Lexikon der Biologie: Cholesterin
Cholesterin s [von *chole –, griech. stear = Fett], Cholesterol, C27H46O, ein vom Steroidgerüst (Steroide) abgeleiteter ungesättigter, farb-, geruch- und geschmackloser Alkohol (Steroidalkohol), das mengenmäßig bedeutendste Zoosterin (Sterine). Cholesterin kommt in fast allen tierischen Fetten vor. Besonders angereichert ist Cholesterin in Gallensteinen (bis 90%), aus denen es schon 1788 erstmals isoliert wurde, in der Hirnmasse (bis 10% der Trockenmasse), in der Haut (24% des Hautfettes), in Nebennieren, Ei-Dotter und Wollfett (Lanolin). Cholesterin wurde in geringer Menge auch in pflanzlichem Material (Kartoffelkraut, Pollen, isolierte Chloroplasten) und in Bakterien gefunden. Cholesterin wird überwiegend mit der Nahrung aufgenommen (exogen), und zwar über Nahrungsmittel tierischer Herkunft (insbesondere Eigelb, Butter, Innereien, aber auch Muscheln, Krabben). Soweit Tiere über die Möglichkeit einer Cholesterin-Biosynthese verfügen (Wirbeltiere), erfolgt der Aufbau aus 3 C2-Einheiten (Acetyl-Coenzym A) über Squalen ( vgl. Abb. ). Die Syntheseschritte dieser endogenen Cholesterinbildung laufen im endoplasmatischen Reticulum (ER) ab; Hauptbildungsorte sind die Leber und der Darm. Ein Erwachsener bildet bei cholesterinarmer Ernährung etwa 800 mg Cholesterin pro Tag. Die Cholesterinsynthese hängt von der Menge Cholesterin ab, die in der Zelle vorliegt (zum Cholesterinspiegel und zu den Regulationsmechanismen: vgl. Infobox ). Diese Rückkopplungsreaktion wird durch die Änderung von Menge und Aktivität eines bestimmten Enzyms (3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reductase, katalysiert die Mevalonatsynthese, die Schrittmacherreaktion der Cholesterinsynthese; Mevalonsäure) gesteuert. Insekten und Krebstiere, wahrscheinlich alle Gliederfüßer, sind nicht in der Lage, Cholesterin zu synthetisieren. – Dem Cholesterin werden im Körper eine Reihe von Funktionen zugeschrieben. 1) Cholesterin ist häufig Bestandteil tierischer Zell-Membranen, insbesondere von Nervenzellen ( vgl. Infobox ). Als amphipathisches Molekül mit einem durch die Hydroxylgruppe bedingten polaren Ende und dem lipophilen Hauptteil des Moleküls (starrer planarer Steroidring und unpolarer Kohlenwasserstoffschwanz) kann sich Cholesterin in ähnlicher Orientierung wie Phospholipide und andere amphipathische Membranmoleküle in Membrandoppelschichten (bimolekulare Lipidschicht) einlagern. Die Hydroxylgruppe bildet eine Wasserstoffbrücke zu einem Carbonylsauerstoffatom einer Phospholipidkopfgruppe aus, der lipophile Kohlenwasserstoffschwanz legt sich in den unpolaren Kern der Doppelschicht, parallel zu den Fettsäureschwänzen der Membranlipide. Bei Eukaryoten ist das Cholesterin der Hauptregulator der Membranfluidität: durch sterische Hinderung wird die Beweglichkeit der Fettsäureketten gehemmt, die Membranfluidität wird eingeschränkt. Durch die Wechselwirkung des Cholesterins mit den ersten zwei CH2-Gruppen der Kohlenwasserstoffketten der Phospholipidmoleküle wird die Durchlässigkeit der Membran für kleine wasserlösliche Moleküle herabgesetzt. Cholesterin wirkt auch Kristallisationsprozessen der Kohlenwasserstoffketten entgegen und verhindert somit mögliche Phasenübergänge. 2) Cholesterin ist Ausgangsprodukt für die Bildung zahlreicher anderer Steroide, darunter vieler Hormone (Steroidhormone), der Steroid-Alkaloide, der Calciferole (Vitamin D) sowie der Gallensäuren. Der Sterolring des Cholesterins kann nicht abgebaut werden; daher wird das Cholesterin zur Leber transportiert und dort teilweise in Gallensäure umgewandelt oder unverändert über die Galle in den Darm ausgeschieden. Gallensäuren und ihre Salze sind relativ hydrophile Cholesterinderivate, die bei der Fettverdauung mitwirken. Durch den enterohepatischen Kreislauf werden die Gallensäuren zu etwa 90% aus dem Dünndarm rückresorbiert und gelangen über Pfortaderblut zur Leber, so daß diese nur wenig Gallensäuren neu herstellen muß. Durch Veresterung von Cholesterin mit langkettigen Fettsäuren mit Hilfe des Enzyms Acyl-CoA-Cholesterin-Acyltransferase entstehen in der Leber die in tierischen Geweben weit verbreiteten Cholesterin-Ester, die dort gespeichert werden und in andere Gewebe, die Cholesterin benötigen, transportiert werden. Mit den hämolytisch wirkenden Saponinen bildet Cholesterin Additionsverbindungen, wodurch die Saponineentgiftet (Entgiftung) werden. 3)Ein wichtige Aufgabe des Cholesterins liegt in der Steuerung embryonaler Entwicklungsvorgänge (Gewebeorganisation). Dieser ursächliche Zusammenhang wird durch eine Reihe von Beobachtungen gestützt: Während der Embryonalentwicklung werden bestimmte Proteine durch die Verknüpfung mit einem Cholesterinmolekül zu Informationsträgern zwischen Zellen. Bei der Taufliege Drosophila steuert das Protein Sonic Hedgehog (Shh) nach Verknüpfung mit einem Cholesterinmolekül die Reifung mehrerer Organe, insbesondere die Ausbildung von Extremitäten und Neuralstrukturen. Mäuse ohne funktionierendes Shh-Gen zeigen neben Entwicklungsstörungen der Skelettausbildung und des Neuralrohrs äußere Defekte im Prozeß der Ausbildung der Augen und des Nasenbereichs (Unfähigkeit zur Ausbildung bilateraler Strukturen). Die Geburt zyklopischer Lämmer in den frühen 1960er Jahren wird auf die kalifornische Kornlilie zurückgeführt, die die Mutterschafe gefressen hatten. Diese Pflanze enthält Toxine, die vermutlich die Bewegung des Cholesterins in der Zelle und damit die Erkennung des Shh-Signalproteins stören. Beim Menschen kennt man derartige Mißbildungen des Gesichts unter dem Begriff Holoprosencephalie. Bei einem rezessiven Erbleiden des Menschen, dem Smith-Lemli-Opitz-Syndrom (komplexes Fehlbildungssyndrom mit Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Entwicklung, sichtbare Anomalien im Bereich des Gesichts und Genitales), konnte ein Mangel des Enzyms Sterol-Reductase, das den letzten Schritt der endogenen Cholesterinsynthese katalysiert, als Ursache gefunden werden. Die Vorstufe des Cholesterins, 7-Dehydrocholesterin, reichert sich an. Die Blockade eines einzigen Biosyntheseschrittes (ausgelöst durch unterschiedliche Gendefekte am Enzymgen) führt zu einem Mangel an Cholesterin; damit wird die Gewebeorganisation während der Embryonalentwicklung vermutlich gestört. – Bedeutende Beiträge zur Erforschung des Cholesterins leisteten u. a. L. Aschoff, K.E. Bloch, M.S. Brown, M.E. Chevreul, J.W. Cornforth, H.C.P. Dam, O.P.H. Diels, C.O.V. Engler, L. Gmelin, J.L. Goldstein, F.F.K. Lynen, R. Robinson, A.O.R. Windaus, R.B. Woodward. Androgene, Apolipoproteine, Cholesterinspeicherkrankheit, Cholesterylester-Transfer-Protein, Corticosteroide, Endocytose, Lipide, Lipoproteinmetabolismus.
H.K./S.Kl.
Lit.: Holtmeier, H.J.: Cholesterin. Zur Physiologie, Pathophysiologie und Klinik. Berlin 1996.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.