Lexikon der Biologie: Nachtschattengewächse
Nachtschattengewächse, Solanaceae, Familie der Polemoniales (nach der neueren Systematik der Nachtschattenartigen, Solanales) mit rund 90 Gattungen ( ä vgl. Tab. ) und etwa 2500 weltweit verbreiteten, jedoch besonders reich in Mittel- und Südamerika vertretenen Arten. Vorwiegend Kräuter, seltener Sträucher oder Bäume mit sehr unterschiedlich geformten Blättern und einzeln stehenden oder in Cymen (Cyma) oder Thyrsen (Blütenstand) angeordneten, staminokarpellaten Blüten. Diese 5zählig, schwach asymmetrisch (meist aber radiär erscheinend), mit rad- bis glocken- oder röhrenförmiger Krone und in der Regel 5 Staubblättern, deren Antheren sich oft berühren. Der oberständige Fruchtknoten besteht im allgemeinen aus 2 verwachsenen Fruchtblättern und reift zu einer vielsamigen Beere oder, seltener, zu einer Kapsel heran. Der häufig an der Frucht verbleibende Kelch kann sich zur Reifezeit vergrößern und sogar die ganze Frucht umhüllen (Judenkirsche). Für die Nachtschattengewächse typisch ist das Vorkommen von meist stark giftigen, medizinisch teils sehr wertvollen Solanaceenalkaloiden (Hyoscyamin, Scopolamin, Atropin, Nicotin, Solanin, Capsaicin und viele andere). Bekannte Giftpflanzen sind Tollkirsche, Tollkraut, Stechapfel, Bilsenkraut und Alraune. Arten der australischen Gattung Duboisia weisen einen besonders hohen Gehalt an Alkaloiden (Scopolamin, Hyoscyamin und Piturin) auf und werden daher angebaut. Wirtschaftlich wichtige Nahrungslieferanten sind Kartoffelpflanze, Tomate, Aubergine und Paprika. Eher regionale Bedeutung besitzen vorwiegend auf das tropische Amerika beschränkte Kulturpflanzen wie die Ananaskirsche oder Kapstachelbeere (Physalis peruviana; Judenkirsche), die zur Gattung Nachtschatten gehörenden Arten Pepino (Solanum muricatum) und Lulo (Solanum quitoense) oder die auch Tamarillo genannte Baumtomate (Cyphomandra crassicaulis syn. Cyphomandra betacea). Der aus den peruanischen Anden stammende, weiß- bis rötlich blühende Strauch oder kleine Baum hat große, länglich-herzförmige Blätter sowie bis 10 cm lange, eiförmige, gelb- bis purpurrot gefärbte Früchte, die an langen Stielen herabhängen. Ihr tomatenähnliches, süßsäuerlich bitter schmeckendes Fruchtfleisch kann roh oder gekocht gegessen und zu Saft, Soße, Gelee oder Marmelade verarbeitet werden. Paprika und Tabak sind als Gewürz- bzw. Genußpflanzen von Bedeutung. Als Zierpflanzen genutzt werden Arten von Brunfelsia und Fabiana ( ä vgl. Abb. ), Engelstrompeten (Brugmansia), Goldkelch, Hammerstrauch (Cestrum), Judenkirsche und Petunie sowie Zierformen von Tabak, Paprika, Stechapfel, Nachtschatten und Bocksdorn. Weitere Zierpflanzen finden sich in der Gattung Browallia (3 Arten; tropisches Südamerika). Es sind 1jährige Kräuter oder Stauden mit eiförmigen, tief geäderten Blättern und stieltellerförmigen, blauvioletten oder weißen Blüten. Von der ausdauernden, über 1 m hohen Art Browallia speciosa gibt es zahlreiche Kultursorten mit bis zu 5 cm großen Blüten. Zur Gattung Nierembergia (23 Arten; gemäßigtes Südamerika) gehören aufrechte und kriechende, sich rasch ausbreitende Kräuter mit kleinen Blättern. Der Weißbecher (Nierembergia repens) ist eine 5 cm hohe, weiß blühende Steingartenpflanze mit spatelförmigen Blättern. Besonders schöne Blüten hat die mit der Petunie eng verwandte, aus den südlichen Anden stammende Trompetenzunge oder Brokatblume (Salpiglossis; 2 Arten). Die als Gartenpflanze beliebte, 1jährige, bis 60 cm hohe Art Salpiglossis sinuata und von ihr abstammende Kulturhybriden haben große, trichterförmige, leuchtend gelb, orange, rot oder violett gefärbte, meist gelb gezeichnete und kräftig geaderte Blüten. Kleinere, rispig angeordnete, weiß, rosa, rot oder violett gefärbte Blüten besitzt die chilenische Spaltblume oder Schmetterlingsblume (Schizanthus; 12 Arten). Kultiviert werden vor allem Sorten von Schizanthus pinnatus und Schizanthus × wisetonensis, deren Blüten durch die gelappte Ober- und Unterlippe sowie einen meist gelb gefleckten Schlund auffallen. Auch die aus Peru stammende, bei uns gelegentlich verwilderte Giftbeere (Nicandra physaloides), einzige Art ihrer Gattung, wird wegen ihrer hellblauen, glockigen Blüten und der vom blasig aufgetriebenen Kelch umschlossenen Frucht in Gärten kultiviert. Sie enthält als Hauptwirkstoff das ähnlich wie Hyoscyamin wirkende Hygrin (Pyrrolidin-Alkaloide). Giftpflanzen (Tab.), Konkauleszenz, Solanaceen-Lectine. ä Nachtschattengewächse .
N.D.
Lit.:D'Arcy, W.G. (ed.): Solanaceae: biology and systematics. New York 1986.
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