Lexikon der Biologie: Raubtiere
Raubtiere, Karnivoren, Carnivora, Ordnung der Säugetiere mit insgesamt etwa 270 Arten in (je nach Auffassung) 10–13 Familien, deren meiste Vertreter sich überwiegend vom Fleisch anderer Wirbeltiere ernähren. Ihre Beute ergreifen die landlebenden Raubtiere im Sprung oder aus dem Laufen heraus mit Hilfe von scharfen Krallen und einem kräftigen Gebiß. Daneben gibt es Raubtiere, die zum Teil von Aas (Aasfresser) leben (z.B. Wildhunde, Hyänen), die hauptsächlich Wirbellose verzehren (vor allem die kleineren Raubtiere), die zusätzlich Früchte als Nahrung nehmen (z.B. Dachse) oder sogar Pflanzenkost bevorzugen (z.B. Bambusbär). Raubtiere verfügen über ausgeprägte Sinnesleistungen, wobei (gruppenspezifisch) der Gesichtssinn (Auge, Monochromasie), das Hör- (Gehörsinn) oder das Riechvermögen (Geruchssinn, Makrosmaten) dominiert. Nachtaktive Raubtiere (nachtaktive Tiere; z.B. Katzen) besitzen ein auffallendes Tapetum lucidum (Augenleuchten, Netzhaut). Unter den Raubtieren gibt es sowohl Einzelgänger als auch gesellig lebende Arten. Einige Raubtiere halten Winterruhe (z.B. Dachse), aber keinen echten Winterschlaf. Das typische Raubtiergebiß ( vgl. Abb. und Verdauung II–III) ist der Fleischnahrung angepaßt; ursprüngliche Zahnformel: 3 ·1 ·4 ·3. Dolchförmige Eckzähne dienen als Fangzähne dem Festhalten der Beute; die sog. Reißzähne bilden eine Art Brechschere. Da Raubtiere den Unter-Kiefer aufgrund seiner festen Eingelenkung nur auf- und abwärts (nicht aber seitwärts) bewegen können, ist ein mahlendes Kauen wie bei den Herbivoren nicht möglich. Der hohen Beweglichkeit des Körpers dient u.a. die Reduktion des Schlüsselbeins (Clavicula). Die meisten Raubtiere treten nur mit den Zehen auf (Digitigrada); Sohlengänger (Plantigrada) sind die Marder und Bären. Die Pfoten der Raubtiere haben meist vorne 5 und hinten 4 Zehen, ohne Opponierbarkeit (opponierbar) von Daumen oder Großzehe. – Raubtiere spielen als Beutegreifer eine bedeutende Rolle bei der Bestandsregulierung ihrer Beutetiere (Räuber, Räuber-Beute-Verhältnis, Lotka-Volterra-Gleichungen); wo der Mensch sie ausgerottet hat, muß er lenkend eingreifen. Mit dem Haushund (Hunde) und der Hauskatze (Katzen) entstammen den Raubtieren 2 wichtige Haustiere des Menschen. Unter den rezenten Raubtieren unterscheidet man (mehr nach ihrem Lebensraum als nach verwandtschaftlichen Gesichtspunkten) 2 Unterordnungen: Landraubtiere(Fissipedia) und Wasserraubtiere (Pinnipedia, Robben). – Die Stammesgeschichte und Klassifikation der fossilen Raubtiere sind bisher nicht befriedigend geklärt. Hauptgrund dafür ist die Tatsache, daß im Ältest-Tertiär und weit darüber hinaus Unterschiede zwischen den Raubtieren und anderen Säugetiergruppen wesentlich unschärfer ausgeprägt waren als heute. So werden manche Taxa der Urraubtiere (Creodonta) je nach Auffassung der Autoren z.B. den Huftieren, Condylarthra oderDeltatheridia zugewiesen. Selbst für das Miozän gilt noch, daß sich z.B. in den Amphicyonidae hunde-, bären- und katzenartige Merkmale mischen und die taxonomische Bewertung entsprechend beeinflussen. Fossile Raubtiere werden vor allem aufgrund des Besitzes einer Brechschere erkannt. Die Landraubtiere mit über 300 fossilen Gattungen reichen bis ins mittlere Paleozän zurück. Sie werden im allgemeinen von den Miaciden (Superfamilie Miacoidea Simpson 1931) abgeleitet, die man ursprünglich zur Grundlage der „Creodonta adaptiva“ erwählt hatte. Aus ihnen sind im Eozän sowohl die Canoidea (Hundeartige, Bärenartige, Marderartige und Waschbärenartige) wie auch die Aeluroidea (Schleichkatzen und Zibetkatzen, Hyänenartige und Katzenartige) hervorgegangen, die einzelnen Familien jedoch zu verschiedenen Zeiten. Haushund und Hauskatze haben ihre ältesten Gattungsgenossen in Canis cipio Crusafont aus dem spanischen Obermiozän (Turolium) und einigen Felis-Arten aus dem europäischen Obermiozän (Vallesium, z.B. „Felis prisca“ Kaup von Eppelsheim). Der älteste echte Bär (Ursavus) tauchte im europäischen Untermiozän (Burdigalium) auf. Säugetiere.
H.Kör./S.K./R.Z.
Raubtiere
Schädel (nicht maßstabsgerecht) von a Hund, b Braunbär, c Hauskatze, d Löwe.
Zu den rezenten Landraubtieren (Fissipedia) gehören u.a.
Marder, Kleinbären, Groß-Bären, Katzenbär, Bambusbär, Hunde, Hyänen, Schleichkatzen, Katzen.
Zu den Wasserraubtieren oder Robben (Pinnipedia) zählen
Ohrenrobben, Walrosse und Hundsrobben.
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