Lexikon der Biologie: Pubertät
Pubertätw [von latein. pubertas = Geschlechtsreife], Erlangung der Geschlechtsreife bei Säugetieren und dem Menschen. Beim Menschen der Industriestaaten liegt der Beginn der Pubertät zwischen dem 9. und 11. (Mädchen) bzw. dem 11. und 13. Lebensjahr (Jungen), in traditionalen Kulturen etwa 5 Jahre später. Für Säugetiere ist der Eintritt in die Pubertät stark von Umweltbedingungen abhängig und somit nicht generell exakt festzulegen. Das Zusammenspiel biologischer, kontextueller (Faktoren der momentanen Lebensumwelt) und biographischer Prozesse bei der Auslösung der Pubertät ist noch nicht geklärt. Beteiligt sind Neuronenaktivitäten im Hypothalamus, die zwar bereits unmittelbar nach der Geburt LHRH (Gonadotropin-Releasing-Hormon) ausschütten, ihre Tätigkeit aber spätestens nach dem 6. Lebensmonat (Mensch) wieder einstellen. Während die Wirkung der Gonadenhormone auf das sich vorgeburtlich entwickelnde Gehirn strukturell und permanent ist, wirken dieselben Hormone nach der Pubertät induktiv und bei Frauen zyklisch (Menstruationszyklus). Die Rolle der Epiphyse und des von ihr produzierten Melatonins während der Pubertät ist umstritten: mit dem Eintritt der Pubertät sinkt der Melatoninspiegel (Melatonin), bzw. ein sinkender Melatoninspiegel löst den Beginn der Pubertät aus. Eine Hypothese geht davon aus, daß die Hormonproduktion durch einen kritischen Schwellenwert im Körpergewicht aktiviert wird. Er liegt für den Beginn der Pubertät etwa bei 30 kg, zum Zeitpunkt der größten Gewichtszunahme bei 39 kg und beim Einsetzen der Menarche bei 47 kg. Diese Werte gelten unabhängig von Früh- oder Spätentwicklung, so daß weniger das chronologische Alter (Altern) von Bedeutung zu sein scheint als der absolute Entwicklungsstand. Einiges spricht dafür, daß die Veränderung des Stoffwechsels, die das Verhältnis von Fett zur fettarmen Körpermasse einschließt, für die Auslösung der Pubertät entscheidend ist. Die Sozioendokrinologie zeigt auf, daß über streßinduzierte (Streß) Hormonproduktion Umweltbelastungen in biologische Prozesse eingreifen: ökologische und psychosoziale Umweltbedingungen beeinflussen die Pubertätsentwicklung. Frühe Belastung durch Kinderarbeit, Leistungssport oder schlechte Ernährung haben inhibierende Wirkung auf die Aktivierung des puberalen Hormonhaushalts. Negative Beziehungserfahrungen, fehlende Responsivität und instabile sozioökonomische Bedingungen gehen mit einer Vorverlegung der sexuellen Ausreifung einher. Eine aversive Kindheit vermehrt nicht nur die psychosozialen Auffälligkeiten, sondern führt auch zu einem früheren Einsetzen der Pubertät, einer früheren Fortpflanzung, einem geringeren elterlichen Engagement und einer Vielzahl instabiler Partnerbeziehungen – evolutionär-psychologisch ausgedrückt zu einem riskanten, eher quantitativ ausgerichteten Entwicklungspfad. – Mit Beginn der Pubertätsphase wird die pulsierende LHRH-Ausschüttung und damit die Sekretion von gonadotropen Hormonen zunächst während des Tief-Schlafs wieder aufgenommen. Im weiteren Verlauf der Pubertät wird sie schlafunabhängig. Im männlichen Geschlecht bewirkt die LHRH-induzierte Ausschüttung von FSH (follikelstimulierendes Hormon) die Aufnahme der Spermiogenese (Spermatogenese), die ebenfalls LHRH-abhängige Sekretion von LH (luteinisierendes Hormon) führt zur Produktion von Androgenen (insbesondere Testosteron), die als anabole Hormone die Proteinsynthese stimulieren und somit für die Vermehrung der Muskelmasse und einen Wachstumsschub verantwortlich sind. Testosteron reguliert ferner am Ende der Pubertät die Verknöcherung der Wachstumszonen (Epiphyse, Knochen) und damit das Ende der Wachstumsphase. Das Hormon kann von Enzymen in haarbildenden Follikeln zu 5α-Dihydrotestosteron reduziert werden und verursacht in dieser Form den charakteristischen männlichen Behaarungstyp. Im weiblichen Geschlecht wird nach LHRH-Schüben infolge vermehrter FSH- und LH-Produktion Östrogen gebildet und damit der Menstruationszyklus (Farbtafel) eingeleitet, wobei die ersten Blutungen oft noch ohne vorhergehenden Eisprung (Ovulation) auftreten (Östrogenentzugsblutungen). Da Östrogene (und Progesteron) eine schwächer ausgeprägte anabole Wirkung als Androgene besitzen, ist der weibliche pubertäre Wachstumsschub weniger stark als der männliche. Unter dem Einfluß der Östrogene prägen sich dann auch die typisch weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale aus. Adenohypophyse, Akzeleration, Geschlechtsdifferenzierung, Kind, Menstruation (Tab.), Pubertätskrise.
K.-G.C./G.H.-S.
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