Lexikon der Biologie: Schistosomiasis
Schistosomiasisw, Bilharziose, Erkrankung des Menschen durch Befall mit Saugwürmern der Gattung Schistosoma (Schistosomen, FamilieSchistosomatidae); beim Menschen Urogenital-Schistosomiasis (Blasenbilharziose) durch Schistosoma haematobium (tropisches Afrika; vgl. Abb. 1 ), Darm- oder Leber-Schistosomiasis durch Schistosoma mansoni ( vgl. Abb. 2 ), Schistosoma japonicum (Südostasien), Schistosoma intercalatum (Zentralafrika). Auch der Befall der weiblichen Geschlechtsorgane wurde neuerdings nachgewiesen. Die Schistosomiasis ist mit weltweit etwa 200 Millionen Befallenen neben Malaria die wichtigste Infektionskrankheit warmer Länder. Als Reservoirwirte sind nur bei Schistosoma japonicum u.a. Katzen, Hunde, Schweine, Affen bedeutsam. Die Befallswahrscheinlichkeit ist hoch, weil die aus dem Zwischenwirt (Wasserschnecken; z.B. Australorbis, Biomphalaria, Bulinus, Oncomelania) freiwerdende Larve (Cercarie) die Haut des Endwirts an spezifischen Substanzen (Fettsäuren) erkennt und aktiv in sie eindringt. Dementsprechend ist Kontakt mit cercarienhaltigem Wasser (z.B. bei rituellen Waschungen der Moslems, im Wasser spielenden Kindern) gefährlich, auch künstliche Bewässerungssysteme (Assuan-Stausee) und Fischteiche haben die Befallsziffern gesteigert (water borne diseases). – Die Reaktion des befallenen Organismus gegen die Eier von Schistosoma mansoni stellt eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Spättyp dar, verbunden mit der Bildung von Granulomen. Als Reaktion auf den Parasiten scheint insbesondere die Produktion eines Cytokins, nämlich des TNFα (Tumor-Nekrosis-Faktor), gesteigert zu sein. SCID-Mäuse (SCID), denen funktionelle B-Lymphocyten und T-Lymphocyten fehlen, besaßen in Experimenten die Fähigkeit, Granulome gegen die Eier von Schistosoma mansoni zu bilden, auch wenn TNFα systemisch verabreicht wurde. Dabei werden, wie bei Granulomen normaler infizierter Mäuse, viele verschiedene Zelltypen in den Granulomen gefunden, vermutlich durch die pleiotropen (vielfältigen) Effekte von TNFα. Ein weiterer überraschender Befund in den mit Schistosoma mansoni infizierten Mäusen war die Tatsache, daß die Schistosomen nach der Injektion von TNFα in die Mäuse mehr Eier produzierten. TNFα, das in normalen Mäusen durch T-Zellen, die in den SCID-Mäusen fehlen, gebildet wird, ist also offensichtlich ein Stimulus für die Eiablage. – Die eingedrungene Cercarie wandelt sich in den jungen Wurm (Schistosomulum) um, der seinerseits über Herz- und Lungenpassage und Mesenterialarterie zu den Venen des Vorzugsorgans gelangt. Der erwachsene Wurm kann als Fremdkörper oder durch Stoffwechselprodukte zu Blasenbeschwerden bzw. Obstipation führen. Am schädlichsten sind aber die meist hakenbewehrten Eier, um die Entzündungsherde (Granulome, Pseudotuberkel) aus Wirtszellen entstehen. Blasentumoren, Leberzirrhose, Milzschwellung und Bauchwassersucht sind die Folgen. Mit dem Blut können die Eier aber auch in viele andere Organe gelangen. Der Befall der weiblichen Genitalorgane kann zu weitreichenden Konsequenzen, wie chronischen Unterleibsschmerzen, Unfruchtbarkeit und Schwangerschaftskomplikationen, führen. Die Art der Veränderungen in der Vagina und am Gebärmutterhals macht es wahrscheinlich, daß andere Erreger, insbesondere HIV und HPV (Papillomviren), besonders leicht übertragen werden. Die Diagnose der Krankheit erfolgt an Eiern, die aus Mikroabszessen in Harn oder Stuhl abgehen, immunologisch z.B. Umhüllung der Cercarien bei Kontakt mit antikörperhaltigem Blut (Cercarienhüllenreaktion). Therapie heutzutage vorwiegend mit Praziquantel, Zwischenwirtbekämpfung mit Kupfermitteln oder biologischen Feinden (u.a. der Mittelschnecke Marisa). – Ein neues Konzept in der Bekämpfung der Erkrankung besteht darin, die Fertilität der weiblichen Würmer zu bekämpfen und damit die Zahl der schädlichen Eier drastisch zu reduzieren. Schlüsselmolekül ist das Enzym Glutathion-S-Transferase (GST; Glutathion), das für die Fortpflanzung der Parasiten essentiell ist und von dem jede Schistosomenspezies eine charakteristische Variante aufweist. Eine Immunisierung mit GST ruft eine deutlich stärkere Abwehrreaktion des Körpers hervor als eine natürliche Infektion. In Tiermodellen ließ sich die Eiproduktion um 50–80% verringern. – Vorwiegend in gemäßigten Breiten werden Menschen beim Baden von Cercarien anderer Schistosomatiden (Trichobilharzia) befallen. Folge sind juckende Quaddeln und Fieber (Schistosomatiden-Dermatitis; Badedermatitis). Die eingedrungenen Larven (normale Endwirte Vögel) gehen jedoch zugrunde. Bilharz (T.M.), molekulare Maskierung, Parasitismus.
D.Z./S.Kl.
Schistosomiasis
Abb. 1: Das spezielle Krankheitsbild der Blasenbilharziose wird durch den PärchenegelSchistosoma haematobium verursacht (endemisch in Afrika und dem vorderen Orient). Die Abb. zeigt den Entwicklungszyklus (der innere Kreis stellt die Wirte, der äußere die jeweiligen Parasitenstadien dar). Zwischenwirte sind Wasserlungenschnecken der Gattung Bulinus (Entwicklungszyklus: Saugwürmer). Die erwachsenen Würmer leben, meist paarweise, vor allem im Venengeflecht der Harnblase des Menschen. Dort legt das zylinderförmige, bis zu 18 mm lange Weibchen – das abgeflachte Männchen wird bis zu 15 mm lang – typische, mit einem Stachel versehene Eier ab. Diese dringen aktiv in die Blase ein und werden mit dem Urin ausgeschieden. Die damit einhergehende Gewebezerstörung führt zu Blutungen (Hämaturie) und starken entzündlichen Reaktionen. Eier, die nicht in das Blasenlumen vordringen, werden eingekapselt (Granulome). Vielfach sind maligne Tumoren (Krebs) die Folge. Bei infizierten Frauen ist häufig auch der Genitaltrakt betroffen, was zu einem narbigen Verschluß der Eileiter führen kann. Zur Behandlung der Blasenbilharziose stehen die Medikamente Praziquantel und Metrifonat zur Verfügung.
Schistosomiasis
Abb. 2: Lebenszyklus von Schistosoma mansoni. 1 Adultform, Pärchen in Dauerkopula im Endwirt: Mensch und Labortiere (Leber und Darmvenen); 2 Eikapsel mit schlüpfbereitem Miracidium; 3 freischwimmende Wimperlarve (Larve von 4); 4 Mutter- und 5 Tochtersporocyste im Zwischenwirt; 6 Furcocercarie (Larve von 1) mit Bohrdrüsen, 7 Schistosomulum
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