Lexikon der Biologie: Lebensformtypus
Lebensformtypus, Lebensformtyp, generalisierter Funktions- und Bautyp nicht näher verwandter Arten mit annähernd gleicher Lebensweise, der durch eine Reihe gemeinsam auftretender charakteristischer Merkmale gekennzeichnet ist. Der den jeweiligen Lebensformtypus bezeichnende Merkmalskomplex kann einzelne Organe, Körperteile oder die Gesamterscheinung betreffen (Eidonomie, Gestalt). Im letzten Fall ist der Lebensformtypus zugleich auch ein Gestalttyp, z.B. Hai und Delphin als „schnellschwimmende Beutejäger" ( Konvergenz ). – Die Ähnlichkeit (Übereinstimmung) der Angehörigen desselben Lebensformtypus im betreffenden Merkmalskomplex ist eine Anpassungsähnlichkeit, z.B. an gleiche Bewegungs- oder Ernährungsweise ( vgl. Abb. ). Sie beruht auf unabhängig voneinander erworbenen gleichartigen Differenzierungen, da die von verschiedenen Arten in gleicher Funktion eingesetzten Merkmale ähnlichen Selektionsbedingungen unterlagen. Merkmalsausprägungen bei verschiedenen Taxa näherten sich auf diese Weise konvergent der „Ideallösung" für bestimmte Leistungen (Aufgaben, Funktionen) an. – Verschiedene Arten, die in verschiedenen Arealen (allopatrisch) gleichartige Differenzierungen von Merkmalen in Anpassung an die gleiche Lebensweise entwickelten, haben im äußersten Fall unabhängig voneinander weitgehend gleiche ökologische Nischen gebildet (Stellenäquivalenz), z.B. die Ameisenfresser (vgl. auch Beuteltiere). Ähnlichkeiten bei Angehörigen desselben Lebensformtypus können auf Homologien beruhen, z.B. die beim Lebensformtypus Ameisenfresser ausgebildeten starken Krallen (Klauen), die einem Fingernagel homolog sind. Die Umgestaltung des Nagels zur Kralle erfolgte jedoch bei Ameisenbär und Schuppentier unabhängig voneinander, d.h. konvergent. Somit liegt, exakt gesagt, eine Homoiologie vor. Beruht die Übereinstimmung nicht auf Homologien, so liegt nur Konvergenz vor, z.B. bei den Grabschaufeln des Maulwurfs und der Maulwurfsgrille. – Während ein Organisationstypus (systematischer Typus) auf Homologien beruht – wobei die homologen Merkmale ganz verschiedenen Bau und Funktion haben können – und somit stammesgeschichtlich nah verwandte Arten repräsentiert, beruht ein Lebensformtypus auf Konvergenzen. Daher sagt die oft große äußere Ähnlichkeit der Angehörigen desselben Lebensformtypus nichts über deren Verwandtschaft untereinander aus. – Abgrenzung des Lebensformtypus: Tiere, die konvergent eine Merkmalsübereinstimmung in Form einer ähnlichen Warntracht entwickelt haben, gehören nicht zu einem Lebensformtypus. Es handelt sich dabei um Mimikry. – Lebensformtypus bei Pflanzen: Lebensformen. Analogie, Bauplan, Eidonomie, Morphologie, Typus.
A.K.
Lebensformtypus
Folgende Beispiele für Lebensformtypen basieren auf gleicher Bewegungs- oder Ernährungsweise:
1) Schaufelgraber (Maulwurfstyp; siehe Abb.); sie sind gekennzeichnet durch einen walzenförmigen Körper mit kurzen, seitwärts ragenden Extremitäten, zur Grabschaufel (Graben) ausgebildeten Vorderextremitäten, guten Geruchssinn. Das Sehvermögen ist im Zusammenhang mit der unterirdischen Lebensweise reduziert. Zu den Schaufelgrabern gehören Maulwurf (b) und Goldmull(c), aus 2 verschiedenen Familien der Insektenfresser, der Beutelmull(d), ein Vertreter der Marderbeutler, die Blindmaus(a), ein Nagetier.
2) Schnellschwimmende Beutejäger; diese Tiere weisen generell eine strömungsgünstige, etwa laminar-spindelförmige Gestalt auf, der Kopf läuft vorn spitz zu, ein abgesetzter Hals fehlt, als Antrieb dient eine halbmondförmige Schwanzflosse. Dazu gehören Haie (Knorpelfische), Schwertfische (Knochenfische), Delphine (Säuger), die ausgestorbenen Ichthyosaurier (Reptilien) und i.w.S. auch die Pinguine (Vögel). Konvergenz .
3) Aasfressende Vögel; charakteristisch sind: Haken-Schnabel, nackter Hals, Krallen, große Schwingen für lange Gleitflüge in der Thermik. Zu diesem Lebensformtypus zählen die afrikanischen Geier und die südamerikanischen „Geier“ mit dem bekannten Kondor. Letztere gehören, wie man erst seit einigen Jahren weiß, nicht zu den Geiern, sondern zu den Störchen, haben also einen den Geiern entsprechenden Merkmalskomplex unabhängig von diesen erworben, als sie in Südamerika stellenäquivalente (Stellenäquivalenz) ökologische Nischen zu den afrikanischen Geiern bildeten.
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