Lexikon der Biologie: Saprobiensystem
Saprobiensystems [von Saprobie], Gewässergütestandard, Zusammenstellung von Mikroorganismen-Arten (und zum Teil auch Höheren Organismen; Saprobionten), die als Leitorganismen (Indikatororganismen) zur biologischen Beurteilung des Verschmutzungsgrades (Wasserverschmutzung) von Gewässern dienen. Die Bestimmung des Verschmutzungsgrades (z.B. durch Abwasser) erfolgt nach der Massenentwicklung einzelner Leitformen oder der Analyse der gesamten Lebensgemeinschaft des untersuchten Gewässers (biologische Wasseranalyse). Die Verunreinigungsstufen bzw. Gewässergüteklassen werden nach der Stärke der Abwasserbelastung (Abwasserlast) bezeichnet und farblich gekennzeichnet ( vgl. Tab. ). In Fließgewässern folgen die Verunreinigungsstufen örtlich, in stehenden Gewässern zeitlich aufeinander – abhängig von der Stärke der Selbstreinigung. Die Leitorganismen sind nach ihrem ökologischen Verbreitungsschwerpunkt innerhalb einer bestimmten Verschmutzungsstufe des Gewässers ausgewählt. Sie müssen für den bestimmten Verunreinigungsgrad charakteristisch sein und sollten in den anderen Stufen überhaupt nicht oder nur sehr selten vorkommen. Ihre mikroskopische Bestimmung geht schneller und einfacher vonstatten als eine chemische Analyse des Wassers. Die Indikatorwirkung läßt sich auf die physiologischen Ansprüche der Organismen zurückführen (z.B. Verwertung organischer Stoffe, Sauerstoffbedarf) oder auch auf das Ertragen bestimmter Giftstoffe (Gifte, Ökotoxikologie), die beim Abbau der Verunreinigungen auftreten (z.B. Ammoniak, Schwefelwasserstoff). Die Bestimmung der Wassergüte nach dem Saprobiensystem ist ein vereinfachtes Verfahren und mit Fehlern behaftet. So beeinflußt auch die Art des Gewässers die Zusammensetzung der Lebensgemeinschaft; z.B. wird die physiologische O2-Versorgung in schnellen Fließgewässern durch die Wasserbewegung verbessert und der Zustand biologisch besser beurteilt als der gleiche Zustand in einem langsam fließenden oder stehenden Gewässer. – Günstiger als das Saprobiensystem zur Wassergütebestimmung scheint der Saprobienindex zu sein, in dem Indikatororganismen und chemische Faktoren (chemischer Sauerstoffbedarf, biochemischer Sauerstoffbedarf) zusammen zu einer Bewertungszahl verknüpft werden. – Erstmals haben Kolkwitz und Marsson die Beziehungen zwischen Gewässerverunreinigung und Besiedlung in einem Katalog von pflanzlichen und tierischen Indikatororganismen für verschiedene Verunreinigungsgrade in Fließgewässern zusammengestellt ( vgl. Tab. ). Dieses System wurde von Liebmann 1947 auf stehende Gewässer ausgedehnt. Im System von Sladecek (1969, 1973) und Sramek-Husek werden alle Verunreinigungsarten und -grade berücksichtigt (Antisaprobität). – Heute werden in Deutschland für die Güteklassifizierung eines Gewässers 4 Klassen (I, II, III, IV) und 3 Zwischenklassen (I–II, II–III, III–IV) verwendet (Gütegliederung der Fließgewässer [Tab.]).
Saprobiensystem
Saprobiensystem (nach Kolkwitz und Marsson)*
In Klammern Gewässergüteklassen nach Liebmann
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Polysaprob (Güteklasse IV, rot) Wasser außerordentlich stark verunreinigt; starke O2-Zehrung; vorwiegendes Auftreten von Fäulnisprozessen durch Reduktion und Spaltung, Bildung von H2S; hoher Gehalt an organischen Stoffen; reiche Sedimentation | Bakterien: weit über 1.000000 pro ml Wasser, u.a. Kokken und Schwefelbakterien; Abwasserpilz Sphaerotilus natans; Cyanobakterien (Beggiatoa alba); Protozoen (Amoeba limax, Euglena viridis; u.a. viele Wimpertierchen); Bachröhrenwurm (Tubifex); Zuckmückenlarven (Chironomus thummi); Schlammfliegenlarve Eristalis tenax; kleine Fische | |
α-mesosaprob (Güteklasse III, gelb) Wasser stark verunreinigt; starke Oxidationsprozesse; Vorherrschen von bei Abbau entstehenden Aminosäuren; O2-Gehalt höher (vor allem am Tag), nachts Abnahme; Mehrzahl der Pflanzen und Tiere noch Mikroorganismen, aber auch Muscheln, Krebse, Insektenlarven und Fische | Bakterien: weniger als 1.000000 pro ml Wasser; Cyanobakterien (Oscillatoria spp.), Kieselalgen, Grünalgen, Pilze; Protozoen (Paramecium caudatum, Aspidisca costata, Spirostoma ambiguum); Hundeegel Herpobdella atomaria; Kugelmuschel Sphaerium corneum, Waffenfliegenlarve Stratiomys chamaeleon; Schleie, Karpfen, Aal | |
β-mesosaprob (Güteklasse II, grün) Wasser mäßig verunreinigt; Prozeß der fortschreitenden Oxidation bzw. Mineralisation; O2-Zehrung gering; große Mannigfaltigkeit der Pflanzen und Tiere | Bakterien: weit unter 1.000000 pro ml Wasser; Cyanobakterien, Kieselalgen, Grünalgen (Synura uvella); Protozoen; Muscheln (Ancylus fluviatilis); Insektenlarven (Cloeon dipterum, Hydropsyche lepida); Fische in großer Artenvielfalt | |
Oligosaprob (Güteklasse I, blau) Wasser kaum verunreinigt; vollendete Oxidation, Mineralisation; Wasser klar und O2-reich; viele Insektenlarven | Bakterien: weniger als 100 pro ml Wasser; Cyanobakterien, Kieselalgen (Asterionella formosa), Grünalgen, Rotalgen; Rädertiere; Strudelwürmer (Crenobia alpina); Flußperlmuschel Margaritifera margaritifera; Wasserfloh Holopedium gibberum; Insektenlarven (Perla bipunctata); stark O2-bedürftige Fische, z.B. Forellen |
*Im Saprobiensystem von Fjerdingstadt (1964, 1965) werden die Saprobienstufen noch weiter unterteilt: in 3 polysaprobe (α, β, γ) und 3 mesosaprobe Stufen (α, β, γ). Zusätzlich werden eine koprozoide Zone (stärkste Verunreinigung) und eine katharobe Zone (völlig sauberes Wasser; Katharobien) unterschieden.
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