Lexikon der Biologie: Heuschrecken
Heuschrecken, Springschrecken, Schrecken (umgangssprachlich Grashüpfer, Heuhüpfer), Saltatoria, Gruppe der Geradflügler (Orthopteroidea; früher als Ordnung der Insekten geführt) mit den beiden Ordnungen (früher Unterordnungen) Ensifera (Langfühlerschrecken: Laubheuschrecken und Grillen) und Caelifera (Kurzfühlerschrecken: u.a. die umfangreiche Familie Feldheuschrecken), mit insgesamt ca. 20.000 bekannten Arten, davon in Mitteleuropa nur etwa 80. Unter den Heuschrecken gibt es Arten mit nur 1,5 mm Körperlänge, die größten werden bis 20 cm lang. Der Kopf ist groß, mit meist orthognathen, kräftigen Mundwerkzeugen vom beißend-kauenden Typ ( Homologie ). Außer den seitlich stehenden Komplexaugen, die je nach Lebensweise mehr oder weniger reduziert sein können, gibt es 3 Punktaugen (Ocellen). Die Kurzfühlerschrecken (Caelifera;vgl. Abb. 1/1 , vgl. Tab. ) haben nur kurze, borstenförmige, am Ende zuweilen verdickte Fühler. Die Langfühlerschrecken (Ensifera; vgl. Abb. 1/2 , vgl. Tab. ) besitzen Antennen, die mindestens Körperlänge erreichen, aber auch, wie bei den Buckelschrecken, 10mal so lang sein können. Der Kopf der Heuschrecken (Heupferde, Abb.) ist mit der Brust beweglich verbunden. Das 2. Brustsegment trägt einen sattelförmig nach unten, häufig auch nach hinten verlängerten Halsschild (Pronotum) und ist mit dem 1. Brustsegment gelenkig verbunden. Die Hinterbeine sind zu mächtigen Sprungbeinen mit keulenartig verdickten, muskulösen Schenkeln ausgebildet. Die Vorderflügel sind meist derb und bedecken in der Ruhe dachartig die häutigen Hinterflügel. Sie überragen häufig den großen, walzenförmigen, meist seitlich abgeflachten Hinterleib. Dessen 9. Segment enthält beim Männchen die Kopulationsorgane. Aus Teilen der 8. und 9. Hinterleibssegmente ist der orthopteroide Eilegeapparat der Weibchen gebaut. Er ist bei den Langfühlerschrecken länger als bei den Kurzfühlerschrecken. Das 10. Hinterleibssegment trägt 1 Paar Cerci. Die Heuschrecken sind in Färbung häufig dem Untergrund angepaßt (Mimese) oder besitzen eine deutliche Schreckfärbung. Die meisten Heuschrecken können mit Hilfe von Stridulationsorganen (Stridulation) singen. Die Langfühlerschrecken zirpen meist mit einer Schrillader am rechten Vorderflügel, die gegen eine Schrillader des linken Vorderflügels gerieben wird. Die Kurzfühlerschrecken reiben bei ihrem mehr kratzend klingenden Gesang die Hinterschenkel gegen eine besonders strukturierte Ader am Vorderflügel. Der Gesang kann in Länge und Tonhöhe je nach Familie und Art erheblich variieren. Häufig kann man auch Rivalen-, Such- und Balzgesang unterscheiden. Zur Schallwahrnehmung besitzen die Heuschrecken paarig angelegte Tympanalorgane (Gehörorgane, mechanische Sinne II), mit denen eine genaue Richtungsortung der Schallquelle möglich ist. Bei den Langfühlerschrecken liegen sie in der Basis beider Vorderschienen, bei den Kurzfühlerschrecken im 1. Hinterleibssegment. Die Tympanalorgane können Frequenzen von ca. 1000 bis 90.000 Hz verarbeiten, niedrigere Frequenzen, besonders aber Bodenerschütterungen, werden von den Subgenualorganen in den Beinen wahrgenommen. Bei der Kopulation, der oft eine komplizierte Balz vorausgeht, wird eine Spermatophore übertragen. Die Eier werden in den Erdboden, seltener in Pflanzenteile gelegt. Die Heuschrecken durchlaufen eine hemimetabole Entwicklung mit 5 bis 6 Larvenstadien (Hemimetabola); bei jeder Häutung nehmen sie an Größe zu ( vgl. Abb. 2 ). Erst die Imagines werden geschlechtsreif und haben voll ausgebildete Flügel. Die Heuschrecken haben einen hohen Nahrungsbedarf; die Kurzfühlerschrecken ernähren sich von Pflanzen, die meisten Langfühlerschrecken sind Fleischfresser, einige Pflanzenfresser, und viele von ihnen nehmen gemischte Nahrung zu sich. In den arabischen Staaten und auch in Lateinamerika sind diese Insekten wichtige Eiweißlieferanten und werden meist in getrockneter oder fritierter Form gegessen. Zum anderen können die Heuschrecken, besonders die Wanderheuschrecken, verheerenden landwirtschaftlichen Schaden anrichten. Zu den bedeutenden Familien der Heuschrecken gehören außer den gesondert behandelten ( vgl. Tab. ) auch die Sägeschrecken (Sagidae), zu denen die größten Arten der Langfühlerschrecken zählen. Kryptopleurie; Heuschrecken IHeuschrecken II , üß Gliederfüßer I , Insekten I .
G.L./R.H.
Lit.:Bellmann, H.: Heuschrecken. Beobachten, bestimmen. Augsburg 1993. Ingrisch, S., Köhler, G.: Die Heuschrecken Mitteleuropas. Biologie, Ökologie, Verhalten und Schutz. Magdeburg 1997.
Heuschrecken
Abb. 1:
1Chorthippus curtipennis, ein Vertreter der Feldheuschrecken (Kurzfühlerschrecken) in Kopula; 2 Männchen des Warzenbeißers Decticus verrucivorus, eines Vertreters der Laubheuschrecken (Langfühlerschrecken)
Heuschrecken
Abb. 2: Verwandlung des Grünen Heupferdes (Tettigonia viridissima):a–d Larvenstadien, e Imago (Weibchen)
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