Lexikon der Biologie: Drüsen
Drüsen, Glandulae, Organe mehrzelliger Pflanzen und Tiere, die flüssige, seltener gasförmige oder feste Stoffe (Sekrete) nach außen, in Körperhöhlen (exokrine Drüsen) oder ein Gefäßsystem (endokrine Drüsen) abgeben ( ü vgl. Abb. ). Die Drüsensekrete sind entweder Produkte der Drüsenzellen (Proteine, Mucopolysaccharide, Lipide) oder werden von diesen aus ihrer Umgebung selektiv aufgenommen und angereichert (Mineralsalze, Gase). Häufig erfüllen sie bestimmte Funktionen im Stoffwechsel des betreffenden Organismus selbst (Enzyme, Hormone, Schleim, Schweiß, Sauerstoff, Mineralstoffe), im Rahmen der Brutfürsorge (Eischalen, Milch), dienen als Signal-, Schutz- und Abwehrstoffe (Pheromone, Duftstoffe, Gifte, Öle, Harze, Nektar, Tarnsekrete), werden zu Beutefang und Nahrungserwerb (Nesselkapseln [Cniden], Gifte, Spinnsekrete, Spinnengifte), auch zu hydrodynamischen Zwecken (Gassekretion bei Braunalgen, Hohltieren, Weichtieren, Fischen) und zur Fortbewegung (Gleit- und Schmierschleime, z. B. bei Schnecken) gebraucht oder haben die Aufgabe, Abfallstoffe selektiv aus dem Organismus zu entfernen (Exkretion von Stickstoffverbindungen, Mineralionen, Kohlensäure, Wasser). Drüsensekrete werden häufig als inaktive Vorstufen (Prosekrete) abgeschieden und erst außerhalb der produzierenden Zellen oder gar Drüsen in eine aktive Form überführt, eventuell in Zusammenwirkung mit den Sekreten anderer Zellen. – Drüsen entstehen fast ausschließlich aus Epithelien und können als ein- oder wenigzellige Drüsen in Epithelflächen eingebettet sein (Becherzellen, die meisten äußeren pflanzlichen Drüsen, Drüsenhaare und Hydathoden) oder zur Vergrößerung der sezernierenden Oberfläche als vielzellige Organe unter die Epitheloberfläche absinken und mit dieser nur noch durch einen Ausführgang verbunden bleiben (exokrine Drüsen), sich unter Umständen auch von ihr ganz ablösen (endokrine Drüsen). Je nach Konsistenz des Sekrets lassen sich Drüsen mit flüssigen Sekreten (seröse Drüsen) von solchen mit viskos-schleimigen Sekreten (mucöse Drüsen) unterscheiden. Nach ihrer Gestalt gliedert man die Drüsen in einfache oder verzweigte schlauchförmige, tubulöse Drüsen, in denen alle Zellen an der Sekretbildung teilhaben (Schweißdrüsen, Niere, Leber), in azinöse Drüsen, in denen die Sekretbildung sich auf die kompakten, beerenförmig aufgetriebenen blinden Endstücke der Drüsenkanälchen beschränkt (Ohr- und Bauchspeicheldrüse), und in alveoläre Drüsen mit blasenförmig erweiterten Endstücken, die in exokrinen Drüsen häufig von Myoepithelzellen zum Auspressen des Sekrets umsponnen sind (Milch- und Duftdrüsen der Säuger, Schilddrüse). Während bei den beiden ersten Typen die Sekretbildung und -abgabe kontinuierlich erfolgen, werden die Sekrete in den alveolären Drüsen gespeichert und nur auf besonderen Reiz hin abgegeben. Mischtypen zwischen den genannten Formen sind die zusammengesetzten tubulo-azinösen Drüsen (Zungen- und Unterkiefer-Speicheldrüse der Säuger) und tubulo-alveolären Drüsen (Tränendrüse, Lunge). Drüsen ohne echtes Sekretrohrsystem (Talgdrüsen, Gasdrüsen) oder ohne Ausführungsgänge überhaupt (die meisten endokrinen Drüsen) lassen sich nicht in dieses Schema einordnen. Da endokrine (Hormon-)Drüsen ihre Sekrete (Inkrete) unmittelbar an die Blutbahn abgeben, bestehen sie meist aus kompakten Gruppen dicht von Blutkapillaren umsponnener Epithel- oder Nervenzellen. Ausnahmen bilden bei Wirbeltieren die Schilddrüse und der Hypophysen-Zwischenlappen, beides alveoläre Drüsen, die aus exokrinen Drüsen (Endostyl, Rathkesche Tasche) entstanden sind. Die Vielgestaltigkeit tierischer Drüsentypen findet kein Äquivalent im Pflanzenreich, wo einfache intraepitheliale Drüsen (Drüsenschuppen, Drüsenhaare, Emergenzen) vorherrschen, während die pflanzlichen inneren Drüsen sich gewöhnlich als holokrine Harz- und Öldrüsen aus Parenchymzellen differenzieren und ihre Sekrete (Öle, Harze, Gummi, Schleime) in Interzellularräume abscheiden, die ähnlich wie in tierischen Talgdrüsen durch Absterben oder Auseinanderweichen der Drüsenzellen entstehen und als schizogene Sekretbehälter oder Harzgänge die ganze Pflanze durchziehen können. – Nach Art der Sekretfreisetzung unterscheidet man Drüsenzellen, die sekreterfüllt absterben und in einen Sekretbrei umgewandelt werden (holokriner Typ der Talgdrüsen und Haarbälge), von solchen, deren Zellkörper nur teilweise in die Sekretabsonderung einbezogen ist (merokriner Typ). Die letzteren sind immer polar gebaut (Aufnahme- und Abgabeseite) und schnüren entweder ihre sekretgefüllten Zellkuppen bzw. membranumgebene, lichtmikroskopisch erkennbare Sekretbläschen ab (apokrine Sekretion besonders von Lipiden bei Milch-, Duft- und Axillardrüsen), oder die Sekretion erfolgt ohne lichtmikroskopisch sichtbaren Verlust von Zellplasma und -membranen (ekkriner Typ) durch Exocytose (Proteinsekretion, bei Schleim-, Speichel- und Verdauungsdrüsen) oder aktiven Transport (Gasdrüsen, Nieren). Bei der apokrinen Sekretion erfolgt die Sekretausscheidung der einzelnen Zellen in Rhythmen; es wechseln Sekretionsphasen mit Ruhephasen ab, in denen die durch Plasma- und Membranverlust erschöpften Zellen regeneriert werden müssen. – Die auf lichtmikroskopischen Befunden basierende Einteilung der Drüsen nach Sekretionstypen ( ü vgl. Abb. ) geriet vielfach in Widerspruch zu späteren elektronenmikroskopischen Befunden, was einen uneinheitlichen und oft verwirrenden Gebrauch der Begriffe merokrin, apokrin und ekkrin zur Folge hatte. Manche Autoren benutzen merokrin und ekkrin synonym, was sprachlich inkorrekt ist; andere betrachten merokrin und apokrin als gleichwertig. Zur Lösung dieses Dilemmas wurde der Begriff granulokrin für die exocytotische Sekretausschleusung vorgeschlagen (bis heute ungebräuchlich). – Die Feinstruktur von Drüsenzellen ist nicht einheitlich, sondern hängt von der Art des Sekrets ab. Die meisten Drüsenzellen sind reich an Mitochondrien. Schleim- und proteinsezernierende Drüsenzellen besitzen zusätzlich ein wohlausgebildetes rauhes endoplasmatisches Reticulum (Ergastoplasma) und einen umfangreichen Golgi-Apparat mit zahlreichen, meist apikal angehäuften Sekretgranula, wohingegen ionen- und flüssigkeitssezernierende Drüsenzellen sich gewöhnlich durch ein stark entwickeltes glattes endoplasmatisches Reticulum und Oberflächenvergrößerungen in Form von Mikrovilli und basalem Labyrinth auszeichnen. Während Organe wie Nieren (Exkretionsdrüsen), Lunge und Leber ihrer Funktion, Struktur und Entstehung nach echte Drüsen sind, ist der Begriff "Keimdrüsen" namentlich für Eierstöcke (Ovar) und Hoden bei Wirbeltieren inkorrekt, da die Keimorgane der Tiere gewöhnlich nur Komplexe von Nährgeweben und endokrinen Zellgruppen darstellen, innerhalb deren die von außen eingewanderten Entwicklungsstadien der Keimzellen sich nur vermehren und reifen, ehe sie als lebende Zellen nach außen abgegeben werden. Bernard (C.), carnivore Pflanzen, Heidenhain (R.P.H.), Müller (J.P.).
P.E.
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