Lexikon der Biologie: alloparentale Pflege
alloparentale Pflege [von *allo –, latein. parentalis = elterlich], allo-mothering, Form der Brutfürsorge, die von anderen Individuen als den natürlichen Eltern des Jungtieres (Allomutter) gezeigt wird. Alloparentale Pflege kann sowohl von Weibchen (allomaternale Pflege) als auch von Männchen (allopaternale Pfege) gezeigt werden. Vor allem bei der kurzfristigen alloparentalen Pflege (Jungentransfer) werden für Primaten (Herrentiere) Verhaltensweisen wie Umarmungen, Fellpflege, Tragen und Schutz des fremden Jungtieres beschrieben. Obwohl in der Regel das Säugen der Jungtiere von der Mutter ausgeübt wird, kommt es z. B. bei einigen Languren-Arten (Languren) zu allomaternalem Säugen durch Allomütter. Bei den Primaten werden interspezifisch große Unterschiede in der Ausprägung des alloparentalen Verhaltens beschrieben. Das Alter der Jungtiere, der Rang der natürlichen Mutter sowie das Alter und die bisherige mütterliche Erfahrung der Allomutter spielen hierbei eine große Rolle. Eine einheitliche Interpretation hinsichtlich der Evolution des alloparentalen Verhaltens ist aufgrund der Vielfalt in der Ausprägung dieses Verhaltens nicht vorhanden. Obwohl Allomütter in der Regel nahe Verwandte sind, ist Verwandtschaft mit dem Jungtier keine Voraussetzung für alloparentales Verhalten. So ist zu erwarten, daß neben der Erhöhung der inclusiven Fitness (inclusive fitness, Sippenselektion) weitere Faktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung dieses Verhaltens spielten. Es werden in diesem Zusammenhang mehrere Hypothesen diskutiert, die sich weder gegenseitig ausschließen noch auf alle Beispiele zutreffend sind. Eine der Hypothesen betont das Sammeln von praktischer Erfahrung durch alloparentales Verhalten: Bei vielen Primaten-Arten helfen vor allem Subadulte und Jungtiere bei der Aufzucht, wodurch sie ihre eigene Erfahrung in der Jungenaufzucht verbessern und das alloparentale Verhalten ihnen zukünftige Vorteile bringt. So zeigen in Gefangenschaft gehaltene Weibchen, die keinen Kontakt zu fremden Jungtieren hatten, ein inadäquates Verhalten ihren eigenen Jungtieren gegenüber (Harlow-Versuche). Außerdem kann es durch alloparentales Verhalten zur Erhöhung des sozialen Status in einer Gruppe kommen: Oft wird alloparentales Verhalten von subdominanten Weibchen gegenüber Jungtieren von höherrangigen Weibchen beschrieben. Durch diese Hilfeleistung werden dem subdominanten Weibchen einige Privilegien eingeräumt (weniger gegen sie gerichtete Aggression, verbesserter Zugang zu höherrangigen Individuen und zu Ressourcen). Allopaternales Verhalten wird bei vielen Pavianen und einigen anderen Altweltaffen, z. B. bei Macaca sylvana (Magot), in Zusammenhang mit aggressiven Interaktionen zwischen zwei Männchen beobachtet. Hierbei wird das Jungtier von einem Männchen in die Auseinandersetzung getragen, wodurch die Heftigkeit der Auseinandersetzung stark reduziert wird (social buffering). Bei den Mantelpavianen kümmern sich noch nicht ausgewachsene Männchen um die Jungtiere und sind so in der Lage, innerhalb einer Gruppe, die von einem stark dominanten Männchen (Pascha) geleitet wird, eine erste engere Beziehung zu adulten Weibchen aufzubauen. – Beim Menschen wird der Begriff vor allem für Frauen und Mädchen in traditionalen Gesellschaften (traditionale Kulturen) verwendet, die sich um die mit ihnen vertrauten Kinder anderer Frauen kümmern. In den sozial eng zusammenlebenden Stammesgemeinschaften besitzen Kleinkinder eine hohe Attraktivität ("soziale Drehscheibe") und verbringen nur etwa die Hälfte der Wachzeit bei der Mutter. Kinder, die erschrecken, müde sind oder weinen, werden der Mutter jedoch sofort zurückgegeben. Brutpflege.
C.L./J.Be.
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