Lexikon der Biologie: Benzodiazepine
Benzodiazepine, Psychopharmaka, die als Tranquilizer mit sedierender muskelrelaxierender (zentrale Muskelrelaxantien), antikonvulsiver (Antiepileptika) und anxiolytischer (Anxiolytika) Wirkung eingesetzt werden. Die Wirkung der Benzodiazepine beruht auf der Förderung der durch GABA (γ-Aminobuttersäure) vermittelten synaptischen Hemmung. Die Bindungsstelle der Benzodiazepine liegt auf der α-Untereinheit des GABAA-Rezeptors (ein ligandengesteuerter Kanal für Chloridionen; GABA-Rezeptor-Kanäle), die bei Bindung der Benzodiazepine die Konfiguration des GABAA-Rezeptors so ändert, daß dieser aus einem "low-affinity"- in einen "high-affinity"-Zustand (high-affinity-receptor) überführt wird, durch den GABA effektiver wirken kann. Benzodiazepine erhöhen demnach nicht die Dauer, sondern die Frequenz der Öffnung des Chloridionenkanals nach einer Stimulation durch GABA. Ein endogener Ligand für den Benzodiazepin-Rezeptor ist noch weitgehend unbekannt, wobei es Hinweise darauf gibt, daß es sich um ein Peptid aus 18 Aminosäuren handeln könnte, das die Wirkung von Benzodiazepinen und GABA antagonisiert und dadurch angstauslösend wirkt ("Angstpeptid"; Angst). Flumazenil, ein kompetitiver Antagonist, hat keine intrinsische Aktivität, verhindert jedoch die Bindung der Benzodiazepine an den Rezeptor und wird klinisch bei Benzodiazepin-Intoxikationen eingesetzt. Benzodiazepin-Rezeptoren sind im gesamten Zentralnervensystem vorhanden, besonders konzentriert jedoch im frontalen und occipitalen Cortex (Hirnrinde), im Hippocampus und im Kleinhirn (allgemein wird das limbische System als Angriffsort der Benzodiazepine angesehen). Chemisch lassen sich die Benzodiazepine in 1,5-Benzodiazepine (einziger Vertreter ist das Clobazam) und 1,4-Benzodiazepine (mit allen anderen Vertretern) einteilen ( vgl. Abb. ). Die Metabolisierung der meisten Benzodiazepine erfolgt in der Leber durch Demethylierung oder Hydroxylierung, wobei die demethylierten Formen (vor allem N-Desmethyldiazepam, der primäre Metabolit vieler Benzodiazepine) noch ähnliche Wirkungen wie die Ausgangsprodukte haben können. Da die Metabolite eine längere Halbwertszeit als die Ausgangsprodukte haben können (z. B. hat Nordazepam eine Halbwertszeit von 30–90 h), besteht bei Daueranwendung die Gefahr der Kumulation. Bei chronischer Anwendung kommt es zur Gewöhnung und psychischen Abhängigkeit (Sucht). Plötzliches Absetzen der Benzodiazepine führt zu einer "Rebound"-Reaktion, d. h., Beschwerden, derentwegen Benzodiazepine angewendet wurden (Ruhelosigkeit, Schlafstörungen), treten verstärkt auf (physische Abhängigkeit). Als Schlafmittel verwendet, unterdrücken Benzodiazepine (im Gegensatz zu Barbituraten) nicht die REM-Phase (Schlaf) und wirken bei Überdosierung nicht narkotisch. Weitere Anwendungsgebiete neben der Schlaflosigkeit sind ausgeprägte krankhafte vegetativ-nervöse Reaktionen, Angst-, Spannungs- und Verstimmtheitszustände sowie Reizbarkeit. Die ständige Zunahme dieser Symptomatik innerhalb unserer hochtechnisierten Zivilisationsgesellschaft erklärt die große Produktpalette der Benzodiazepine und die weltweite Spitzenstellung bei den verordneten Psychopharmaka und Medikamenten überhaupt. Einige der wichtigsten Benzodiazepine sind: Chlordiazepoxid (Librium®, erstes Präparat dieser Reihe), Diazepam (Valium®, weitverbreiteter Tranquilizer), Clonazepam (Antiepileptikum), Bromazepam, Oxazepam und Medazepam (Anxiolytika), Nitrazepam und Flurazepam (Schlafmittel), Tetrazepam (zentrales Muskelrelaxans). GABA-Rezeptorantagonisten.
M.L./R.Ma.
Lit.:Bergmann, H., Fitzal, S., Kapp, W., Steinbereithner, K. (Hrsg.): Benzodiazepine – Klinische Bedeutung und Anwendung. München 1987.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.