Lexikon der Biologie: Anthocyane
Anthocyane [von *antho –, griech. kyanos = blauer Farbstoff], weitverbreitete, zu den Flavonoiden gehörende glykosidische Pflanzenfarbstoffe (Pflanzenstoffe), deren Grundgerüst das Flavyliumkation ( vgl. Abb. ) ist. Aufgrund verschiedener Hydroxylgruppen in den Positionen 3, 5, 7, 3´, 4´, 5´ sowie teilweiser Methylierung und Glykosylierung dieser Hydroxylgruppen leiten sich über 100 Anthocyane ab. Durch Säure- oder Enzymeinwirkung können die Zuckerkomponenten der Anthocyane abgespalten werden. Die entstehenden Aglykone sind die instabilen Anthocyanidine (Farbstoffkomponenten der Anthocyane, das eigentliche Chromophor; chromophore Gruppen). Dem Hydroxylierungsgrad in Ring B des Grundgerüsts entsprechend unterscheidet man die drei Aglykon-Grundtypen Pelargonidin (4´-Hydroxy), Cyanidin (3´,4´-Dihydroxy) und Delphinidin (3´,4´,5´-Trihydroxy), von denen sich die Mehrzahl der Anthocyane durch Glykosylierungen vorzugsweise an der Hydroxylgruppe der Position 3 (seltener 5 bzw. 3 und 5) ableitet. Als Zuckerkomponenten werden die MonosaccharideGlucose, Galactose, Rhamnose, seltener Xylose, Arabinose, oder Disaccharide und Trisaccharide gefunden. Anthocyane sind lösliche Bestandteile des Cytoplasmas und der Vakuole von Pflanzenzellen. Die Reichhaltigkeit der durch Anthocyane bewirkten Farbintensitäts- und Farbqualitätsabstufungen bei Blüten (Blüte) und Früchten (Frucht) Höherer Pflanzen ist durch Variation von Menge, Art und Mischungsverhältnissen der einzelnen Anthocyane, aber auch durch das Zusammenwirken mit anderen Farbstoffen der Flavonfamilie (Flavone) bedingt. Darüber hinaus beeinflussen auch der pH-Wert des Zellsafts und das Vorhandensein verschiedener, zur Bildung von Chelaten geeigneter Metallsalze die Farbausprägung der Anthocyane. Anthocyane zeigen innerhalb bestimmter pH-Bereiche (ähnlich wie Säure-Base-Farbindikatoren) Farbumschläge. In saurem Milieu überwiegt die Rotfärbung (z. B. im Rot-Kohl), während im alkalischen Milieu die Violett- und Blautöne (Rittersporn, Kornblume [Flockenblume], Blaubeere [Vaccinium]) vorherrschen. – Die Bildung von Anthocyanen unterliegt bei vielen Pflanzen einer Steuerung durch Signalketten, die durch Belichtung (Lichtfaktor), Streß (Pflanzenstreß, Streßfaktoren bei Pflanzen) oder Temperatur ausgelöst werden. Bei vielen Keimlingen wird in Keimblättern und Hypokotyl sog. Jugendanthocyan gebildet. Auslöser dafür sind die pflanzlichen PhotorezeptorenPhytochrom (das durch den Rotanteil des Sonnenspektrums angeregt wird) und der Blaulichtrezeptor (Kryptochrom, Cryptochrom). In ausgewachsenen Pflanzen wird die Anthocyanbildung in Blättern und Sproßachsen vor allem in Antwort auf UV-Licht (Ultraviolett) oder Salzstreß angeregt. Ob dieses Streßanthocyan, wie oft behauptet, tatsächlich eine Schutzfunktion ausübt, ist indes umstritten. Vermutlich sind die im UV absorbierenden ungefärbten Vorstufen des Anthocyans die eigentlichen Schutzpigmente, und das Anthocyan entsteht als stabiles Endprodukt der Flavonoidsynthese. Die rote Herbstfärbung vieler Bäume wird auf diese Weise erklärt: bei der Mobilisierung des Stickstoffs aus der Aminosäure Phenylalanin durch das Enzym Phenylalanin-Ammonium-Lyase wird der Zimtsäureweg (Zimtsäure) angestoßen, der dann bis zur Bildung des Endprodukts Anthocyan durchläuft. Im Gegensatz zu den übrigen Laubbäumen führt die Erle diese Stickstoffmobilisierung nicht durch (aufgrund einer Symbiose mit stickstoffixierenden Bakterien ist sie darauf nicht angewiesen) und wirft ihre Blätter grün ab, ohne Herbstanthocyan zu bilden. Entwicklungsbiologisch ist die Anthocyanbildung vor allem auch deshalb interessant, weil sie in einem streng bestimmten Muster erfolgt – in Blättern ausschließlich in der Epidermis, in Sproßorganen ausschließlich in den Zellen der Subepidermis, in Blattorganen hauptsächlich entlang der Blattvenen und am Blattrand. Die Beschränkung der Anthocyansynthese auf ganz bestimmte Gewebs- oder Zelltypen wird auf eine entsprechende Verteilung bestimmter Transkriptionsfaktoren zurückgeführt. Diese Zellen werden dadurch in die Lage versetzt, auf das Lichtsignal mit der Bildung von Anthocyan zu reagieren. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff des Kompetenzmusters geprägt. Beim Mais sind mit Hilfe entsprechender Mutanten solche Transkriptionsfaktoren schon identifiziert worden, die den Zellen die Kompetenz zur signalgesteuerten Anthocyanbildung verleihen. Blutvarianten, Buntblättrigkeit, Chlorose, Farbe, Glykoside, Hydroxyzimtsäuren, Karrer (P.), Lichtschutzmechanismen, Robinson (R.), Willstätter (R.); Genwirkketten II, Mendelsche Regeln I.
E.R./P.N.
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