Lexikon der Biologie: Gärung
Gärung, Sammelbezeichnung für Formen des anaeroben energieliefernden Stoffwechsels (Dissimilation, Energiestoffwechsel), bei denen Umwandlungsprodukte der organischen Substrate als Donoren und Akzeptoren von Wasserstoff dienen ( ä vgl. Infobox ). Die Stoffwechselenergie (ATP, Adenosintriphosphat) wird bei diesen Redoxreaktionen direkt an wenigen energiereichen Zwischenprodukten des Abbaus gewonnen (Substratstufenphosphorylierung). In der Regel werden die bei der Substrat-Dehydrogenierung (Dehydrierung) entstehenden Reduktionsäquivalente (Wasserstoffüberträger = NAD[P]H; Nicotinamidadenindinucleotid, Nicotinamidadenindinucleotidphosphat) durch oxidierte organische Zwischenprodukte des Substratabbaues wieder oxidiert (zu NAD[P]+), so daß sie erneut zur Dehydrogenierung des Substrats zur Verfügung stehen und das Redoxgleichgewicht in der Zelle ausgeglichen wird. Die reduzierten Endprodukte (z.B. Alkohole) werden ausgeschieden. Durch diesen nur teilweisen Substratabbau ist der Energiegewinn pro Mol verwertetem Substrat viel geringer als bei der aeroben Atmung, in der das Substrat vollständig zu CO2 + H2O (Kohlendioxid, Wasser) end-oxidiert wird. (Der ATP-Gewinn bei einer Verwertung von Glucose beträgt in der Gärung meist 2–3 mol ATP, in der aeroben Atmung maximal 36–38 mol ATP pro mol Glucose.) In einigen Gärungen können die bei der Oxidation freiwerdenden Elektronen zum Teil auf Protonen (H+) übertragen werden, so daß zusätzlich molekularer Wasserstoff (H2) entsteht, der durch H2-verwertende Bakterien (wasserstoffoxidierende Bakterien) genutzt und somit beseitigt wird (Syntrophismus). Auch exogene organische Substanzen (z.B. Fumarat) oder CO2 (direkt oder indirekt nach einer Fixierung unter Bildung von Oxalacetat) können als Elektronenakzeptor dienen (z.B. bei Succinatgärung, Essigsäuregärung oder Methangärung). Da aber in diesen Stoffwechselwegen primär ein Protonen- bzw. Natrium-Gradient aufgebaut wird, spricht man genauer von einer anaeroben Fumaratatmung oder Carbonatatmung (acetogene Bakterien, Methanbildung, methanbildende Bakterien). – Die Gärungen werden meist nach dem Hauptendprodukt benannt ( ä vgl. Tab. ). Gemeinsames wichtiges Zwischenprodukt vieler Gärungen beim Abbau von Kohlenhydraten (Zuckern) ist Pyruvat (Brenztraubensäure), durch dessen unterschiedlichen Abbau in verschiedenen Mikroorganismen die große Vielfalt der Endprodukte entsteht ( ä vgl. Abb. ). – Der anaerobe tierische Stoffwechsel (Farbtafel) leitet sich von der Glykolyse (Farbtafel) ab, kann aber auch zu verschiedenen Endprodukten führen (Anaerobiose). Häufig wird die Benennung Gärung und Fermentation synonym verwendet. Diese Gleichsetzung ist aber unzweckmäßig und kann irreführend sein, da Fermentationen in der Biotechnologie auch aerobe biologische (enzymatische) Prozesse einschließen. Fälschlicherweise werden meist unvollständige Oxidationen im aeroben Stoffwechsel (z.B. von Essigsäurebakterien) auch als (aerobe) Gärung bezeichnet. – Kürzlich wurde eine neue Gärungsform entdeckt, bei der anorganische Schwefelverbindungen als Elektronendonor und -akzeptor fungieren (anorganische oder chemolithotrophe Gärung; Sulfatreduzierer). – Die Annahme (1836/37), daß die alkoholische Gärung eine biologische Ursache hat, wurde erst allgemein anerkannt, als L. Pasteur durch seine eingehenden Untersuchungen dieser Gärung (1860) und die Entdeckung der Milchsäuregärung (1857) und Buttersäuregärung (1861) ein „Leben ohne Sauerstoff“ beweisen konnte. Bevor sich die biologische Theorie durchgesetzt hatte, wurden Gärungen als chemische Zersetzungen angesehen, als Verwesungen von pflanzlichen Substanzen, an denen der Sauerstoff der Atmosphäre keinen Anteil nimmt und bei denen (im Gegensatz zur Fäulnis) keine unangenehm riechenden Stoffe auftreten. Diese Form der Verbrennungen sollte auf Kosten des Sauerstoffs in der Materie und/oder des Wassers erfolgen (stark modifiziert nach J. von Liebig, 1838). – Bedeutende Beiträge zur Erforschung der Gärung leisteten außerdem u.a. E. Buchner, C. Cagniard de la Tour, H.K.A.S. von Euler-Chelpin, J.L.Gay-Lussac, E.C. Hansen, A. Harden, A.L. de Lavoisier, O.F. Meyerhof, C. Neuberg, T.A.H. Schwann, A.I. Virtanen, O.H. Warburg. anaerobe Nahrungskette, Bier, Darm, Gärgase, Kompost, Mineralisation, Vergärung, Wein; Dissimilation I
Dissimilation II
, Kohlenstoffkreislauf, Stoffwechsel.
G.S.
Gärung
Wichtige Endprodukte in verschiedenen bakteriellen Gärungen, die beim Umbau von Pyruvat, dem wichtigsten Zwischenprodukt bei der Zuckerverwertung, auftreten können. Als Endprodukte sind bei Säuren deren Salze angegeben, wie sie normalerweise im (neutralen) Medium vorliegen. Der Gärtyp wird aber nach der Säure benannt, z.B. Milchsäuregärung, wenn Lactat als Hauptendprodukt auftritt.
Säure/Salze: Propionsäure/Propionat, Essigsäure/Acetat, Buttersäure/Butyrat, Ameisensäure/Formiat, Milchsäure/Lactat.
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