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Lexikon der Biologie: Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, Abk. FFH-Richtlinie, Richtlinie 92/43/EWG des Rates (der Europäischen Gemeinschaften) vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere (Fauna) und Pflanzen (Flora). Ziel der Richtlinie ist der Schutz der biologischen Vielfalt (Biodiversität) in Europa, d.h. einen „günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen“ (Art. 2(2)). Dafür soll ein europäisches „kohärentes“ System besonderer Schutzgebiete mit dem Namen Natura 2000 ausgewiesen werden. Zu diesem Netz von Schutzgebieten gehören auch die Schutzgebiete nach der europäischen Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG). Das Meldeverfahren nach Vogelschutzrichtlinie und FFH-Richtlinie bleibt jedoch getrennt, weshalb es in der FFH-Richtlinie keine Vogelarten gibt. Erst mit ihrer Ausweisung unterliegen beide Schutzgebietskategorien den Bestimmungen der FFH-Richtlinie. Art. 4 regelt das Verfahren zur Auswahl der Schutzgebiete nach FFH-Richtlinie in Verbindung mit den Auswahlkriterien des Anhangs III: Danach werden die Gebiete zunächst vom Mitgliedsstaat (in Deutschland von den Bundesländern) nach vorgegebenen, rein naturschutzfachlichen Kriterien ausgewählt. In einem zweistufigen Bewertungsverfahren werden die Gebiete zunächst auf nationaler Ebene beim Bundesamt für Naturschutz bewertet und danach auf gemeinschaftlicher Ebene durch das ETC/NC (Europäische Thematische Zentrum in Paris) in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission. Für die gemeinschaftliche Bewertung dienen 6 sog. biogeographische Regionen als Bezugsraum (boreale, atlantische, kontinentale, alpine, mediterrane und makaronesische Region). – Gebiete müssen zum Schutz von Lebensraumtypen (im Prinzip Biotoptypen, Anhang I der Richtlinie) und für Arten gemeinschaftlicher Bedeutung (Anhang II) ausgewählt werden. In Anhang I sind ca. 250 Lebensraumtypen genannt, wovon ca. 85 in Deutschland vorkommen, in Anhang II sind ca. 550 Arten (davon ca. 90 in Deutschland) genannt. Sogenannte „prioritäre“ Arten und Lebensraumtypen (in den Anhängen mit * gekennzeichnet, vgl. Tab. ) unterliegen besonderem Schutz, und sie werden bevorzugt bei der gemeinschaftlichen Auswahl berücksichtigt. Die Anhänge können an den wissenschaftlich-technischen Fortschritt angepaßt werden und sind mit Richtlinie 97/62/EG im Jahr 1997 erstmals novelliert worden. Die Besonderheiten der FFH-Richtlinie liegen in der breiten Auswahl von Lebensraumtypen, darunter auch fast alle in Mitteleuropa verbreiteten Waldtypen, in einer konsequent an den jeweiligen Schutzgütern der Anhänge orientierten Verträglichkeitsprüfung (Art. 6) und dem Biotopverbundgedanken (Kohärenz und Funktionalität des Netzes und verbindende Landschaftselemente, Art. 10). Anders als bei den klassischen deutschen Schutzgebietstypen wie z.B. den Naturschutzgebieten ist nicht das gesamte gemeldete Gebiet gleichermaßen geschützt sondern nur die Vorkommen der jeweiligen Arten und Lebensraumtypen der Anhänge im Gebiet. Allerdings gilt dieser Schutz auch bei Einwirkungen von außen auf das Gebiet. Beim Europarat gibt es im Rahmen der Berner Konvention inzwischen ein analoges Schutzgebietssystem Emerald, das in enger Abstimmung mit der FFH-Richtlinie weiter entwickelt wird. – Die besondere Verträglichkeitsprüfung der FFH-Richtlinie (nicht zu verwechseln mit der sogenannten Umweltverträglichkeitsprüfung, UVP, UVS) umfaßt Pläne und Projekte, die ein FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen könnten, d.h., die Vermutung ist ausreichend, um die Prüfung auszulösen. Für Eingriffe sind nur bestimmte, genau definierte Ausnahmen zugelassen, bei prioritären Arten oder Lebensraumtypen sind im wesentlichen nur Gesundheit und öffentliche Sicherheit (Verteidigung) möglich. Sonstige Gründe bedürfen dann der Einholung einer Stellungnahme der EU-Kommission. Alternativen (Standortalternative, Alternative Projektausführung) müssen geprüft werden, und ein Ausgleich hat sich nach der Funktionalität des Netzes Natura 2000 zu richten. Es ist also kein finanzieller Ausgleich oder Ersatz möglich, und die Ausgleichsmaßnahmen (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) müssen vor Durchführung des Eingriffs (Eingriffsregelung) wirksam werden. – Ein weiterer Teil der FFH-Richtlinie (Art. 12–16) beschäftigt sich mit klassischen Artenschutzregelungen (Verbot von Handel, Störung der Habitate, Verfolgung, Tötung usw.; Artenschutz, Artenschutzabkommen). Im Anhang IV sind daher streng geschützte Tier- und Pflanzenarten aufgelistet, im Anhang V zusätzlich wirtschaftlich nutzbare Arten, die einen Managementplan erfordern (z.B. die Arzneipflanze Arnika). – Als modernes supranationales Naturschutzrecht fehlt es in der FFH-Richtlinie nicht an verbindlich vorgeschriebenen Erfolgskontrollen, den sog. Berichtspflichten. Danach müssen alle 2 Jahre die erteilten Ausnahmen von den Artenschutzregelungen mitgeteilt werden (Art. 16), alle 6 Jahre ist ein ausführlicher öffentlicher Durchführungsbericht vorzulegen, welcher u.a. den Erhaltungszustand der Arten und Lebensraumtypen bewerten soll. Darüber hinaus gibt es eine Verpflichtung zum Monitoring (Umweltüberwachung) aller Lebensraumtypen und Arten der Anhänge (I, II, IV und V) auch außerhalb der gemeldeten Natura-2000-Gebiete. – Die Gebiete nach FFH-Richtlinie müssen europaweit einheitlich in einem Standardmeldebogen (Entscheidung 97/266/EG) mit Karte der Abgrenzung und unter Offenlegung der Bewertungen an die Kommission gemeldet werden. Dafür war eine Frist bis Juni 1995 vorgesehen. Die Bundesrepublik Deutschland hat erst 1998 die Umsetzung der FFH-Richtlinie in Bundesnaturschutzgesetz (§19 ff.) erreicht und bis heute keine vollständige Gebietsliste gemeldet. Sie wurde daher wegen nicht ausreichender Meldungen vor dem Europäischen Gerichtshof angeklagt. Anfang 2000 waren von Deutschland in einer ersten Meldetranche rund 1100 Gebiete mit ca. 1,7% der Landesfläche gemeldet, während viele andere Mitgliedsstaaten bereits Flächenanteile von über 10% gemeldet haben. Die bisherigen deutschen Meldungen beziehen sich vor allem auf bereits bestehende Schutzgebiete (Nationalparke, Naturschutzgebiete). Eine sog. 2. Meldetranche ist von den Bundesländern in Vorbereitung. Die FFH-Richtlinie schützt nicht nur natürliche und naturnahe Biotoptypen, sondern in großem Umfang auch schutzwürdige Kulturbiotope. Daher müssen nach Ausweisung für die Gebiete Pflege- und Entwicklungspläne (Managementpläne Art. 6) aufgestellt werden.

A.S.

Lit.:Ssymank, A., Hauke, U., Rückriem, C., Schröder,E. unter Mitarbeit von D. Messer (1998): Das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000. – BfN-Handbuch zur Umsetzung der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) und der Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG). – Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg, 560 S. Rückriem, C., Roscher, S. (1999): Empfehlungen zur Umsetzung der Berichtspflicht gemäß Artikel 17 der FFH-Richtlinie. – Schr.r. Angewandte Landschaftsökologie 22, 456 S., Bonn-Bad Godesberg. Gellermann, M. (1998): Natura 2000 – Europäisches Habitatschutzrecht und seine Durchführung in der Bundesrepublik Deutschland. – Schr.r. Natur u. Recht, Bd. 4. Baumann, W., Biedermann, U., Breuer, W., Herbert, M., Kallmann, J., Rudolf, E., Weihrich, D., Weyrath, U. & A. Winkelbrandt (1999): Naturschutzfachliche Anforderungen an die Prüfung von Projekten und Plänen nach § 19c und §19d BNatSchG (Verträglichkeit, Unzulässigkeit und Ausnahmen). – Natur und Landschaft 74(11): 463-472.

Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie

Auszug der prioritären Lebensraumtypen und Arten in Deutschland nach Richtlinie 97/62/EG vom 27. Oktober 1997

Anhang I (Auszug prioritärer Lebensraumtypen)

1150 Lagunen des Küstenraums (Strandseen)
1340 Salzwiesen im Binnenland
2130 Festliegende Küstendünen mit krautiger Vegetation (Graudünen)
2140 Entkalkte Dünen mit Empetrum nigrum
2150 Festliegende entkalkte Dünen der atlantischen Zone (Calluno-Ulicetea)
3180 Turloughs [temporäre Karstseen]
4070 Buschvegetation mit Pinus mugo und Rhododendron hirsutum (Mugo-Rhododendretum hirsuti)
6110 Lückige basophile oder Kalk-Pionierrasen (Alysso-Sedion albi)
6120 Trockene, kalkreiche Sandrasen
6210 Naturnahe Kalk-Trockenrasen und deren Verbuschungsstadien (Festuco-Brometalia) (* besondere Bestände mit bemerkenswerten Orchideen)
6230 Artenreiche montane Borstgrasrasen (und submontan auf dem europäischen Festland) auf Silicatböden
6240 Subpannonische Steppen-Trockenrasen (Festucetalia vallesiacae)
7110 Lebende Hochmoore
7210 Kalkreiche Sümpfe mit Cladium mariscus und Arten des Caricion davallianae
7220 Kalktuffquellen (Cratoneurion)
7240 Alpine Pionierformationen des Caricion bicoloris-atrofuscae
8160 Kalkhaltige Schutthalden der kollinen bis montanen Stufe Mitteleuropas
9180 Schlucht- und Hangmischwälder (Tilio-Acerion)
9190 Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur
91D0 Moorwälder
91E0 Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae)
91F0 Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris)
91G0 Pannonische Wälder mit Quercus petraea und Carpinus betulus [Tilio-Carpinetum]

Prioritäre Arten des Anhangs II

Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides)
Schierlings-Wasserfenchel (Oenanthe conioides)
Bayerisches Federgras (Stipa pulcherrima ssp. bavarica)
Sumpfmaus (Microtus oeconomicus ssp. arenicola)
Hochmoor-Laufkäfer (Carabus menetriesi ssp. pacholei)
Eremit (Osmoderma eremita)
Alpenbock (Rosalia alpina)
Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria)

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Reiner, Dr. Susann Annette (S.R.)
Riede, Dr. habil. Klaus (K.R.)
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Sauermost, Elisabeth (E.Sa.)
Sauermost, Rolf (R.S.)
Schaller, Prof. Dr. Friedrich
Schaub, Prof. Dr. Günter A. (G.Sb.)
Schickinger, Dr. Jürgen (J.S.)
Schindler, Dr. Franz (F.S.)
Schindler, Dr. Thomas (T.S.)
Schley, Yvonne (Y.S.)
Schling-Brodersen, Dr. Uschi
Schmeller, Dr. Dirk (D.S.)
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Schmuck, Dr. Thomas (T.Schm.)
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Schön, Prof. Dr. Georg (G.S.)
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Schwarz, PD Dr. Elisabeth (E.S.)
Seibt, Dr. Uta
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Speck, Prof. Dr. Thomas (T.Sp.)
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Streit, Prof. Dr. Bruno (B.St.)
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Sudhaus, Prof. Dr. Walter (W.S.)
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Vaas, Rüdiger (R.V.)
Vogt, Prof. Dr. Joachim (J.V.)
Vollmer, Prof. Dr. Dr. Gerhard (G.V.)
Wagner, Prof. Dr. Edgar (E.W.)
Wagner, Eva-Maria
Wagner, Thomas (T.W.)
Wandtner, Dr. Reinhard (R.Wa.)
Warnke-Grüttner, Dr. Raimund (R.W.)
Weber, Dr. Manfred (M.W.)
Wegener, Dr. Dorothee (D.W.)
Weth, Dr. Robert (R.We.)
Weyand, Anne (A.W.)
Weygoldt, Prof. Dr. Peter (P.W.)
Wicht, PD Dr. Helmut (H.Wi.)
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Wilker, Lars (L.W.)
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Wülker, Prof. Dr. Wolfgang (W.W.)
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Ziegler, Dr. Reinhard (R.Z.)
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