Lexikon der Biologie: Akkommodation
Akkommodation w [von latein. accommodatio = Anpassung; Verb akkommodieren], 1) Einstellung des Auges auf verschiedene Gegenstandsweiten ( vgl. Abb. ). Dies wird durch aktive Brechkrafterhöhung des dioptrischen Apparats (dioptrischer Apparat) erreicht. Der Betrag, um den die Brechkraft maximal gesteigert werden kann (gemessen in Dioptrien, Abk. dpt; Dioptrie), wird als Akkommodationsbreite bezeichnet. Die Steigerung der Brechkraft ist prinzipiell auf zwei verschiedenen Wegen möglich: 1) Der Abstand zwischen starrer Linse und Netzhaut (Retina) wird entweder verkleinert oder vergrößert; 2) der Krümmungsradius der elastischen Linse (Linsenauge) wird verändert. Das erste Prinzip ist bei Wirbellosen (z. B. Kopffüßern, Vorderkiemerschnecken und marinen Polychaeten), Rundmäulern, Fischen, Amphibien und Schlangen verwirklicht. Die Linsenverschiebung kann durch direkt an der Linse ansetzende Muskeln erreicht werden, die bei Kontraktion eine Formveränderung des Glaskörpers bewirken (Kopffüßer) oder die Linse direkt vor in Richtung Cornea (Elasmobranchier, Amphibien, Schlangen) bzw. zurück in Richtung Retina (Knochenfische) verschieben. Seitlich neben dem Augapfel inserierende Muskeln bewirken bei Rundmäulern durch Kontraktion eine Annäherung der Linse an die Retina. Bei Polychaeten mit hochentwickelten Linsenaugen wird durch Vermehrung der Glaskörpersubstanz der Abstand zwischen Linse und Retina vergrößert. Die Linse ist in ihrer Ruhestellung bei Polychaeten, Kopffüßern, Rundmäulern und Amphibien fernakkommodiert, bei Knochenfischen und Neunauge nahakkommodiert. Das zweite Prinzip findet man bei den Reptilien (mit Ausnahme der Schlangen), Vögeln und Säugetieren. Der Ciliarkörper des Reptilien- und Vogelauges berührt direkt den verdickten Linsenrand und bewirkt durch Kontraktion eine verstärkte Krümmung der Linse. Im Säugerauge ist die Linse durch die Zonulafasern mit dem Ciliarkörper verbunden. Die elastischen, nicht kontraktilen Zonulafasern üben im akkommodationslosen Zustand einen Zug auf die Linse aus, der diese abflacht. Durch Kontraktion der Ciliarmuskulatur, die den Antagonisten zur Elastizität der Zonulafasern darstellt, wird der Ciliarkörper dem Linsenrand genähert. Demzufolge läßt der Zug der Zonulafasern nach, und die Linse nimmt aufgrund ihrer Eigenelastizität eine stärker gewölbte Form an, was eine Erhöhung ihrer Brechkraft zur Folge hat. Das menschliche Auge ist im akkommodationslosen Zustand auf die Ferne eingestellt. Im Alter tritt, bedingt durch Wasserverlust, eine Elastizitätsabnahme der Linse auf, die deren Brechkraft und damit Akkommodationsbreite verringert. Diese Altersweitsichtigkeit ist zu unterscheiden vom pathologischen Befund der Hyperopie. Akkommodometer, Auge, Donders (F.C.), Linsenauge, Protraktoren, Pupillenreaktion. 2) In der Neurophysiologie Bezeichnung für eine Erhöhung der Reizschwelle (Reiz) bei langsamer Depolarisation der Membran (Membranpotential). Bei langsamer Annäherung der Membrandepolarisation an den Schwellenwert, der zur Auslösung eines Aktionspotentials erreicht werden muß, können die beiden dynamischen Prozesse, die die regenerativen Membraneigenschaften bewirken (die Inaktivierung der Natriumkanäle und die Aktivierung der Kaliumkanäle), zum Tragen kommen, bevor der Schwellenwert erreicht wird. Die Zelle muß also stärker depolarisiert werden, um genügend Natriumkanäle zur Auslösung eines Aktionspotentials zu aktivieren. Diese Akkommodationsvorgänge treten z. B. an Nervenzellen des Zentralnervensystems auf, die durch summierte, langsam ansteigende synaptische Potentiale depolarisiert werden. Unter gewissen Umständen (z. B. Dauerreizung) kann bei sehr geringem Ansteigen des Reizes die Auslösung eines Aktionspotentials ganz ausbleiben. Man spricht bei diesem Phänomen von einem "Einschleichen des Reizes".
H.W./K.H.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.