Lexikon der Biologie: Blätterpilze
Blätterpilze, Lamellenpilze (Ordnungen Agaricales und Russulales), artenreichste Gruppe der Ständerpilze, Hymenomycetes (Homobasidiomycetes,Homobasidiomycetidae). In einigen taxonomischen Einteilungen werden die Agaricales und Russulales mit der Ordnung Boletales (Röhrlinge) in der Überordnung Agaricanae zusammengefaßt, da zwischen den 3 Ordnungen verwandtschaftliche Beziehungen bestehen. Zu den Blätterpilzen gehören die meisten, dem Laien als "Schwämme" bekannten Wald-, Wiesen- und Feldpilze; in Europa ca. 2500 Arten; die Gesamtzahl wird auf ca. 10 000 Arten geschätzt; sie kommen in allen Klimazonen vor. Blätterpilze sind meist in zentralen Stiel ( ä vgl. Abb. ) und hutförmigen Fruchtkörper gegliedert. Als gemeinsames Merkmal besitzen sie an der Unterseite des Hutes radial verlaufende Lamellen (Blätter; ä vgl. Abb. ). Im Innern der Lamellen befindet sich ein lockeres Hyphengeflecht, die Trama (Farbtafel Pilze I); nach außen schließt sich das Subhymenium an, das aus kürzeren, gedrungenen Zellen besteht. Beide Außenseiten der Blätter sind von einem Hymenium bedeckt, das sich hauptsächlich aus Basidien unterschiedlicher Reife zusammensetzt; zwischen den Basidien stehen noch etwa gleichgroße, sterile Zellen (Pseudoparaphysen), die je nach Form und Entwicklung unterschiedlich benannt werden, und größere Zellen (Cystidien), die über die Basidien hinaus zur nächsten Lamelle reichen können; dadurch werden der Lamellenabstand eingehalten und die Ausbreitung der Basidiosporen begünstigt. Das Hymenium wird überwiegend als halbfreie Fruchtschicht (hemiangiokarp; gymnokarp) ausgebildet. In jungen Fruchtkörpern ist sie in einer Ringhöhle angelegt; bei der Reife reißen die Hüllen um die Anlage auf, so daß das lamellenförmige Hymenium frei liegt. Im einfachsten Fall wird das jung angelegte Hymenium durch den anfangs stark eingerollten Hutrand geschützt. Eine besondere Schutzhülle (Velum) ist nur bei ganz jungen Pilzen oder gar nicht vorhanden (z. B. Trichterlinge, Rüblinge, Helmlinge und viele Ritterlinge). Bei vielen Gattungen wird das junge Hymenium durch das Velum geschützt. Es kann als Teilhülle (Velum partiale) zwischen Hut und Stiel liegen ( ä vgl. Abb. ); oft bleibt es als Ring oder faserige Ringzone (Cortina) am Stiel zurück. Das Velum kann auch den ganzen jungen Fruchtkörper umschließen (Velum universale). Beim Strecken des Fruchtkörpers bleiben die Reste oft als Hautfetzen auf dem Hut (z. B. Knollenblätterpilze) und als häutige Teilhülle, als Ring (Anulus inferus), Manschette oder Kragen, am Stiel zurück (z. B. Champignonartige Pilze, viele Schirmlinge und einige Ritterlinge). Die häutige Teilhülle kann auch am Hutrand hängenbleiben. Eine fädige Teilhülle findet sich bei den Schleierlingen und den verwandten Pilzen. Bei einigen Arten (z. B. Kuhmaul; Gelbfüße) verschleimt das Velum, so daß bei jungen Pilzen eine dicke Schleimschicht zwischen Hut und Stiel liegt. – Unter den Blätterpilzen finden sich zahlreiche Arten mit eßbaren, wohlschmeckenden Fruchtkörpern (Speisepilze), aber auch tödlich giftige Vertreter (Giftpilze) oder Rauschpilze. Zahlreiche Blätterpilze leben als Fäulnisbewohner, viele symbiontisch als Mykorrhizapilze (Mykorrhiza) mit Höheren Pflanzen (z. B. Waldbäumen); es gibt unter ihnen auch Parasiten an Holz oder auf Blättern. Einige wichtige äußere Bestimmungsmerkmale der Blätterpilze sind Sporenfarbe, Hutform, Lamellenansatz, Stielform, Fruchtkörpertyp und die Form der Hüllreste. Zur eindeutigen Unterscheidung der Blätterpilze müssen jedoch auch oft anatomische Merkmale und chemische Farbreaktionen berücksichtigt sowie biochemische Untersuchungsmethoden angewandt werden. Zur Bestimmung des Verwandtschaftsgrades dienen heute auch verstärkt molekulargenetische Methoden. – C. von Linné hatte alle Blätterpilze in nur einer Gattung, Agaricus, zusammengefaßt ("Species plantarum", 1753). Der schwedische Mykologe E. Fries unterteilte die Blätterpilze in mehrere Gattungen. In seinem Werk "Systema mykologicum" (1821), das allgemein als Ausgangspunkt für die systematische Einteilung dient, und in seinem Hauptwerk "Hymenomycetes europaei" (1874) werden die Blätterpilze hauptsächlich nach der Sporenfarbe und morphologischen Gesichtspunkten gegliedert. A. Ricken hat in seinem Standardwerk "Blätterpilze" (1910–15), in dem ca. 1400 Arten aufgeführt sind, besonders mikroskopische Merkmale, aber auch noch die Sporenfarbe zur Einteilung benutzt. Früher wurden auch die Röhrenpilze (Boletales) bei den Agaricales eingeordnet. Heute ist die Unterteilung stark verändert, da versucht wird, die frühere künstliche Gruppierung durch eine Einteilung nach der natürlichen Verwandtschaft zu ersetzen. So werden die Gattungen der Ordnung Russulales auch in der Familie Russulaceae in der Ordnung Agaricales eingeordnet (Hymenomycetes). Nach M. Moser (1983) werden die Agaricales in 11 Familien und 172 Gattungen und die Russulales in 1 Familie mit 6 Gattungen unterteilt ( ä vgl. Tab. ). ä Blätterpilze .
G.S.
Lit.: Handbuch für Pilzfreunde. Bd. 3: Blätterpilze – Hellblättler und Leistlinge. Stuttgart 41987. Bd. 5: Blätterpilze – Milchpilze und Täublinge. Stuttgart 21983. Krieglsteiner, G.J.: Verbreitungsatlas der Großpilze Deutschlands (West). Bd. 1, Teil B: Blätterpilze. Stuttgart 1991. Moser, M.: Die Röhrlinge und Blätterpilze. Stuttgart 51983. Sitte, P. u. a.: Strasburger, Lehrbuch der Botanik, Stuttgart 341998.
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