Lexikon der Biologie: Harnstoffzyklus
Harnstoffzyklus, Arginin-Harnstoff-Zyklus, Krebs-Henseleit-Zyklus, Ornithinzyklus, aus 4 Schritten bestehende zyklische Folge von Reaktionen ( vgl. Abb. ), in deren Verlauf Harnstoff aus Ammoniak, Aminstickstoff von Aspartat und Kohlendioxid gebildet wird. Als Zwischenprodukte entstehen dabei Citrullin, Argininosuccinat, Arginin und Ornithin. Der Vorgang ist energiegebunden. Für die Synthese eines Moleküls Harnstoff oder L-Arginin werden 3 Moleküle ATP (Adenosintriphosphat) benötigt und 4 energiereiche Bindungen verbraucht (2 ATP-Moleküle werden zu ADP und anorganischem Phosphat, 1 ATP zu AMP und Pyrophosphat gespalten, letzteres wird zu anorganischem Phosphat hydrolysiert). Die primäre Funktion des Harnstoffzyklus besteht darin, den als Abfall anfallenden Stickstoff in nichttoxischen, löslichen Harnstoff zu überführen, der ausgeschieden werden kann. Der Zyklus dient jedoch nicht nur der Hydrolyse von L-Arginin zu Harnstoff, sondern kann auch – durch Übertragung der Amidingruppe auf Glycin – zur Bildung von L-Ornithin und Guanidinoacetat (dem Vorläufer von Kreatin) herangezogen werden. Eine weitere Funktion ist die Synthese der proteinogenen Aminosäure L-Arginin ( vgl. Abb. ). Der Harnstoffzyklus wurde 1932 als erster zyklischer Prozeß einer Stoffwechselreaktion von H.A. Krebs entdeckt.
Harnstoffzyklus
Der Harnstoffzyklus war in der Evolution primär ein Mechanismus der Synthese von L-Arginin. Bereits bei Prokaryoten können alle Enzyme des Harnstoffzyklus nachgewiesen werden. Seine Bedeutung liegt hier wohl (wie bei anderen „Niederen Tieren“) in der Synthese der Zwischenprodukte, insbesondere Arginin, das als Argininphosphat eine wichtige energiereiche Verbindung bei Wirbellosen darstellt. Alle Tiere (Krebstiere, Insekten, Reptilien), die den Harnstoffzyklus sekundär ganz oder partiell verloren haben (die Eidechse besitzt noch alle Enzyme außer der Ammoniak-abhängigen Carbamylphosphat-Synthetase), benötigen Arginin als essentielle Aminosäure. Bei verschiedenen Tieren (Schnecken, Vögel) ist der im Harnstoffzyklus anfallende Harnstoff kein Abfallprodukt. Sie produzieren ihn sogar in größeren Mengen (mittels einer Glutamin-abhängigen Carbamylphosphat-Synthetase), um ihn anschließend über eine Urease zu Ammoniak zu spalten. Das (extrazellulär abgegebene) Ammoniak wird hier zur Säure-Base-Regulation bei der Bildung einer Kalkschale benötigt (Ammoniak). Bei Tieren wird der Harnstoffzyklus durch die Synthese von L-Ornithin aufgefüllt. Diese erfolgt aus L-Glutamat und in gewissem Ausmaß aus Abbauprodukten des L-Prolins. L-Ornithin und L-Arginin stehen über den Harnstoffzyklus im Gleichgewicht. Mit Hilfe von L-Arginin aus der Nahrung kann der Harnstoffzyklus bedient werden. Umgekehrt kann die Synthese von L-Ornithin und dessen Umwandlung in L-Arginin durch den Harnstoffzyklus den ernährungsbedingten Bedarf an L-Arginin decken. Die Lage des Gleichgewichts dieser beiden Prozesse hängt von der jeweiligen Tierart, dem physiologischen Zustand und der Nahrung ab. Viele junge, heranwachsende Tiere müssen L-Arginin mit der Nahrung aufnehmen, während sie anscheinend im Erwachsenenalter den gesamten Bedarf durch Synthese decken können. Die L-Arginin-Synthese dient in erster Linie der Bereitstellung der Amidinogruppe (Transamidinierung). Andere natürlich vorkommende Guanidinoverbindungen, in erster Linie Phosphagene, werden durch die Übertragung der Amidinogruppe aus L-Arginin auf den geeigneten Aminoakzeptor synthetisiert.
Hauptort des Harnstoffzyklus ist die Leber. Die Umwandlung von L-Ornithin in L-Citrullin sowie die Synthese von Carbamylphosphat erfolgen in der mitochondrialen Matrix, alle anderen Reaktionen laufen im Cytoplasma ab. Das Nierencytoplasma enthält zwar die Enzyme für die Überführung von L-Citrullin in L-Ornithin, den Nieren-Mitochondrien fehlen jedoch die notwendigen Enzyme zur Umwandlung von L-Ornithin in L-Citrullin und zur Synthese von Carbamylphosphat. Ein Teil des L-Citrullins wird von der Leber zur Niere transportiert, wo es in L-Ornithin und Harnstoff überführt wird. Der Harnstoffzyklus ist über eine Reaktionsfolge mit dem Tricarbonsäurezyklus (TCA; Citratzyklus) verbunden. Der Energiebedarf des Harnstoffzyklus wird durch die Energieproduktion assoziierter Prozesse nahezu gedeckt. Winterschlaf; Stoffwechsel.
H.K./S.Kl.
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