Lexikon der Biologie: Speisepilze
Speisepilze, Sammelbezeichnung für die eßbaren Fruchtkörper wildwachsender oder kultivierter Höherer Pilze. Nahezu alle sind Ständerpilze(Basidiomycota), nur wenige Schlauchpilze(Ascomycota). Die Zahl der eßbaren Pilze wird auf ca. 2000 Arten geschätzt. Von den etwa 600 bekannten werden weltweit ca. 250 zum Verkauf angeboten. In Mitteleuropa sind etwa 70 Arten zum Verkauf zugelassen, aber nur etwa 25 haben wirtschaftliche Bedeutung. Pilze bestehen zu ca. 90% aus Wasser und 3–5% aus Rohprotein (entsprechend ca. 20–50% Protein im Trockengewicht). Die Pilz-Proteine enthalten alle essentiellen Aminosäuren, besonders viel Lysin und Leucin. Viele Pilzproteine sind jedoch nicht oder nur schwer verdaulich, wenn sie nicht besonders vorbehandelt werden (z.B. gemahlen). Der Gehalt an Kohlenhydraten beträgt 3,5%, an Fetten ca. 0,3% und an Rohfasern ca. 1%. Zusätzlich liegen eine Reihe von Vitaminen (z.B. B1, B2, B12, Niacin und Pantothensäure) vor ( vgl. Tab. 1 ), und der Gehalt an Mineralstoffen (Kalium, Phosphorsäure) ist recht hoch (ca. 0,8%). Einige Pilze besitzen auch medizinische Bedeutung, z.B. durch Bildung von antimikrobiellen Substanzen. Der Nährwert der Speisepilze ist dagegen aufgrund des geringen Gehalts an verdaulichen Proteinen und Kohlenhydraten in der Regel gering. Er entspricht etwa dem von Gemüse. Wegen der relativ schweren Verträglichkeit sind Pilze nicht als Schonkost geeignet und können, besonders in großen Mengen gegessen, den Magen stark belasten (z.B. durch das Zellwand-PolysaccharidChitin). Der besondere Wert der Speisepilze liegt in ihrem Geschmack und den Aromastoffen. Es gibt milde, pikante, scharf schmeckende Arten, solche mit zartem Geschmack, andere mit würzigem Aroma. Zu den kostbarsten Delikatessen gehören die Trüffel-Arten (Speisetrüffel) und in Ost-Asien die Matsutake(Armillaria matsutake). Die Rezepte für Pilzgerichte sind unübersehbar. Immer wichtiger werden bestimmte Pilze auch in der Naturheilkunde (Mykotherapie, Shiitake) zur Stärkung der Widerstandskraft gegen Erkrankungen und zur Heilung vieler Beschwerden und Krankheiten (Pilze). – Die Gefahr von Pilzvergiftungen (Nahrungsmittelvergiftungen) ist bei ungenügenden Kenntnissen der Pilzarten sehr groß, da viele Giftpilze, auch tödlich giftige, einigen Speisepilzen sehr ähnlich sind. Pilze sind auch nicht als Rohkost geeignet, da viele bekannte Speisepilze im rohen Zustand Hämolysine und andere blutschädigende Stoffe enthalten, die aber durch Hitze zerstört werden. Pilze können auch durch die Aufnahme und Akkumulierung von Schadstoffen, z.B. Schwermetallen (vor allem Cadmium und Quecksilber) und möglicherweise auch radioaktiven Stoffen (Radioaktivität) aus Kernwaffenversuchen und Kernreaktor-Störfällen (Cäsium-137; Strahlenbelastung), schädlich wirken. – Die Kultur von Speisepilzen war bereits den Griechen und Römern bekannt. In Ost-Asien wird der Shiitake-Pilz wahrscheinlich seit ca. 2000 Jahren gezüchtet. Die Artenzahl der kultivierten Pilze ( vgl. Tab. 2 ) blieb bis in unsere Zeit relativ gering. Im großen Maßstab werden die Zuchtchampignons (Champignonartige Pilze, Jahresproduktion weltweit ca. 1,8 Millionen t) in Ostasien der Shiitake-Pilz (Jahresproduktion über 800.000 t) und der Austernseitling (Jahresproduktion ca. 795.000 t) kultiviert. In Zukunft könnte die Pilzzucht, besonders in Entwicklungsländern, große Bedeutung als Proteinquelle erlangen, wenn sich die Verdaulichkeit des Rohproteins durch eine einfache Behandlungsmethode erhöhen ließe. Der besondere Vorteil der Pilzzucht liegt darin, daß viele Speisepilze auf organischen Abfall- und Reststoffen gezüchtet werden können, vor allem aus landwirtschaftlicher Produktion (z.B. Stroh, Holzabfälle, Exkremente aus der Tierhaltung [Massentierhaltung]). Durch den Aufschluß der polymeren Stoffe (Cellulose, Lignin) im Substrat durch die Pilze kann das mit Pilz-Mycel durchwachsene (mit Protein angereicherte) Substrat nach Beendigung der Fruchtkörperbildung noch als Kompost in der Landwirtschaft genutzt werden. – Auch einige Tiere kultivieren Speisepilze (z.B. Blattschneiderameisen, Termiten, Ambrosiakäfer; Pilzgärten). In Indonesien werden Hutpilze, die aus Pilzgärten von Termiten herauswachsen, gesammelt und auf Märkten verkauft (Termitomyces). Pilze IIIPilze IV .
G.S.
Speisepilze
Tab. 1: Einige Inhaltsstoffe in frischen Speisepilzen (in 100 g eßbarem Anteil).
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Energie (kJ/kcal) | 65/15 | 48/11 | 71/17 | |
Hauptbestandteile | ||||
Wasser | 90,7 g | 91,5 g | 88,6 g | |
Protein | 2,7 g | 1,5 g | 2,8 g | |
Fett | 0,2 g | 0,5 g | 0,4 g | |
Kohlenhydrate | 0,6 g | 0,2 g | 0,5 g | |
Ballaststoffe | 1,9 g | |||
Vitamine | ||||
Vitamin D | 2 μg | 2 μg | 3 μg | |
Vitamin E | 110 μg | 20 μg | 150 μg | |
Vitamin B1 | 100 μg | 20 μg | 35 μg | |
Vitamin B2 | 440 μg | 230 μg | 370 μg | |
Niacin | 5200 μg | 6500 μg | 4900 μg | |
Vitamin C | 5 mg | 6 mg | 3 mg | |
Mineralstoffe | 1,0 g | 0,8 g | 0,8 g | |
Natrium | 8 mg | 3 mg | 6 mg | |
Kalium | 420 mg | 505 mg | 485 mg | |
Magnesium | 13 mg | 14 mg | 12 mg | |
Calcium | 8 mg | 8 mg | 25 mg | |
Eisen | 1260 μg | 6500 μg | 1000 μg |
Speisepilze
Tab. 2: Wichtige kultivierte Arten:
Champignons (Agaricus bisporus Imbach, Agaricus bitorquis Sacc.; Champignonartige Pilze)
Seitlinge (Pleurotus ostreatus Kumm. = Austernseitling; Pleurotus eryngii Quel., Pleurotus „Florida“)
Riesen-Träuschling (braunhütige Formen = Braunkappe, Stropharia rugoso-annulata Farlow)
Shiitake (Lentinula edodes Pegler)
Samtfußrübling (Winterpilz, Flammulina velutipes Sing.)
Scheidlinge (Schwarzstreifiger Scheidling [Volvariella volvacea Sing.], Reisstrohpilz [Volvariella esculenta Sing.])
Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis Sing. & Smith) (Kuehneromyces [Pholiota] nameko S.Ito = Nameko)
Silberohr (Tremella fuciformis Berk.;Zitterpilze)
Tintlinge (Coprinus comatus Pers.)
Schwefelköpfe (Rauchblättriger Schwefelkopf [Hypholoma capnoides Kumm.])
Judasohr (Auricularia auricula-judae Wettst., Hirneola auricola-judae Berk.) und andere Auricularia-Arten (Auriculariales)
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