumpe. Am Übergang vom Mitteldarm zum Enddarm münden bei Eutardigrada „Drüsen“ mit Zellen, die zahlreiche Mitochondrien und eine vergrößerte Oberfläche besitzen, und vermutlich der Exkretion und der Osmoregulation dienen. Das Nervensystem besteht aus je einem Oberschlundganglion und einem Unterschlundganglion sowie einer Bauchganglienkette mit vier Ganglienpaaren. Heterotardigrada besitzen innervierte Kopfanhänge (Cirren, Papillen, keulenförmige Strukturen), Eutardigrada haben mindestens vier Sinnesfelder am Kopf, die eventuell Chemo- oder Mechanorezeptoren tragen. Im Oberschlundganglion liegt beidseits meist ein einfacher Pigmentbecherocellus mit einer Sehzelle. T. haben keinen Blutkreislauf und keine Atmungsorgane.

T. sind getrenntgeschlechtlich. Die Eier werden während einer Häutung entweder in die abgestreifte Cuticula oder frei abgelegt. Die Befruchtung erfolgt meist bereits im Ovar, bei Süßwasserbewohnern und landlebenden Arten ist Parthenogenese verbreitet. „Landlebende“ T., deren Lebensstätten austrocknen können, sind zur Kryptobiose befähigt. Hierbei kontrahieren die Tiere und bilden ein Tönnchen mit einer extrem verkleinerten Oberfläche. In diesem Zustand ist vermutlich kein Stoffwechsel mehr möglich; er ermöglicht die Überdauerung selbst mehrerer Jahre dauernder Trockenperioden. Süßwasser bewohnende T. haben die Fähigkeit zur Cystenbildung, indem sie nach einer Häutung die alte Cuticula nicht verlassen. Die Entwicklung ist direkt.

Die verwandtschaftlichen Beziehungen zu anderen Taxa sind umstritten. Aufgrund von Segmentierung, Strickleiternervensystem und paarigen Extremitäten sind sie eindeutig Articulata. Daneben gibt es Merkmale, die eine engere Verwandtschaft mit den Arthropoda nahe legen und einige, die an Nematoda und Loricifera erinnern. Zur Bestimmung der T. werden vor allem Merkmale des Mundapparates, die Skulpturierung der Cuticula und die Krallen herangezogen.



Tardigrada:1 Die Art Echiniscus scrofa in Seitenansicht (das Vorderende befindet sich links); 2 Tönnchen eines Vertreters der Gatt. Hypsibius; 3 Anatomie eines Vertreters der Eutardigrada

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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