Lexikon der Biologie: Arenaviren
Arenaviren [von *arena -], Arenaviridae, Familie der RNA-Viren mit der Gattung Arenavirus. Nach ihrer Verbreitung in Afrika und Europa (der "Alten Welt") bzw. in Südamerika (der "Neuen Welt") werden die Arenaviren in Altwelt- und Neuweltarten unterteilt ( vgl. Tab. ). Die natürlichen Wirte der Arenaviren sind hauptsächlich Nagetiere, bei denen sie zu chronisch-persistierenden Infektionen führen und mit Speichel und Urin ausgeschieden werden. Durch Kontakt mit den virushaltigen Ausscheidungsprodukten oder Blut können Arenavirus-Infektionen auf den Menschen übertragen werden und hämorrhagische Fiebererkrankungen mit teilweise sehr schwerem bis tödlichem Verlauf verursachen. Das Lassa-Virus ist der Erreger des Lassa-Fiebers in Westafrika. In Südamerika werden das Argentinische, das Bolivianische und das Venezolanische hämorrhagische Fieber durch das Junin-Virus, Machupo-Virus und Guanarito-Virus hervorgerufen. Im Gegensatz zu den anderen Arenaviren ist das für den Menschen äußerst virulente Lassa-Virus von Mensch zu Mensch übertragbar. Die Arenaviren wurden früher zu den Arboviren gerechnet, sie sind jedoch nicht auf eine Übertragung durch Arthropoden angewiesen. Das Lymphocytäre-Choriomeningitis-Virus (LCM-Virus, LCMV) kommt weltweit bei Mäusen vor. Infektionen bei neugeborenen Tieren oder in utero führen zu asymptomatischen persistierenden Infektionen, bei denen große Virusmengen ausgeschieden werden. Eine Infektion erwachsener Mäuse kann jedoch eine lymphocytäre Choriomeningitis verursachen, deren Symptome denen des hämorrhagischen Fiebers ähneln. Eine Übertragung des LCM-Virus auf den Menschen ist selten, die Infektion verläuft meist asymptomatisch oder milde, in seltenen Fällen kann es zur lymphocytären Choriomeningitis kommen. Durch die Untersuchungen der LCMV-Infektion in Mäusen wurden wesentliche Einblicke in Mechanismen der virusinduzierten Pathogenese und der antiviralen Immunabwehr erhalten. Die verschiedenen Ausprägungen der Wechselwirkungen zwischen Virus und Wirt und somit das Ergebnis einer LCMV-Infektion sind von mehreren Faktoren abhängig, wozu Alter, Immunkompetenz und genetischer Hintergrund der Wirtstiere sowie die genetischen Eigenschaften des Virus und die Infektionsdosis gehören. Das Pichinde-Virus, das beim Menschen keine Erkrankung verursacht, wurde vor allem für die Untersuchungen zur Molekularbiologie der Arenaviren verwendet. – Die Arenaviruspartikel (Durchmesser 50–300 nm, mittlerer Durchmesser 110–130 nm) sind rund bis pleomorph, besitzen eine Lipoproteinhülle (Virushülle) mit Glykoproteinstacheln und enthalten mehrere elektronenoptisch dichte Granula, bei denen es sich um Ribosomen der Wirtszelle handelt ( vgl. Abb. ). Diese Granula gaben den Viren ihren Namen (von latein. arena = Sand). Das Genom besteht aus 2 einzelsträngigen RNA-Molekülen, der L-RNA (Länge ca. 7200 Nucleotide) und der S-RNA (Länge ca. 3400 Nucleotide). In den Virionen liegen die Genom-RNAs komplexiert mit viralem NP-Protein als helikale Nucleocapsidstrukturen vor. Die Genom-RNAs besitzen sowohl Minusstrang- als auch Plusstrang-Polarität (Ambisense-Orientierung). Das S-Segment codiert in Minusstrang-Orientierung für das Nucleocapsidprotein NP sowie in sog. Pseudoplusstrang-Orientierung für das Vorläuferprotein GPC der Hüllglykoproteine G1 und G2 (das Präfix pseudo wird benutzt, da die Genom-RNA nicht direkt als mRNA dient). Das L-Segment enthält in Minusstrang-Polarität die Information für die virale RNA-Polymerase (L-Protein mit mehr als 2000 Aminosäureresten) und in Plusstrang-Polarität die für das Zink-Finger-Protein Z. Die gegenläufig orientierten Gene sind voneinander durch eine intergenische nichtcodierende Region getrennt, die eine Stamm-Schlaufenstruktur (stem-loop) bilden kann. Die Vermehrung der Arenaviren findet im Cytoplasma statt. Es ist noch unklar, ob auch Faktoren des Zellkerns eine Rolle spielen. Viele Details der Transkription und Replikation sind (1998) noch ungeklärt. Transkription der Genom-RNAs führt zu vollständigen Antigenom-RNAs und zu subgenomischen mRNAs, die einige zusätzliche, nicht von der Genom-RNA-Matrize codierte Nucleotide am 5´-Ende tragen. Möglicherweise werden die 5´-Enden zellulärer mRNAs als Startmoleküle für die Synthese der viralen mRNAs benutzt (cap stealing), ähnlich wie bei Influenzaviren. Beim Zusammenbau der Viruspartikel werden Ribosomen der Wirtszelle und virale Antigenom-RNAs mitverpackt. Das Verhältnis von S- zu L-Segmenten ist variabel. Bei Doppelinfektion mit zwei unterschiedlichen Arenaviren können Viruspartikel mit einer Mischung von Genomsegmenten entstehen (reassortment; Influenzaviren, Virusinfektion).
E.S.
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