Lexikon der Biologie: Polypeptidketten bindende Proteine
Polypeptidketten bindende Proteine, Polypeptide chain binding proteins (Abk. PCBs), molekulare Chaperone, Chaperone (von franz. chaperon = Anstandsdame), heterogene Gruppe von Proteinen, die bei der korrekten Faltung von Polypeptidketten zu nativen Proteinstrukturen sowie beim assembly von Untereinheiten zu Oligomeren assistieren (assisted self-assembly), indem sie hydrophobe Interaktionen und unkorrekte Aggregationen von Intra- und Interpolypeptidoberflächen verhindern. Sie haben dabei keinen Einfluß auf die entstehenden nativen Proteinstrukturen ( vgl. Tab. ). Chaperone kommen in allen Zellen in hohen Konzentrationen vor und sind im Zusammenhang mit der Proteinsynthese (Translation) sowie dem Proteintransport zu und durch Membranen essentiell. Unter Streßbedingungen wie Hitzeschock werden viele Chaperone vermehrt gebildet (entsprechend als heat-shock-Proteine, Hsp, bezeichnet) und tragen zur Renaturierung entfalteter und aggregierter Proteine bei. Manche Chaperone mit hohen Homologien (Sequenzhomologie) zu den heat-shock-Proteinen werden bei Hitzeschock nicht vermehrt gebildet, sie werden mit dem Kürzel Hsc (für heat-shock-cognate) bezeichnet. Es gibt verschiedene Chaperonfamilien, deren Bezeichnung meist von der relativen Molekülmasse der Hauptvertreter abgeleitet ist (z.B. Hsp70 für heat-shock-Proteine mit einer relativen Molekülmasse von 70.000) und deren einzelne Vertreter untereinander hohe Homologien aufweisen ( vgl. Tab. ). Die Mitglieder der Hsp100-Familie werden in Prokaryoten (ClpA, ClpB; Clp), im Cytoplasma von Eucyten (Hsp104), in Mitochondrien (ClpX) und Chloroplasten (ClpC) gefunden. Zusammen mit Hsp70 sind sie für die Auflösung von Proteinaggregaten verantwortlich, ClpA zusammen mit ClpP außerdem für proteolytische Vorgänge (Proteolyse). Die Hsp90-Familie findet sich in Prokaryoten (HtpG), als die mengenmäßig häufigsten Chaperone im Cytoplasma von Eucyten (Hsp90) sowie im endoplasmatischen Reticulum (Grp94). Ihre Vertreter haben Bedeutung für die Streßresistenz (Streßproteine). In Eukaryoten vermitteln sie die Faltung von Proteinkinasen und halten außerdem cytoplasmatische Rezeptoren für Steroidhormone in einem inaktiven, aber bindungsbereiten Zustand. Vertreter der Hsp70-Familie kommen in Prokaryoten (DnaK), im Cytoplasma von Eucyten (Hsp70, Hsc70), in Mitochondrien (mtHsp70, SSC1), Plastiden (ptHsp70) und im endoplasmatischen Reticulum (BiP/Grp78; Schwerketten-Bindeprotein) vor. Sie besitzen am Aminoterminus eine ATP-bindende und am Carboxylterminus eine Peptid-bindende Domäne. Die Substratbindung erfolgt in einer aus β-Faltblättern (Beta-Faltblatt) gebildeten Furche mit hydrophoben Bereichen. Hsp70 und seine Homologen sind u.a. für die korrekte Faltung cytosolischer Proteine, den Proteintransport durch die Membran des endoplasmatischen Reticulums (z.B. Exportproteinsynthese) sowie die Hüllmembranen von Mitochondrien und Chloroplasten, die Integration von Vorläuferproteinen in die Thylakoidmembran von Chloroplasten, die Entfernung der Clathrinhülle (Clathrin) von coated vesicles bei der Endocytose, für die Verhinderung der Proteinaggregation sowie die Auflösung von Proteinaggregaten von Bedeutung. Hsp70 bindet kurze hydrophobe Peptidsegmente (die im nativen Protein innen liegen) noch nicht gefalteter bzw. entfalteter Proteine und unterstützt in mehreren, durch ATP-Hydrolyse angetriebenen Zyklen des Bindens und Ablösens von Substratproteinen deren Faltung bzw. Rückfaltung in die native Struktur. Cochaperone dirigieren dabei Substratproteine zum Hsp70 und stimulieren dessen ATP-Hydrolyse (DnaJ, Hsp40) und beeinflussen den ADP/ATP-Austausch (GrpE, Hip, Hop). Die Mitglieder der Hsp60-Familie sind sog. Chaperonine, die in Prokaryoten (GroEL), Mitochondrien (Hsp60) und Chloroplasten (Cpn60/RBP) nachgewiesen werden. Zu dieser Familie wird auch das in Archaebakterien und im Cytoplasma von Eucyten befindliche CCT (TRiC) gezählt. Chaperonine assistieren bei der Faltung von Proteinen bis zu einer relativen Molekülmasse von ca. 50.000 und verhindern die Proteinaggregation in Streßsituationen. Es handelt sich um riesige zylinderförmige Moleküle mit einem zentralen Hohlraum. Sie übernehmen in der Regel Substratproteine von Hsp70 und vermitteln deren Faltung in der geschützten Umgebung des Hohlraums. Ein Cochaperonin (GroES, Hsp10, Cpn10) schließt den Hohlraum ab und koordiniert die ATP-Hydrolyse sowie den ADP/ATP-Austausch, wodurch Zyklen des Bindens und Ablösens von Substratprotein reguliert werden, bis dessen native Struktur erreicht ist. Das plastidäre Cpn60 bindet zudem die Untereinheiten von Rubisco (Ribulose-1,5-diphosphat-Carboxylase) und ist bei deren assembly zum nativen Enzym notwendig, weshalb es früher als Rubisco Binding Protein (RBP) bezeichnet wurde. Die kleinen Hitzeschock-Proteine (Hsp10-25/smHsp) werden in Prokaryoten und allen eukaryotischen Kompartimenten (Kompartimentierung) gefunden. Sie assoziieren an entfaltete Proteine und verringern so deren Konzentration und damit offenbar die Wahrscheinlichkeit für Proteinaggregationen. Weitere Chaperone sind das Nucleoplasmin, das im Zellkern die Aggregation von Histonen und DNA verhindert, der prokaryotische Trigger-Faktor und der eukaryotische NAC (nascent polypeptide associated complex), die neu synthetisierte Polypeptide bereits am Ribosom in Empfang nehmen und unspezifische Interaktionen verhindern, Calnexin und Calreticulin im endoplasmatischen Reticulum, die an der Faltung von Glykoproteinen beteiligt sind, sowie das für die bakterielle Proteinsekretion wichtige SecB (Sec-Proteine). Apoptose, Glucose-reguliertes Protein.
M.B.
Polypeptidketten bindende Proteine
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Hsp100/Clp | 6–7-mer | ClpA, ClpB | – | Hsp104, ClpC, ClpX | – | |
Hsp90 | Dimer | HtpG | – | Hsp90, Grp94 | Hop, p23 | |
Hsp70 | Monomer | DnaK | DnaJ, GrpE | Hsp70, Hsc70, BiP/Grp78, SSC1 | Hsp40, Hip, Hop | |
Hsp60 | 14-mer | GroEL | GroES | Hsp60, Cpn60/RBP | Hsp10, Cpn10 | |
16-mer | – | – | CCT/TRiC | – | ||
Hsp10-25/smHsp | 8-24-mer | IbpA, IbpB | – | Hsp25, Crystallin | – | |
Nucleoplasmin | Pentamer | – | – | + | – | |
Trigger-Faktor | Monomer | + | – | – | – | |
NAC | Heterodimer | – | – | + | – | |
Calnexin/Calreticulin | Monomere | – | – | + | – | |
SecB | Tetramer | + | – | – | – |
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