Lexikon der Biologie: sekundäres Dickenwachstum
sekundäres Dickenwachstum, das Dickenwachstum, das nach der primären Ausdifferenzierung der Sproßachse und der Wurzel einsetzt und das zur Vermehrung und ständigen Erneuerung der Leit- und Stützelemente führt (Leitungsgewebe, Festigungsgewebe). Es findet sich bei vielen krautigen und bei allen strauch- und baumförmigen Pflanzen. Die Vorgänge beim sekundären Dickenwachstum sind recht komplex und keineswegs bei allen Pflanzengruppen einheitlich. Man kann prinzipiell 4 Formen des sekundären Dickenwachstums der Sproßachse unterscheiden ( ä vgl. Abb. 1 ). Dazu kommen die besonderen Verhältnisse des sekundären Dickenwachstums bei der Wurzel. Beim Aristolochia-Typ des sekundären Dickenwachstums, der nach der Gattung Aristolochia (Osterluzei) mit vielen Lianen bezeichnet wird, baut sich eine sehr flexible Achsenstruktur auf, indem zwischen den keilförmigen verholzten (Verholzung) Bereichen breite parenchymatische und damit elastische Zonen liegen. Ganz andere Belastungsbedingungen (Biomechanik) werden an die Sproßachsen aufrecht wachsender krautiger Pflanzen, vor allem aber der Holzgewächse, gestellt. Hier ist ein mehr oder weniger geschlossener Zylinder aus Leit- und Festigungselementen die beste Lösung. Er wird im wesentlichen auf 2 Arten beim sekundären Dickenwachstum hergestellt. Zum einen beginnt das sekundäre Dickenwachstum mit getrennt angelegten Einzelbündeln, deren faszikuläre Kambien sich sekundär zu einem Kambiumzylinder (Kambium) schließen. Doch bildet nun dieser Kambiumzylinder nur Holz und Bast und dazwischen nur schmale und kleine Markstrahlen. Dieser Ricinus-Typ des sekundären Dickenwachstums wird von vielen krautigen Zweikeimblättrigen Pflanzen (Dikotylen), von einer Reihe von Laubhölzern und von den Nadelhölzern verwirklicht. Beim Tilia-Typ des sekundären Dickenwachstums (bei den meisten Laubgehölzen verwirklicht) werden schon in der primären Ausgestaltung der Sproßachse die Leitbündel als mehr oder weniger zusammenhängender Gewebezylinder mit geschlossenem Kambiumzylinder angelegt, so daß das gesamte Kambium ein Urmeristem (Bildungsgewebe) darstellt. Nur wenige Einkeimblättrige Pflanzen (Monokotylen) zeigen ein sekundäres Dickenwachstum, das auf eine völlig andere Art erfolgt und anomales Dickenwachstum genannt wird (Monokotylen-Typ). – Das sekundäre Dickenwachstum der Wurzel ( ä vgl. Abb. 2 ) der Nacktsamer und der Zweikeimblättrigen Pflanzen beginnt mit der sekundären Ausbildung von Kambiumstreifen in den radialen Parenchymstreifen, welche die radial angeordneten Gefäß- und Siebstränge im primären Ausbildungszustand der Wurzel voneinander trennen. Die Ränder dieser Kambiumstreifen treffen zu beiden Seiten jedes Gefäßstrangs auf den Perizykel (Perikambium) und schließen sich dann zusammen, so daß ein geschlossener Kambiummantel mit sternförmigem Querschnitt entsteht. Wie das Sproßkambium erzeugt er anschließend nach innen Holz, nach außen Bast, wobei die Einbuchtungen durch zunächst besonders rege Holzbildung hinter den Siebteilen bald ausgeglichen werden. Dilatation; Bedecktsamer II .
H.L.
sekundäres Dickenwachstum
Abb. 1: Formen des sekundären Dickenwachstums
1Aristolochia-Typ
Im primären Differenzierungszustand liegen in einem Kreis angeordnete Einzelleitbündel (offen, kollateral) vor. Im Parenchym zwischen den Leitbündeln bildet sich das interfaszikuläre Kambium, das sich mit dem faszikulären Kambium zu einem Ring verbindet. Das interfaszikuläre Kambium differenziert jedoch nur Parenchym (Markstrahlen). Nur bei Lianen verwirklicht.
2Ricinus-Typ
Ähnlich Aristolochia-Typ. Hier differenziert jedoch das gesamte Kambium, also auch das interfaszikuläre, Holz und Bast. Der Holzzylinder ist mehr oder weniger geschlossen.
3 Tilia-Typ
Im primären Differenzierungszustand liegt bereits ein nahezu geschlossener Zylinder aus primären Leitelementen mit nahezu durchgehendem Kambium vor, von dem aus das sekundäre Dickenwachstum einsetzt.
4Monokotylen-Typ
Die einkeimblättrigen Angiospermen (Monokotylen) besitzen im allgemeinen kollaterale bis konzentrische geschlossene Leitbündel, also ohne Kambium. Daraus folgt das Fehlen von sekundärem Dickenwachstum nach einem dieser 3 genannten Typen. Wenige baumförmige Monokotylen aus der Gruppe der Lilienartigen, nämlich Aloe, Yucca (Palmlilie), Cordyline und Dracaena (Drachenbaum), differenzieren aus einem peripheren Meristemring, der für das primäre Dickenwachstum (nach außen) verantwortlich ist, in einiger Entfernung vom Scheitel nach innen ein von vollständigen Leitbündeln durchsetztes Parenchym (anomales sekundäres Dickenwachstum).
sekundäres Dickenwachstum
Abb. 2: Das sekundäre Dickenwachstum der Wurzel beginnt mit der Ausbildung eines die primären Gefäßstränge sternförmig umgebenden Kambiummantels. Holz und Bast werden dann wie in der Sproßachse gebildet, und die sekundär verstärkte Wurzel unterscheidet sich später nur noch im Primärxylem im Zentrum von der sekundär verstärkten Sproßachse.
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