Lexikon der Biologie: methanbildende Bakterien
methanbildende Bakterien, methanogene Bakterien, Methanbakterien, Methanobacteria, Methanobacteriaceae (Barker, 1956), obligat anaerobe Bakterien, die Methan oder Methan und CO2 (Kohlendioxid) als Endprodukt im Energiestoffwechsel bilden (Methanbildung, auch fälschlicherweise Methangärung genannt). Sie unterscheiden sich durch eine Reihe wichtiger Merkmale von den meisten („normalen“) Bakterien, so daß sie den Archaebakterien bzw. der Domäne Archaea zugeordnet werden. Früher (1985) wurden sie taxonomisch noch als Abteilung Mendosicutes (Klasse Archaeobacteria) bei den Prokaryoten eingeordnet. Es gibt unbewegliche und mit Geißeln bewegliche Arten. Die Zellwände sind sehr unterschiedlich zusammengesetzt, enthalten aber nie Peptidoglucan (Murein). Einige besitzen ein Pseudomurein (z.B. Methanobacterium, Methanopyrus), andere haben Zellwände aus Protein (z.B. Methanosarcina, Methanococcus) oder Glykoproteine (z.B. Methanomicrobium). Weitere Unterscheidungsmerkmale zu den Eubakterien und taxonomische Einordnung: Archaebakterien (Tab.). Die Zellformen sind sehr unterschiedlich, z.B. lange Stäbchen oder Filamente (Methanobacterium), kurze Stäbchen (Methanobrevibacter, Methanogenium), kurze gekrümmte Stäbchen (Methanomicrobium), kurze oder lange Spirillen (Methanospirillum), Kokkenpakete (Methanosarcina). Einige Arten enthalten Gasvakuolen (Methanosarcina-Arten). Es gibt auch N2-fixierende Stämme (Stickstoffixierung). Die methanbildenden Bakterien sind in der Regel streng anaerob, enthalten keine Katalase und Superoxid-Dismutase (Aerobier), und die meisten werden von Sauerstoff schnell abgetötet, so daß besondere anaerobe Techniken zur Isolierung und Kultivierung notwendig sind (Hungate-Technik). In der Natur leben sie daher in sauerstofffreien Zonen, z.B. in Sedimenten von Seen, in Sümpfen (Sumpf), Reisfeldern, in feuchten Müll-Deponien, in geothermischen Quellen (Hydrothermalquellen), die H2 und CO2 entwickeln, in Faultürmen von Kläranlagen, auch als Symbionten im Verdauungstrakt von Tieren (Pansen von Wiederkäuern [Wiederkäuer-Magen]), im Blinddarm von Tieren wie Pferden und Kaninchen, im Dickdarm von Tieren wie Schweinen, Hunden und auch von Menschen, im Enddarm von cellulosefressenden Tieren (Cellulose), z.B. Termiten, und als Endosymbionten verschiedener anaerober Protozoen ( vgl. Tab. 1 ). Methanbildende Bakterien sind äußerst wichtig im Kohlenstoffkreislauf: beim sauerstofffreien Abbau von polymeren Naturstoffen (z.B. Cellulose [celluloseabbauende Mikroorganismen], Stärke; Biopolymere) sind sie letztes Glied einer anaeroben Nahrungskette und setzen niedermolekulare Gärungsendprodukte anderer Bakterien zu Methan (und Kohlendioxid) um (Methanbildung, Mineralisation). Fast alle Arten können molekularen Wasserstoff (H2), sehr viele Formiat (HCOO–), wenige Acetat (CH3COO–), Methanol (CH3OH; Methylalkohol), Methylamin (CH3NH3+) und andere Methylsubstrate (Dimethylamin [(CH3)2NH2+], Trimethylamin [(CH3)3NH+], Methylmercaptan [CH3SH], Dimethylsulfid [CH3)2S]) als Energiequelle verwerten; einige setzen auch Kohlenmonoxid (CO) um. Durch die Aufnahme von H2 haben methanbildende Bakterien eine wichtige ökologische Funktion in anaeroben Habitaten und sind dadurch eng mit H2-produzierenden Bakterien und bestimmten Amöben (z.B. Pelomyxa palustris) vergesellschaftet. H2-bildende acetogene Bakterien können nur wachsen, wenn die methanbildenden Bakterien den H2-Gehalt im Biotop stark verringern (Interspezies-Wasserstoff-Transfer). Die Verbindung von nicht-methanbildenden Bakterien und methanbildenden Bakterien kann so eng sein, daß z.B. die Assoziation eines H2-bildenden Ethanoloxidierers (S-Organismus) und eines methanbildenden Bakteriums (Stamm MoH = Methanobacterium oxidizing hydrogen) 30 Jahre für eine Reinkultur eines Methanbildners („Methanobacterium omelianski“) gehalten wurde. Als H2-Überträger ist ein besonderes, nur ausnahmsweise bei anderen Bakterien gefundenes, fluoreszierendes Coenzym (F 420) beteiligt, so daß methanbildende Bakterien leicht im Fluoreszenzmikroskop (Fluoreszenzmikroskopie) erkannt werden können. Mit H2 als Elektronendonor und CO2 als Elektronenakzeptor (Carbonatatmung) liegt ein chemolithotropher Energiestoffwechsel (Ernährung [Tab.]) vor. Da CO2 außerdem in einem besonderen autotrophen Assimilationsweg (Kohlendioxidassimilation, Acetyl-CoA-Weg, nicht Calvin-Zyklus) zur Synthese von Zellsubstanz genutzt wird, können diese methanbildenden Bakterien als autotrophe, anaerob wasserstoffoxidierende Bakterien charakterisiert werden. Methanbildende Bakterien sind besonders wichtig in der anaeroben Abwasserbehandlung (Abwasser) und gewinnen als Erzeuger von Biogas (Methan + CO2) aus Biomasse, besonders aus verschiedenen Abfallprodukten (Deponie), immer stärker an Bedeutung (Bioenergie). – Obwohl alle Methanbildner einen sehr ähnlichen spezifischen Stoffwechsel ausführen, sind sie zum Teil nur entfernt miteinander verwandt, so daß sie 2001 im Bergey´s Manuel of Systematic Bacteriology (2. Aufl.) 3 Klassen zugerechnet werden. Zur Zeit sind über 80 Arten bekannt, die in 5 Ordnungen, 7 Familien und über 20 Gattungen eingeordnet werden ( vgl. Tab. 2 ). Außerdem gibt es noch eine hohe Anzahl nicht benannter und noch nicht kultivierbarer Stämme. In den letzten Jahren konnte die DNA-Sequenz einiger methanbildender Bakterien aus den Gattungen Methanobacterium und Methanococcus entschlüsselt werden.
G.S.
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