Lexikon der Biologie: extrazelluläre Matrix
extrazelluläre Matrixw [von extrazellulär, latein. matrix = Gebärmutter, Mutterboden], Abk. EZM,EM,1) Botanik: in der neueren Forschungsliteratur bei Pflanzen verwendete Bezeichnung für die pflanzliche Primärwand. Der Name „extrazelluläre Matrix“ soll im Gegensatz zu „Zellwand“ die Dynamik der Primärwand und ihre essentielle Bedeutung für viele Differenzierungs- und Entwicklungsprozesse sowie bei der Signaltransduktion und der Pathogenabwehr (pflanzliche Abwehr) betonen. Tatsächlich sind die Primärwände von Pflanzenzellen häufig kaum dicker als die Basallamina von Säugetierepithelzellen (Epithel) und weisen wie diese eine Multi-Netzwerk-Struktur auf. Sehr reißfeste parakristalline Cellulose-Mikrofibrillen (Cellulose) sind in eine Matrix aus langkettigen Polysacchariden und Proteinen eingebettet. 2) Zoologie: Interzellularsubstanz, Interzellularmatrix, komplexes Netzwerk sezernierter Proteine und Kohlenhydrate, das den Raum zwischen den Zellen von Wirbeltieren füllt. Mit eingelagerten Zellen bildet die EZM das Bindegewebe. Die Basalmembran (Basallamina) ist ein spezialisierter Teil der EZM, die Epithelzellen (Epithel) unterlagert und eine flexible, dünne Grenzschicht zwischen Epithelzellen und Bindegewebe bildet. Die EZM ermöglicht die Verankerung von Zellen, den Zusammenhalt und die Verformbarkeit von Geweben und vermittelt Signale für Zell-Bewegung, Wachstum und Differenzierung. Sie dient als Depot für Wachstumsfaktoren wie heparinbindendes bFGF (fibroblast growth factor) und VEGF und reguliert deren Aktivität. In der Embryonalentwicklung (Abb.), wenn Zellen und Zellgruppen migrieren und ihre Lage verändern, finden Auf-, Um- und Abbauvorgänge in der EZM statt. Im erwachsenen Organismus wird die EZM in der Wundheilung, bei der Angiogenese, bei Entzündungen sowie bei der Metastasierung verändert. In diese lokalen Prozesse der EZM-Umbildung sind extrazelluläre Proteasen, vor allem Metallo- und Serinproteasen, sowie entsprechende Proteinase-Inhibitoren involviert. Durch Einlagerung von Calcium (Biomineralisation) vermittelt die EZM die harte Knochen- (Knochen) oder Zahnstruktur (Zähne). Sie kann zur klaren Matrix der Augen-Hornhaut ausgebildet werden oder durch besondere Organisation ihrer Bestandteile den Sehnen deren Festigkeit verleihen. – Die Komponenten der EZM werden durch die Bindegewebszellen, vor allem Fibroblasten und Fibroblastenabkömmlinge, gebildet. Die EZM besteht aus einem stark hydratisierten, gelartigen Grundgerüst, das aus negativ geladenen Polysaccharidketten, den Glykosaminglykanen (Mucopolysaccharide), aufgebaut wird, die – außer der Hyaluronsäure – kovalent an Protein gebunden sind und die Proteoglykane bilden. Diese Gele beanspruchen viel Raum, verleihen der Matrix Druckfestigkeit und erlauben die Diffusion von Nährstoffen, Metaboliten und Hormonen zwischen Blut und Gewebezellen. Proteoglykane werden auch auf der Oberfläche von Zellen gefunden, wo sie als sog. Corezeptoren fungieren, die den Zellen helfen, an die EZM zu adhärieren oder Wachstumsfaktoren zu binden, was teilweise erst Rezeptoraktivierung oder juxtakrine Wachstumskontrolle ermöglicht. In die gelartige EZM-Grundsubstanz sind strukturgebende Kollagene und Elastin sowie adhäsive Proteine wie Fibronektin, Laminin, Tenascin und Vitronektin eingelagert. Fibrilläre Kollagene (Typ I, II, III, V, XI) verleihen Geweben wie der Haut ihre Zugfestigkeit (Biomechanik). Fibrillenassoziiertes Kollagen (Typ IX und XII) bindet an die Oberfläche von Kollagenfibrillen und beeinflußt die Wechselwirkung der Fibrillen miteinander oder mit der EZM. Elastin, das ein Netzwerk von Fibrillen bildet, ermöglicht Geweben und Organen wie der Haut, Blutgefäßen und der Lunge ihre elastische Verformbarkeit. Die adhäsiven Proteine vermitteln Kontakte zwischen der EZM und Zellen (Substratadhäsion; SAM) und beeinflussen Zellbewegung, -gestalt und -verhalten. Im Embryo werden teilweise andere adhäsive Proteine exprimiert als im adulten Organismus. In der Plasmamembran von Zellen finden sich Rezeptorstrukturen, sog. Adhäsine, für Signalsequenzen von EZM-Proteinen: Integrine binden z.B. die Tripeptidsequenz –Arg–Gly–Asp– (RGD-Sequenz), Selektine Kohlenhydratanteile von EZM-Proteinen, CD44 (CD-Marker) bindet Hyaluronsäureanteile von Proteoglykanen.
L.H./M.B.
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