Lexikon der Biologie: Foraminifera
Foraminifera [von *foraminifer- ], (d´Orbigny 1826), Foraminiferida, Foraminiferen, Porentierchen, Lochträger, Kammerlinge, Thalamophora, artenreiche (rezent ca. 4000 Arten) Ordnung der Wurzelfüßer, die stets ein einfaches oder gekammertes, oftmals recht kompliziert gebautes, mit Poren durchsetztes Gehäuse aufweisen ( vgl. Abb. 1 ). (Nach der phylogenetischen Systematik werden die meisten Vertreter der Foraminifera (ohne die artenarmen Gruppen der Athalamea und Monothalamea) als monophyletische Gruppe Foraminiferea zu den Granuloreticulosea gestellt.) Da vielen Foraminiferen Poren in der Außenschale fehlen, bezieht sich die Bezeichnung „Foraminiferen“ auch auf die Öffnungen in den Kammerscheidewänden. Das Gehäuse ( vgl. Abb. 2 , vgl. Abb. 3 , vgl. Abb. 4 ) besteht aus einer organischen Matrix, der Kalk oder Fremdmaterial (Sand, Schwammnadeln und anderes, manchmal selektiv), selten Kieselsäure, eingelagert werden. Die Schalen erreichen, besonders bei fossilen Arten (Fusulinen, Nummuliten), erstaunliche Größen (20 μm bis 20 cm). Foraminiferen leben im Salzwasser, überwiegend im Meer bis in brackische Bereiche, aber auch in Salzgewässern des Binnenlands und in allen Wassertiefen. Die meisten leben am oder im Meeresboden oder heften sich auf bestimmten Substraten fest. Die Unterordnung Globigerinina Delage & Hérouard, 1896, lebt als einzige von 11 Unterordnungen durchweg planktonisch (Globotruncana). Aus der unterschiedlichen Anzahl und Anordnung der Kammern sowie deren Bau ergibt sich eine ungeheure Formenvielfalt ( vgl. Abb. 2 ). Der Zellkörper erfüllt die Schale und entsendet meist Pseudopodien, die oft anastomosieren, durch spezielle Poren und/oder die Gehäuseöffnung nach außen (Reticulopodien, Rhizopodien). Sie dienen der Fortbewegung und Nahrungsaufnahme. Partikel (Diatomeen, Protozoen, Detritus) bleiben hängen und werden von Plasmaströmungen zum Zellkörper transportiert. Bei vielen Foraminiferen liegt ein Generationswechsel zwischen einer sich generativ fortpflanzenden Gamontengeneration (mikrosphärisch) und einer sich vegetativ fortpflanzenden Agamontengeneration (makrosphärisch) vor. Dies ist der einzige Fall eines heterophasischen Generationswechsels (diphasischer Generationswechsel) im Tierreich. Bei Foraminiferen kommen neben ungeschlechtlicher Vermehrung alle 3 Formen der Sexualität (Gametogamie, Gamontogamie und Autogamie) vor. Einige Arten sind heterokaryotisch (Makro- und Mikronucleus). Die Systematik der Foraminiferen gründet sich zur Zeit allein auf den Schalenbau, was sicher nicht dem natürlichen System entspricht ( vgl. Tab. ). Man unterscheidet formal einkammerige (Monothalamia) vonvielkammerigen Arten (Polythalamia), obwohl sicher viele Arten durch Auflösen der Zwischenwände sekundär einkammerig geworden sind. Heute unterteilt man sie in die 11 Unterordnungen Allogromiina Loeblich & Tappan, 1961, Textulariina Delage & Hérouard, 1896, Fusulinina Wedekind, 1937, Involutinina Hohenegger & Piller, 1977, Spirillinina Hohenegger & Piller, 1975, Miliolina Delage & Hérouard, 1896, Silicoloculinina Resig et al., 1980, Lagenina Delage & Hérouard, 1896, Robertinina Loeblich & Tappan, 1984, Globigerinina Delage & Hérouard, 1896 und Rotaliina Delage & Hérouard, 1896. Manche Arten, besonders die Großforaminiferen, haben Zooxanthellen. Dem hohen Leitwert in der Biostratigraphie – insbesondere bei der Erdölsuche – verdanken die fossilen Foraminiferen den Namen „Öltierchen“. Geologische Reichweite: Unterkambrium bis rezent. Foraminiferenkalk, Foraminiferenmergel, Foraminiferenschlamm; Einzeller I .
S.K./C.G./W.R.
Lit.: Hemleben, Ch., Spindler, M., Anderson, O.R.: Modern Planktonic Foraminifera. Berlin 1989. Rönnfeld, W.: Foraminiferen. Ein Katalog typischer Formen. Tübingen 21999.
Foraminifera
Abb. 1: Einige Gattungen: 1 Dentalina,2 Textularia,3 Miliola,4 Polystomella, 5 Peneroplis,6 Rotalia,7 Globigerina
Foraminifera
Abb. 2: verschiedene Gehäusetypen
Foraminifera
Abb. 3: Die Bildung einer neuen Kammerwand erfolgt in mehreren Schritten (hier als Beispiel Discorbis bertheloti): a Austreten von Plasma, b Abscheidung der neuen Kammer innerhalb des Plasmas, c Zurückziehen des Plasmas.
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