Lexikon der Biologie: Paläobotanik
Paläobotanikw [von ä *paläo- , Botanik], Paläophytologie, Phytopaläontologie, die Wissenschaft von den vorzeitlichen, fossilen Pflanzen und den Gesteinen, in die sie eingeschlossen sind. Paläobotanik und Paläozoologie (die Wissenschaft der vorzeitlichen Tiere) sind Teilbereiche der Paläontologie und im Grenzbereich von Biologie und Geologie angesiedelt. Aus traditionellen Gründen werden auch fossile Pilze, die als saprophytische (Saprophyten) bzw. parasitische Organismen (Parasiten) eine von den photoautotrophen Pflanzen (Photoautotrophie) unabhängige Entwicklungslinie der Eukaryoten darstellen, in die Paläobotanik mit einbezogen. Neben der Makro-Paläobotanik, die sich mit der Analyse von pflanzlichen Großfossilresten beschäftigt, haben sich auch die Palynologie (Wissenschaft fossiler und subfossiler Pollen und Sporen sowie anderer Mikrofossilien), die Pollenanalyse (methodisch eigenständiger Teilbereich der Palynologie, der sich mit quartären Ablagerungen beschäftigt) und die Karpologie (Wissenschaft von den fossilen Samen und Früchten) als eigenständige Spezialdisziplinen etabliert. In der Paläobotanik können Arten (Spezies) in der Regel nicht biologisch definiert werden (Art, Chronospezies) und müssen statt dessen – wie in der Paläozoologie – basierend auf anatomischer und/oder morphologischer Ähnlichkeit beschrieben werden (Morphospezies). Da Pflanzen-Fossilien in der Regel nur bruchstückhaft erhalten sind, werden in der Paläobotanik meist nur bestimmte Pflanzenorgane (Blätter, Holz, Wurzeln, Blüten, Samen, Pollen usw.) oder sogar nur bestimmte Erhaltungszustände ( ä vgl. Infobox ) mit einem Artnamen versehen ("Organart", "Organgattung"; Organgattung). Nur in seltenen Fällen, wenn verschiedene Strukturen in organismischem Zusammenhang gefunden werden (z.B. Zweig mit Blüten und Blättern) oder wenn spezielle Strukturen (z.B. besonders geformte Drüsenhaare) eine eindeutige Zuordnung verschiedener Organe erlauben, wird es möglich, verschiedene Organarten zu einer möglicherweise natürlich umgrenzten Art zusammenzufassen. Ziel der Paläobotanik ist es zum einen, fossile Pflanzen zu beschreiben, zu rekonstruieren und entsprechend ihrer Verwandtschaft in das natürliche System einzuordnen. Zum anderen wird versucht, die Phylogenie der Pflanzen im Rahmen der biologischen Evolution zu analysieren, und somit die Geschichte und die Vielfalt des pflanzlichen Lebens auf der Erde zu rekonstruieren (Erdgeschichte [Tab., Farbtafel]). Eine weitere wichtige Aufgabe der Paläobotanik ist die Ermittlung pflanzlicher Leitfossilien und Faziesfossilien, welche die relative Datierung (Geochronologie) von Sedimentgesteinen (Sediment) ermöglichen. Bei fossilen Pflanzen(teilen) ohne organische Reste können in Abhängigkeit von der Körnigkeit des einbettenden Sediments (Fossilisation) unterschiedlich feine morphologische Details untersucht werden. Fossilien mit erhaltenen organischen Resten können nicht nur anatomisch, sondern auch biochemisch und in Ausnahmefällen sogar molekularbiologisch (molekulare Paläontologie) untersucht werden. So gelang in tertiären (Tertiär) Blättern z.B. der Nachweis von Flavonoiden, Chlorophyll, und aromatischen Säuren, in Pflanzenfossilien aus dem Devon und Karbon konnten Cellulose, Lignin, Cutin und Sporopollenin nachgewiesen werden (Chemofossilien). In den letzten Jahren wurden vermehrt Versuche unternommen, DNA (Desoxyribonucleinsäuren) aus organischen Resten fossiler Pflanzen zu sequenzieren (Sequenzierung). Für einige tertiäre Pflanzenfossilien wurden Sequenzen veröffentlicht; es ist jedoch umstritten, ob es überhaupt möglich ist, DNA aus Fossilien, die älter als ca. 50.000 Jahre sind, verläßlich zu sequenzieren. Neben modernen biochemischen und molekularbiologischen Methoden haben in den letzten Jahren neue interdisziplinäre Ansätze und Fragestellungen z.B. aus den Bereichen der Phylogenieforschung, funktionellen Morphologie, Biomechanik, Paläoökologie und Paläoklimatologie zu einer zunehmend besseren und detaillierten Kenntnis fossiler Pflanzen, Pflanzengesellschaften und Lebensräume beigetragen, die auch für "hochaktuelle Fragestellungen" (Aussterben, Biodiversität, Klimaänderungen) von Bedeutung ist. – Als Begründer der wissenschaftlichen Paläobotanik gelten K.M. von Sternberg, E.F. von Schlotheim und A.T. Brongniart. Bedeutende Arbeiten auf dem Gebiet der Paläobotanik leisteten ferner u.a. L. von Buch, C. von Ettingshausen, H.R. Göppert, W.U. Gothan, K. Mägdefrau, J.J. Scheuchzer, W. Zimmermann.
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