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Lexikon der Biologie: Osmoregulation

Osmoregulationw [von *osmo- , latein. regulare = regeln], Fähigkeit aller Lebewesen, auf zellulärer und organismischer Ebene die Konzentrationen und die Art osmotisch wirksamer Stoffe kontrollieren zu können – entweder, um osmotischen Streß zu vermeiden (z.B. durch Polymerisation von Glucose zu den osmotisch neutralen Makromolekülen Stärke oder Glykogen) oder um aus dem osmotischen Potential (welches ja immer an Membranen auftritt) Nutzen zu ziehen (Aktionspotential, aktiver Transport, Atmungskette, Calmodulin, Donnan-Verteilung, Ionentransport, Membranpotential, Membrantransport, Muskelkontraktion, Photosynthese, Wasserpotential, Wasserhaushalt). Wichtige Ionen hierbei sind Na+ (Natrium), K+ (Kalium), Ca2+ (Calcium), Cl (Chlor) und H+ (Wasserstoff, Proton). Osmoregulation zählt zu den ursprünglichsten Fähigkeiten der Lebewesen und tritt schon bei den Prokaryoten auf. Das auslösende Signal sind vermutlich Änderungen der mechanischen Spannung in der Plasmamembran, wie sie durch die Aufnahme oder Abgabe von Wasser bei Veränderungen des osmotischen Drucks auftreten. Diese Spannungen können über mechanosensitive Kanäle wahrgenommen werden, die schon aus Bakterien isoliert werden konnten. 1) Pflanzen sind in der Lage, auf ein verändertes qualitatives oder quantitatives Angebot an Wasser über Osmoregulation zu reagieren. Neben den spezialisierten Halophyten begegnen auch die Glykophyten (entsprechend ihrer genetisch vorgegebenen Reaktionsnorm) in gewissem Rahmen dem Streß erhöhter oder veränderter Salzkonzentrationen im Substrat mit spezifischen Aktionen (Ionenaufnahme in das Plasma oder Weiterleitung in die Vakuole, Synthese osmotisch wirksamer Proteine, Verschiebungen im Gleichgewicht zwischen Monosacchariden und Polysacchariden). Wassermangel kann durch Verringerung der Diffusion an den Spaltöffnungen sowie durch Turgorabsenkung (Wasseraustritt aus den Vakuolen; Turgor) vorübergehend kompensiert werden. Da das Platzen von Zellen in hypotonischer Umgebung durch die Zellwand verhindert wird, können pflanzliche Zellen osmotische Schwankungen in hohem Maße ausgleichen. Saugspannung, osmotische Einstellung. 2) Bei verschiedenen Tieren (und beim Menschen) unterschiedlich gut entwickelte Fähigkeit, welche einen bedeutenden Beitrag dazu leistet, ein stabiles inneres Milieu aufrechtzuerhalten, das die Organe und Gewebe gegenüber Schwankungen des Außenmediums abschirmt. Die hierzu notwendigen physiologischen Mechanismen sind meist aktive, energieverbrauchende Transportprozesse (aktiver Transport, Ionentransport), die einerseits den Ionenhaushalt (Elektrolyte [Abb.], Elektrolythaushalt), andererseits (und davon nicht zu trennen) den Wasserhaushalt regulieren und sowohl zwischen Körperwand und Außenmedium als auch zwischen Zelle und interstitiellem bzw. extrazellulärem Flüssigkeitsraum (Flüssigkeitsräume) ablaufen. Die Steuerung des Wasserhaushalts, und damit direkt oder indirekt der Osmoregulation, erfolgt allgemein durch Verhaltensanpassungen wie Durst und Hunger und verschiedene Hormone bzw. hormonelle Systeme wie z.B. das diuretische Hormon und antidiuretische Hormon (Adiuretin, Insektenhormone), Atriopeptin (Atrial natriuretic factor), Urodilatin, Aldosteron und das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System. Die Sekretion wird durch die Erregung von Osmorezeptoren ausgelöst. – Generell kann zwischen poikilosmotischen (Osmokonformer) und homoiosmotischen (Osmoregulatoren, Osmoregulierer) Organismen unterschieden werden. Osmokonformer passen sich wechselnden Salzkonzentrationen des umgebenden (poikilohalinen) Milieus passiv an, ihre Körperflüssigkeiten sind isoosmotisch (Osmolarität) gegenüber der Umgebung; sie besitzen aber eine geringe Salztoleranz (Halotoleranz), d.h., sie sind stenohalin. Hierzu gehören die meisten marinen Wirbellosen, die in einem sehr konstanten äußeren (homoiohalinen) Milieu leben. Überführt man solche Tiere experimentell in wäßrige Lösungen mit verschiedener Salinität, so zeigen sich auch bei ihnen unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten zur Volumen- und Ionenregulation. Dabei werden sowohl bei Wirbellosen als auch bei Wirbeltieren häufig als Antwort auf einen osmotischen Streß die intra- und extrazellulären Konzentrationen von organischen Molekülen – insbesondere Aminosäuren – verändert (z.B. in salzarmer Umgebung verringert, was zu einer Verminderung des Wassereinstroms führt). Bei Tieren, die z.B. in der Brackwasserregion (Ästuar) leben oder in die Flüsse einwandern, ist der Salztoleranzbereich der Zellen wesentlich größer; sie sind euryhalin, z.B. die Wollhandkrabbe. – Zu den Osmoregulatoren (Homöosmie) gehören Wirbeltiere und Wirbellose, deren Lebensbereich das Süßwasser oder das Salzwasser (Meer) ist. Die Körperflüssigkeiten von Tieren im Süßwasser sind hyperton (anisotonische Lösungen, Osmose) gegenüber dem umgebenden Medium; durch eine hyperosmotische Regulation muß daher verhindert werden, daß sie durch Wassereinstrom an Volumen zunehmen (und damit die Ionenkonzentration des extrazellulären Raums verringert wird) und daß der Salzverlust an das Außenmedium kompensiert wird. Bereits bei Süßwasserprotozoen (Einzeller) gibt es mit den pulsierenden Vakuolen (kontraktile Vakuole) Einrichtungen, die eine Volumenregulation ermöglichen. Krebstiere und Insektenlarven aus diesem Lebensbereich können entsprechend den Verhältnissen im Salzwasser über die Variation der Aminosäurekonzentration und Ionentransporte – speziell über die Kiemen oder bei Dipterenlarven über die Analpapillen – ihr inneres Milieu konstant halten ( vgl. Infobox ). – Die Osmoregulation der Wirbeltiere ( vgl. Tab. ) im Süßwasser besteht in einer verstärkten Harnproduktion (Volumenregulation), einer erhöhten Salzabsorption in den Nierentubuli (Niere), so daß ein stark verdünnter Harn ausgeschieden wird, und einem aktiven Salztransport über die Haut (Frosch) oder die Chloridzellen (oder Ionocyten) der Kiemen (Süßwasserfische) ins Körperinnere. Eine geringe Permeabilität der Körperoberfläche (Fisch) unterstützt dabei die Osmoregulation. Die Situation im marinen Lebensraum wird auf unterschiedliche Weise gemeistert: Die Körperflüssigkeiten mariner Knochenfische (die von Süßwasserformen abstammen) sind hypoton gegenüber dem Meerwasser. Eine Osmoregulation muß daher dem Wasserverlust (speziell über die Kiemen) und dem Eindringen von Salzen begegnen. Marine Teleosteer trinken daher Meerwasser, scheiden Ionen aktiv über die Chloridzellen der Kiemen aus, sezernieren bivalente Kationen aktiv in die Nierentubuli bei geringer Harnproduktion und besitzen teilweise als morphologische Anpassung aglomeruläre Nieren (hypoosmotische Regulation; Exkretionsorgane, Nephron). Marine Knorpelfische hingegen trinken kein Salzwasser, sondern erreichen eine Wasserretention über hohe Harnstoff- und Trimethylaminkonzentrationen, die sie im Blut aufrechterhalten können; sie verfügen in den Rektaldrüsen über Einrichtungen zur aktiven Salzabgabe. – Auch Tiere, deren Nahrungsreservoir das Meer ist, wie marine Reptilien und Vögel, sind in besonderem Maße mit dem Problem der Osmoregulation konfrontiert. Sie können Salzwasser trinken und scheiden die "überflüssigen" Ionen in stark hyperosmotischer Flüssigkeit über spezielle Salzdrüsen aus ("Krokodilstränen"). Marine Säuger sind durch besonders gut entwickelte Henlesche Schleifen, die einen stark konzentrierten Harn produzieren können (Harnkonzentrierung, Niere), an eine vermehrte Ausscheidung von Salzen ohne die Notwendigkeit zur vermehrten Wasseraufnahme angepaßt. Entsprechende Anpassungen haben landbewohnende Vögel und Säuger entwickelt, die Wasser sparen müssen (Wüstentiere, z.B. Dromedar). Katadrome Fische und anadrome Fische, wie die Aale, die im Salzwasser, und Lachse, die im Süßwasser laichen, sind in besonderem Maße zur Osmoregulation befähigt. Sie können je nach ihrem momentanen Lebensraum sowohl hyperosmotisch als auch hypoosmotisch regulieren, wobei die Möglichkeit zur Umkehrung von Ionentransportprozessen den Hauptanteil an der Osmoregulation hat. Neben den bereits erwähnten Organen stehen auch die Protonephridien der Plattwürmer, die Nephridien der Gliedertiere und bei den Insekten die Malpighi-Gefäße und der Enddarm im Dienste der Osmoregulation. Exkretion, Homöostase, Salinität (Abb.).

K.-G.C./L.W./P.N.

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