Kompaktlexikon der Biologie: Waldsterben
Waldsterben, seit Mitte der 1970er-Jahre verstärkt auftetendes großflächiges Phänomen in den industrialisierten Ländern der Nordhemisphäre, gekennzeichnet durch eine erhebliche Schädigung an Nadel- und Laubbäumen, die teilweise zum Absterben der Bäume führt. Die Schäden gehen dabei offensichtlich nicht von Schädlingen oder außergewöhnlichen Witterungsbedingungen aus, als Ursache sieht man vielmehr die Belastung mit Luft verunreinigenden Stoffen (Luftschadstoffe) an, da es besonders im Umkreis von Industrieansammlungen mit unzureichenden Umweltschutzmaßnahmen zur Schädigung kommt. Hiervon sind in erster Linie osteuropäische Länder betroffen, aber auch Portugal und Großbritannien. In Deutschland verzeichnet man die größten Waldschäden in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern. Hier sind teilweise über 50 % des Baumbestandes mittelstark bis stark geschädigt. In den 1970er-Jahren waren zunächst nur Nadelbäume wie die Tanne, später auch Fichte und Kiefer betroffen. Zeitlich verzögert fielen auch bei Laubbäumen wie Buche und Eiche vergleichbare Schäden auf. Diese zeigen sich in einer Vergilbung der Nadeln bzw. Blätter und anschließendem Blattverlust. Es hat sich gezeigt, dass selbst bei einer mittelstarken bis starken Schädigung unter günstigen Bedingungen eine Revitalisierung der Bäume möglich ist. In der Waldschadensforschung konnte man in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielen und verschiedenartige Ursachen ausmachen, die größtenteils in Kombination zu den Schäden beitragen. Der Dürrestress niederschlagsarmer Jahre beeinflusst viele Lebensvorgänge im Wald und kann unter Umständen die Wirkung anderer Faktoren verstärken. Entsprechendes gilt für Kältejahre mit winterlichen Temperaturstürzen, die starke lokale Auswirkungen haben können. Besonders in Gebieten, in denen die Bäume durch sauren Regen (saurer Regen) vorgeschädigt sind, ist die Frostempfindlichkeit der Bäume erheblich gesteigert. Pilze scheinen an der Schädigung vieler Bäume maßgeblich beteiligt zu sein, eine epidemische Ausbreitung von Viren, Mykoplasmen und Bakterien (Pflanzenkrankheiten) konnte jedoch nicht gefunden werden. Für einen Pilzbefall sind bereits durch andere Faktoren geschwächte Bäume besonders anfällig. Dies gilt ebenso für Schwächeparasiten wie die Borkenkäfer (Fam. Scolytidae). Neben dem sauren Regen trägt auch die Anpflanzung von Nadelbaum-Monokulturen zur Versauerung des Bodens bei und leistet damit den Waldschäden Vorschub. In erster Linie aber sind als ursächliche Schädiger Substanzen auszumachen, die mit der industriellen Entwicklung in immer größerem Umfang die Luft belasten. Hierzu zählen Schwefeldioxid (SO2), die starke Säuren bildenden Stickstoffoxide, Fotooxidantien, Schwermetalle und flüchtige organische Schadstoffe wie chlorierte Kohlenwasserstoffe, Phenole und Aldehyde. Der zunehmende Dauerstress durch Luftschadstoffe und die übermäßigen Säure- und Stickstoffeinträge führen in Kombination mit den natürlich auftretenden Stressfaktoren zu einer erhöhten Belastung der Bäume. Nur durch eine drastische Reduzierung der industriellen Emissionen kann eine weitere Zunahme des W. vermieden werden.
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