Lexikon der Biologie: Mikroorganismen
Mikroorganismen [von *mikro- ], Mikroben (nach E. Haeckel, 1866: Protisten, Erstlinge, Urwesen), vorwiegend einzellige, Niedere Organismen, die gewöhnlich nur mit Hilfe des Mikroskops zu erkennen sind ( vgl. Abb. ). Der wesentliche Unterschied zu Höheren Organismen, Pflanzen und Tieren, besteht in ihrer relativ einfachen biologischen Organisation (z.B. kein oder kein echtes Gewebe). Aufgrund der Zellstrukturen können die Mikroorganismen unterteilt werden in 1) die prokaryotischen Formen (Niedere Protisten, Prokaryoten): Bakterien (einschließlich der Actinomyceten, Cyanobakterien und Prochlorales) sowie Archaebakterien und 2) die eukaryotischen Formen: Protozoen (Einzeller), Schleimpilze, Pilze, Niedere Algen und wenige Metazoa. Die Abgrenzung der eukaryotischen Mikroorganismen zum Pflanzen- oder Tierreich ist in vielen Fällen schwierig; so kann das Mycel vieler Pilze, das den Hauptteil des Organismus ausmacht, mikroskopisch klein sein, die Pilzfruchtkörper können dagegen Meter-Größe erreichen. Viren und Viroide werden manchmal auch als Mikroorganismen bezeichnet; doch besitzen sie weder eine echte Zellstruktur noch einen Stoffwechsel, so daß sie keinem Organismenreich zugeordnet werden können (Leben). – Mikroorganismen sind in der Natur fast überall verbreitet. Sie kommen im Boden (Bodenmikrobiologie, Bodenorganismen, Geomikrobiologie), im Wasser (Gewässermikrobiologie), in der Luft und in oder auf anderen Organismen vor. Durch ihre vielfältigen Stoffwechselaktivitäten spielen sie eine außerordentlich wichtige Rolle in den Stoffkreisläufen der Natur, besonders beim Abbau und Umbau organischer Substanzen (anaerobe Nahrungskette, Mineralisation). Das rasche Wachstum und der schnelle Stoffumsatz sowie besondere Stoffwechselleistungen vieler Mikroorganismen werden zur Herstellung verschiedener Produkte ausgenutzt, z.B. Nahrungsmittel, Getränke, Antibiotika (Biotechnologie, Fermenter). Viele Mikroorganismen lassen sich direkt oder nach chemischer Aufarbeitung als Nahrung verwenden, z.B. Cyanobakterien (Spirulina), Speisepilze und in Form von Einzellerprotein. Gentechnologisch veränderte Mikroorganismen (Gentechnologie) dienen zur Produktion besonderer Substanzen (z.B. Interferon; gene-farming) oder werden zur Entgiftung von Abfallstoffen (Abfall) eingesetzt (Abwasser, Biofilter, Kläranlage). Die Wachstumsbedingungen für Mikroorganismen sind sehr unterschiedlich. Die meisten bekannten Mikroorganismen lassen sich auf geeigneten Nährböden kultivieren und in Reinkultur züchten. Die Ernährungsansprüche sind vielfältig (Ernährung [Tab.]). Meist dienen organische Substrate als Energie- und Kohlenstoffquelle (Chemoorganotrophie); die Stoffwechselenergie wird dabei im Gärungsstoffwechsel (Gärung) oder im aeroben oder anaeroben Atmungsstoffwechsel (anaerobe Atmung) gewonnen. Wenige wachsen mit anorganischen Substraten als Energie- und CO2 als Kohlenstoffquelle (Chemolithotrophie). Im Licht können einige Mikroorganismen-Gruppen mit einer oxygenen Photosynthese (Algen, Cyanobakterien, Prochlorales) oder mit einer anoxygenen Photosynthese (phototrophe Bakterien) wachsen. Die Wachstumsraten sind stark von den Umweltbedingungen abhängig (mikrobielles Wachstum). Mikroorganismen können als Saprophyten, Kommensalen (Kommensalismus) und Parasiten leben und auch schwere bis tödliche Vergiftungen (Nahrungsmittelvergiftungen) und andere Krankheiten bei Mensch und Tier verursachen (Bakterientoxine, Endotoxine, Exotoxine, Infektion, Infektionskrankheiten, Mykotoxine) sowie Pflanzen schädigen (Pflanzenkrankheiten, pflanzliche Abwehr) und vernichten. Andererseits schaffen sie oft an extremen Standorten (Extrembiotope, extremophile Bakterien, Hydrothermalquellen; vgl. Tab. ) erst die Bedingungen für ein Leben Höherer Organismen, z.B. in Symbiosen, die eine Verwertung von molekularem Stickstoff über eine Stickstoffixierung ermöglichen (Knöllchenbakterien), die Versorgung mit Nährstoffen verbessern oder normalerweise unverdaubare Stoffe aufschließen (celluloseabbauende Mikroorganismen, Flechten, Mykorrhiza, Pansensymbiose). – Das Haupt-Wissenschaftsgebiet, in dem die Mikroorganismen erforscht werden, ist die Mikrobiologie. Literatur: Mikrobiologie. Mikroorganismenmatten.
G.S.
Mikroorganismen
Größenverhältnisse von Mikroorganismen und anderen Strukturen
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