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Kompaktlexikon der Biologie: Tierquälerei in der Landwirtschaft

ESSAY

Inke Drossé, Akademie für Tierschutz, Neubiberg

Tierquälerei in der Landwirtschaft

Nachhaltig zerstört ist das Bild von der idyllischen Landwirtschaft, in der Kühe auf saftigen Wiesen grasen, Hühner im Sonnenschein sandbaden und Schweine sich auf dem Boden suhlen. Inzwischen verbinden die meisten mit der heutigen Landwirtschaft etwas gänzlich anderes: Lebensmittelskandale um Dioxine, Antibiotika und Hormone im Fleisch, Bilder über Massentötungen von z.T. gesunden Rindern, Schafen, Schweinen und Ziegen im Zuge von BSE, MKS oder Schweinepest, oder Berichte über Tiere, die mehr tot als lebendig transportiert werden.

Infolge der jüngsten Skandale ist eine gesellschaftspolitische Diskussion über die Agrarpolitik i.Allg. und die Tierhaltung im Besonderen ausgelöst worden. Auch bei denjenigen, die sich bislang nicht für die Herkunft ihres Schnitzels interessiert haben, werden Rufe nach einem Wandel der Landwirtschaftspolitik laut, die die Tiere, die Umwelt und die Gesundheit der Verbraucher gleichermaßen schützt.

Zentralisierte Landwirtschaft

Die gängige Nutztierhaltung bietet dabei reichlich Raum für Überlegungen. Diese folgt bis heute dem Prinzip, höchstmögliche Gewinne zu erzielen. Je spezialisierter, intensiver und mechanisierter die Tierhaltung ist, desto billiger kann produziert werden. Kaum ein Tier wird heute dort geschlachtet, wo es aufgezogen wurde, weil die Agrarlandschaft in Deutschland und innerhalb der EU zentralisiert ist in spezielle Aufzucht-, Mast- und Schlachtbetriebe. Dazwischen liegen oft Hunderte von Kilometern. Die Tiere werden deshalb in ihrem Leben mehrfach hin und her transportiert: Ein Schwein, das z.B. in Holland geboren wurde, wird in Mecklenburg-Vorpommern aufgezogen, dann in Nordrhein-Westfalen gemästet, um schließlich in Bayern geschlachtet zu werden. Oft werden die Tiere zur Schlachtung innerhalb der EU oder aber nach Drittländern weiter transportiert. Es ist einleuchtend, dass diese umfangreichen Transporte nicht nur Tiere und Umwelt belasten, sondern auch ideale Voraussetzungen für die Verbreitung von Krankheiten und Seuchen wie der Maul- und Klauenseuche schaffen.

Massentierhaltung versus Intensivtierhaltung

In Deutschland werden viele Millionen Tiere landwirtschaftlich gehalten. Im Zusammenhang mit der Tierhaltung fallen häufig die Begriffe „Massentierhaltung“ und „Intensivtierhaltung“. Obwohl damit meistens ein und dasselbe gemeint ist, werden mit dem Begriff „Massentierhaltung“ meist hohe Tierbestände pro Betrieb und mit „Intensivtierhaltung“ mehr die wirtschaftlich orientierte Tierhaltung mit hohen Besatzdichten und hoher Mechanisierung bezeichnet. In den letzen Jahrzehnten hat die Anzahl vieler landwirtschaftlich genutzter Tiere pro Betrieb rasant zugenommen, insbesondere im Bereich der Geflügelhaltung. 1995 wurden in Deutschland z.B. 60 % mehr Masthühner gehalten als noch fünf Jahre zuvor. Heute sind Bestände von 100000 Legehennen, Zehntausenden Masthühnern oder Puten pro Betrieb eher die Regel als die Ausnahme. Immerhin 91 % der Schweine in den neuen Bundesländern wurden 1996 in Beständen von mehr als 1000 Tieren gehalten. Trotz Zunahme der Betriebsgröße ist eine Abnahme der Anzahl der Betriebe zu verzeichnen. Nach dem Prinzip des „Wachsen oder Weichen“ hat ein dramatisches Höfesterben eingesetzt. 1997 gab es im Vergleich zu 1949 in Deutschland nur noch etwa ein Drittel der Betriebe.

Im Hinblick auf den Tierschutz spielt vor allem die Art und Weise, wie die Tiere gehalten werden und damit der Platz pro Einzeltier eine wesentliche Rolle. Die Anzahl der Tiere pro Betrieb ist deshalb aber nicht unwichtig. Denn bei zu großen Gruppen – z.B. bei Geflügel – kann sich keine stabile Rangordnung bilden und mit immer neuen Rangordnungskämpfen entsteht Stress bei den Tieren. Weiterhin ist bei großen Gruppen eine effektive Gesundheitskontrolle des Einzeltieres und damit eine entsprechende (tierärztliche) Behandlung der Tiere nahezu ausgeschlossen, weshalb sich die Kontrollen bei Hühnern und Puten oft darauf beschränken, tote Tiere irgendwann aus dem Haltungssystem zu entfernen.

Um die Produktionskosten der landwirtschaftlichen Tierhaltung gering zu halten, sind neben der genannten Spezialisierung und Vergrößerung der Tierbestände neuzeitliche Haltungssysteme eingeführt worden, die weitgehend auf eingestreute Liege- und Laufflächen verzichten. Die Tiere werden auf engstem Raum und in reizarmer Umgebung gehalten, in Käfigen (Legehennen, Kaninchen) in Ställen ohne Tageslicht (Puten, Masthühner) in Anbindehaltung (Milchkühe) oder einzeln in Kastenständen (Sauen). In solchen Haltungssystemen sind die Tiere in ihrer Bewegungsmöglichkeit erheblich eingeschränkt, z.T. können sie sich nicht einmal umdrehen. Wegen der Enge und der strukturlosen Umgebung können die Tiere einen Großteil ihres arteigenen Verhaltens wie Bewegung, Ruhen, Futteraufnahme, Erkundungs-, Komfort- oder Sozialverhalten nicht ausleben. Erzwungenes Nichtverhalten führt zu Stress und Frustrationen. Dies äußert sich wiederum in Verhaltensstörungen wie Aggressivität, Ängstlichkeit, Stereotypien und Kannibalismus. Der Bewegungsmangel und die einstreulosen Gitter-, Spalten- oder betonierten Böden führen in der Praxis zudem zu schmerzhaften Veränderungen des Bewegungsapparates, Klauen- oder Fußballenentzündungen und Hautgeschwüren. Nicht zuletzt wirken sich artwidrige Haltungssysteme und hohe Besatzdichten negativ auf den Gesundheitszustand aus, in gleichem Maße nehmen der Infektionsdruck und die Krankheitsanfälligkeit der Tiere zu.

Wenn sich Tierschutzprobleme in wirtschaftlichen Ausfällen niederschlagen, werden die Symptome, nicht aber die Ursachen bekämpft. Damit sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen, kürzt man Legehennen und Puten prophylaktisch die Schnäbel, Ferkeln die Zähne und Schwänze oder entfernt Rindern die Hörner. Diese Manipulationen sind allesamt außerordentlich schmerzhafte Eingriffe in lebendes, innerviertes Nerven-, Haut- und Knochengewebe. Dennoch werden sie ohne Betäubung und Schmerzbehandlung durchgeführt. Die Tiere leiden aufgrund dieser Eingriffe nicht nur an akuten, z.T. chronischen Schmerzen und Sekundärinfektionen – sie werden auch erheblich in ihrem Verhalten eingeschränkt. Schnabelkupierte Puten z.B. können unter Umständen Nahrung nicht mehr pickend, sondern nur noch schaufelnd zu sich nehmen. Bei Schweinen ist zumindest das Sozialverhalten eingeschränkt, weil der Schwanz ein wichtiges Kommunikationsorgan ist.

Gelöst werden die Tierschutzprobleme durch Manipulationen nicht, weil die Ursachen, die tierwidrigen Haltungssysteme, die erhöhte Besatzdichte und die unstrukturierte Umgebung völlig unberührt bleiben.

Ebenso symptomatisch werden Krankheiten der Tiere bekämpft. Da hohe Tierzahlen und Besatzdichten die Krankheitsanfälligkeit und -verbreitung fördern, werden die Tiere prophylaktisch geimpft und mit Medikamenten behandelt. Solche Maßnahmen belasten den Körper der Tiere unnötig.

Hochleistungstiere

Gewinnmaximierung ist auch in der Tierzucht oberste Maxime. Je nach Nutzungswille sollen die Tiere rekordverdächtige und unphysiologisch hohe Leistungen bringen, die die Körper der Tiere jedoch nur kurze Zeit aufrechterhalten können. Fällt die Leistung ab, wird das Tier geschlachtet. Milchkühe produzieren heute zehnmal mehr Milch als zum Ernähren des Kalbes erforderlich wäre. Die heute zur Mast eingesetzte Pute wiegt mehr als das Dreifache der Wildform. Legehennen können etwa 300 Eier pro Jahr legen, mehr als das Fünffache ihrer Vorfahren. Geplante Genmanipulationen und Klonierungstechniken lassen Schwindel erregende Möglichkeiten offen. Doch bereits jetzt sind massive Tierschutzprobleme offensichtlich: Bei Kühen haben Euterentzündungen sprunghaft zugenommen. Puten und Masthühner sind inzwischen so schwer gezüchtet, dass ihre Beine übermäßig belastet werden und schmerzhafte Beindeformationen entstehen. Legehennen leiden an Eileiterentzündungen und Schweine sind inzwischen extrem stressanfällig und neigen vermehrt zu Herz-Kreislauf-Versagen.

Fütterung und Medikamentierung stehen ebenfalls im Dienste der Leistungssteigerung. Ungeachtet der Physiologie der Tiere werden sie mit energiereichem Kraftfutter und mit leistungsfördernden Antibiotika gefüttert; unangenehmer Begleiteffekt ist die Entstehung von Antibiotikaresistenzen und zwar nicht nur beim Tier selbst, sondern auch beim Verbraucher. Bis 1988 war es erlaubt, Hormone in der Tiermast einzusetzen, aus Verbraucherschutzgründen wurde dies in der EU verboten. Auch die seit jeher umstrittene Fütterung mit Tiermehlen an Pflanzen fressende Rinder, ist erst Ende 2000 EU-weit verboten worden, nachdem BSE-Fälle auch in Deutschland aufgetreten sind.

Tiere als Produktionsgut

Die Verwandlung des Tieres vom Mitgeschöpf in ein Produktionsgut zeigt sich auch in einer extremen Form der Spezialisierung. Da sich die Mast der männlichen Küken von Legehennen wirtschaftlich nicht rechnet, werden diese gar nicht erst aufgezogen, sondern sofort nach dem Schlüpfen im so genannten Homogenisator, einer Art Häcksler, getötet. Auch Eber werden nicht gemästet. Männliche Ferkel werden im Alter von wenigen Wochen aus Angst vor möglichem Ebergeruch im Fleisch betäubungslos kastriert, ein Eingriff, der erhebliche Schmerzen verursacht und vermeidbar wäre, wenn man Schweine bei einem etwas früheren Schlachtgewicht schlachten würde, wie dies in anderen Ländern bereits praktiziert wird.

Wenn die Tiere schließlich zur Schlachtbank geführt werden, ist ihr Leiden nicht vorbei. Entscheidend für die Wahl des Schlachthofes ist nicht dessen Nähe, sondern der Preis. Tiere werden so Hunderte oder Tausende Kilometer transportiert. Langzeittransporte werden zudem auch von der EU gefördert. Aufgrund der Überproduktion von Rindfleisch in der EU werden Subventionen für den Export von Rindfleisch, aber auch von lebenden Tieren in Drittländern gezahlt; für den Export von Rindern gewährte die EU 1999 über 90 Mio. Euro. Die erhebliche Tierqual finanziert der Steuerzahler also mit. Trotz Protesten von Tierschützern und der Öffentlichkeit gibt es keine maximale Dauer für länderübergreifende Tiertransporte und auch sonst keine Regelungen, die den Schutz der Tiere gewährleisten. Tierschutzprobleme infolge Futter- und Wassermangel, Erschöpfung und Misshandlung der Tiere sind seit langem bekannt. Aber erst mit Ausbruch der Maul- und Klauenseuche sind in Deutschland und der EU kurzzeitig Tiertransporte eingeschränkt worden.

Am Ende ihres Lebens steht für landwirtschaftlich genutzte Tiere der Schlachthof. Dort, wo die Tiere nicht mit der nötigen Ruhe entladen werden, entstehen Stress und Panik bei den Tieren. Vor der Tötung müssen die Tiere betäubt werden. Die Betäubung der Tiere ist üblicherweise industriell automatisiert. Aufgrund des hohen Zeitdrucks ist eine hohe Fehlbetäubungsrate zu verzeichnen. In der Betäubungs- und Schlachtmaschinerie werden also auch Tiere bei vollem Bewusstsein entblutet. Besonders eklatant ist diese Tierquälerei bei vollautomatischen Geflügelschlachtanlagen, bei denen ein Großteil der Tiere unbetäubt bleibt.

Was bedeutet artgerecht?

Angesichts dieser Praxis in der Tierhaltung stellt sich die Frage, ob wir mit Tieren so umgehen dürfen. Auch Tiere in der Landwirtschaft unterstehen in Deutschland dem Schutz durch das Tierschutzgesetz. Darin ist festgelegt, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechend verhaltensgerecht untergebracht werden müssen. Weitergehende gültige Vorschriften, die die Haltung der Nutztiere spezifizieren, gibt es nicht mehr. Im Juli 1999 ist die Deutsche Legehennenhaltungsverordnung durch ein bahnbrechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für nichtig erklärt worden. Der Grund: Die Käfighaltung widerspricht dem Gebot des Tierschutzgesetzes, Tiere verhaltensgerecht unterzubringen. Da auch in den bisher gültigen Verordnungen zur Schweine- und Kälberhaltung dieses Gebot und formale Gründe nicht hinreichend beachtet wurden, müssen diese Verordnungen ebenfalls als ungültig gelten.

Doch wie sieht nun eine art- oder tiergerechte Tierhaltung aus? Während mit „artgerecht“ die gesamten Funktionskreise der Tierart betrachtet werden, stellt das Wort „tiergerecht“ mehr die Verhaltensweisen und Bedürfnisse des Einzeltieres in den Vordergrund und ermöglicht damit eine differenziertere Betrachtungsweise. In Anlehnung an das deutsche und schweizerische Tierschutzgesetz sind „Haltungsbedingungen dann tiergerecht, wenn sie den spezifischen Eigenschaften der in ihnen lebenden Tiere Rechnung tragen, die körperlichen Funktionen nicht beeinträchtigt werden, die Anpassungsfähigkeit der Tiere nicht überfordert und die essentiellen Verhaltensmuster der Tiere nicht so eingeschränkt werden, dass Schmerzen, Leiden oder Schäden am Tier entstehen.“ (Albert Sundrum). Wesentlich für eine tiergerechte Unterbringung ist, dass das Haltungssystem nach den Tieren ausgerichtet wird und nicht umgekehrt. Das setzt voraus, dass man das natürliche Verhalten und die Bedürfnisse der Tiere kennt.

Aus Sicht des Deutschen Tierschutzbundes ist ein wesentliches Kriterium für eine tiergerechte Haltung, sozial lebende Tiere in Gruppen zu halten und ihnen Auslauf im Freiland zu bieten. Ausreichende Bewegungsmöglichkeiten, Tageslicht, eine Gruppengröße, die den Aufbau einer geordneten Sozialstruktur zulässt, und eine strukturierte Umgebung ermöglichen es den Tieren, das arteigene Verhaltensrepertoire auszuleben.

Eingriffe und Amputationen dürfen nicht mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet werden. Sie sind absolut unzulässig und unnötig, weil die Tiere in einem tiergerechten Haltungssystem ihr Beschäftigungsbedürfnis und ihre Neugier an geeigneten Objekten befriedigen können.

Zu einem tiergerechten Umgang gehört aber auch, dass die Tiere nicht auf extreme Leistungen getrimmt werden – weder durch Zucht, Gentechnik noch durch Fütterung oder Medikamentierung. Statt dessen sollten gesunde und robuste alte Nutztierrassen gehalten werden. Nicht zuletzt muss durch eine fachgerechte Betreuung der Tiere und der Haltungssysteme gewährleistet werden, dass ihre Gesundheit regelmäßig überprüft wird und die hygienischen Verhältnisse und das Stallklima ihren Bedürfnissen entsprechen.

Der Verbraucher hat die Macht

Der Verbraucher kann gezielt dazu beitragen, solche Haltungssysteme zu fördern, indem er Produkte aus dem Ökolandbau oder dem NEULAND-Verein für tiergerechte und umweltschonende Nutztierhaltung bezieht. Derzeit wirtschaften jedoch nur 1,8 % der Betriebe mit einer Fläche von 2,4 % in Deutschland nach ökologischen Kriterien. Nach wie vor kommt der überwiegende Anteil der Nahrungsmittel tierischen Ursprungs aus der konventionellen Landwirtschaft. Die Nachfrage der Verbraucher nach Produkten aus tiergerechter Haltung wächst, jedoch nicht so schnell wie sich mancher erhofft hat. Ein Grund ist, dass Produkte aus dem Ökolandbau vorwiegend in Naturkostläden oder in speziellen Läden und nur zu einem geringen Prozentsatz in Supermärkten angeboten werden. In nordeuropäischen Ländern wie Schweden wird in Supermärkten dagegen nahezu zu jedem Lebensmittel aus der konventionellen Landwirtschaft eine ökologische Alternative angeboten. Das erleichtert dem Verbraucher den Einkauf von ökologischen Produkten.

Auch der höhere Preis hält einige Verbraucher vom Kauf ab. Produkte aus tiergerechter Haltung sind i.d.R. teurer, weil weniger Tiere pro Fläche gehalten werden können und Haltungssysteme, Fütterung und Pflege unter Umständen einen höheren Arbeitsaufwand und damit höhere Produktionskosten nach sich ziehen. Schwieriger gestaltet sich der Verkauf von solchen Produkten nicht zuletzt deshalb, weil die konventionelle Ware nicht als solche gekennzeichnet ist und die Verbraucher zu wenig über die verschiedenen Marken und die Tierhaltungssysteme wissen. Das Beispiel Eier zeigt dies besonders deutlich. Zwar lehnt ein Großteil der Öffentlichkeit nach verschiedenen Umfragen die Käfighaltung von Legehennen ab, der Großteil der Verbraucher lässt sich aber nach wie vor von Phantasiebezeichnungen der Eierindustrie wie „Landeier“ oder „Eier frisch vom Bauernhof“ und idyllischen Bildern auf der Verpackung täuschen. Nach einer Umfrage im Auftrag des Deutschen Tierschutzbundes glauben mehr als 60 % der Befragten, dass sich hinter solchen Bezeichnungen Eier aus der Freilandhaltung verbergen. Eine verpflichtende EU-weite Kennzeichnung nach dem Haltungssystem, die ab 2004 vorgeschrieben wird, wird dies hoffentlich ändern.

Raus aus der Nische

Um den Ökolandbau und vergleichbare tiergerechte Nutztierhaltungsprogramme aus der Nischenwirtschaft herauszubringen, müssen diese sowohl finanziell als auch durch vereinfachte Vermarktungsmöglichkeiten von der Politik gefördert werden. Eine Wende in der Agrarwirtschaft scheint in der EU und in Deutschland mehr als je zuvor wahrscheinlich. Verbraucherschutzministerin Künast hat in ihrer Regierungserklärung zur neuen Verbraucherschutz- und Landwirtschaftspolitik im Februar 2001 angekündigt, den Anteil der Produkte auf bis zu 20 % Marktanteil zu bringen. Nach einer Studie des Öko-Institutes erscheint sogar eine vollständige Umstellung der deutschen Landwirtschaft auf den ökologischen Landbau möglich. Doch am Ende ist es der Verbraucher mit seinem Kaufverhalten, der entscheidet, ob Produkte aus tiergerechter Haltung langfristige Marktchancen haben oder nicht. Ausschlaggebend hierfür sollten die bessere Qualität, weniger Rückstände in der Nahrung und das gute Gefühl sein, tiergerechte Haltung zu honorieren.

Literatur: Burdick, B.: Leitlinien und Wege für einen Schutz von Nutztieren in Europa – Eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz, Mainz 1999. – Drossé, I., Rempe, B.: Tierschutz durch tiergerechte Haltung – zum ethisch korrekten Umgang mit Tieren in der Landwirtschaft, in: Forum – Argumente zur Verbraucherpolitik, Hg. Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) e.V., Bonn 1999. – NEULAND-Verein: NEULAND-Richtlinien für die artgerechte Legehennen-, Masthühner-, Schweine- und Rinderhaltung.

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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