Lexikon der Biologie: Mycoplasmen-ähnliche Organismen
Mycoplasmen-ähnliche Organismen, Mycoplasma-ähnliche Organismen, mycoplasm like organisms, Abk. MLOs, den Mycoplasmen nahestehenden obligate Parasiten in Höheren Pflanzen und einigen Wirbellosen, Verursacher zahlreicher Pflanzenkrankheiten mit hohem wirtschaftlichem Schaden ( ä vgl. Tab. ). Mycoplasmen und MLOs sind die kleinsten bekannten Prokaryoten (Durchmesser: 100–800 nm, Länge: wenige μm bis 150 μm) und sind aufgrund der 16S-rRNA-Sequenzhomologien in den Verwandtschaftskreis der grampositiven Bakterien mit niedrigem GC-Gehalt in der DNA (z.B. Gattungen Clostridium [Clostridien], Bacillus, Lactobacillus [Lactobacillaceae]) zu stellen. MLOs sind wie die Mycoplasmen zellwandlos und daher sehr formvariabel und empfindlich gegenüber hypoosmotischem Schock, Detergentien und Tetracyclinen, nicht aber gegenüber Penicillin. Im Gegensatz zu den Mycoplasmen sind die MLOs nicht in vitro kultivierbar und haben sich daher lange einer genaueren molekularen Charakterisierung und systematischen Einordnung entzogen. MLOs besitzen ringförmige Chromosomen von etwa 600–1200 kbp (Kilobasenpaaren) sowie in den meisten Fällen ein oder mehrere, zum Teil unterschiedliche Plasmide (extrachromosomale, ringförmige DNA; Größe bei den MLOs etwa 1,5–16 kbp). Die pflanzenpathogenen MLOs parasitieren ausschließlich in den Siebröhren des Phloems und verbreiten sich innerhalb diesem in der gesamten Pflanze. Ein Überdauern in den Wurzeln und Neuinvasion der gesamten Pflanze sind möglich. Als Überträger (Vektoren) fungieren phloemsaugende Insekten (Pflanzensaftsauger; Blattläuse, Zikaden), von denen einige auch selbst parasitiert werden. Der Nachweis der MLOs in den Siebröhren erfolgte früher mittels Elektronenmikroskop oder Fluoreszenzmikroskopie; im letzteren Fall durch Nachweis von DNA nach Markierung mit dem Fluoreszenzfarbstoff DAPI (4',6-Diamidino-2-phenylindol). MLO-angereicherte Fraktionen lassen sich aus befallenem Pflanzengewebe (auch aus Gewebekulturen) oder den Überträgern gewinnen (z.B. durch differentielle Zentrifugation, Dichtegradienten-Zentrifugation oder Affinitätschromatographie) und für die Herstellung polyklonaler oder monoklonaler Antikörper einsetzen. Über eine Cäsiumchlorid/Bisbenzimid-Dichtegradientenzentrifugation kann die Isolierung von MLO-DNA erfolgen. Bisbenzimid lagert sich dabei bevorzugt an AT-reiche Sequenzen der DNA an und erniedrigt so die Dichte der DNA. Da MLO-DNA AT-reich (GC-arm, 23–35% gegenüber 35–45% der Höheren Pflanzen) ist, ist dieser Effekt bei den MLOs geringer, wodurch sich die DNAs beider Organismen trennen lassen. Mit der MLO-DNA lassen sich dann MLO-spezifische DNA-Proben herstellen. Durch Nucleinsäure-Hybridisierungstechniken (Hybridisierung) und immunologische Methoden sind heutzutage der Nachweis von MLOs und deren molekulare Charakterisierung und systematische Einordnung möglich. Phytopathogene MLOs befallen bekanntermaßen mehrere hundert krautige und holzige Pflanzen. Eine Ausnahme bilden die Nacktsamer, deren engporige Siebfelder in den Siebzellen des Phloems vermutlich die Ausbreitung der Pflanze verhindern. Ein Großteil der befallenen Siebröhren der Bedecktsamer ist funktionsgestört oder stirbt ab. Dies hat negative Auswirkungen auf den Nährstoff- und Hormontransport sowie auf die Ionen- und Wasseraufnahme (aufgrund von Wurzelschädigungen). Die durch phytopathogene MLOs verursachten sichtbaren Schäden lassen sich zu 3 Syndromen zusammenfassen: 1) Verfalls-Syndrom: generelle Wachstumshemmung, Blattschäden (Nekrosen, Chlorosen), Wurzelschädigungen, Absterben der Sprosse bzw. der ganzen Pflanze; 2) Verzweigungs-Syndrom: teilweise Symptome wie bei 1, zusätzlich reduziertes Internodienwachstum (Rosettenbildung) und starke Verzweigung durch reduzierte apikale Dominanz (Hexenbesen); 3) Vergrünungs-Syndrom: Chlorose der Blätter, starke Verzweigung des Sprosses, Vergrünung und Verlaubung von Blütenblättern, aber meist kein Absterben der Pflanzen. Die zum Teil kombinierte Ausprägung der Symptome ist sehr unterschiedlich und hängt sowohl vom Erreger und dem Wirt ab als auch von Umweltbedingungen. Wirksame Gegenmaßnahmen bestehen nur im Anbau resistenter bzw. toleranter Sorten und in der Bekämpfung der Überträger. – 1926 wurde bereits die Übertragung des MLO-Erregers der Asternvergilbung durch Zikaden auf Pflanzen aus 38 Familien nachgewiesen. Der erste elektronenmikroskopische Nachweis der MLOs im Phloem erkrankter Pflanzen (Maulbeerverzweigung, Asternvergilbung) gelang 1967.
M.H./G.S.
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